Morz und wie er die Welt sah...

Samstag, Juli 25, 2009

Kolumbien - Die Geheimakte "Briefmarke"

Ich weiss, ich hatte euch gerade erst geschrieben, aber ich muss euch an dem Erfolgserlebnis von eben teilhaben lassen.

Ich ging also aus dem Internetcafé und in das mir empfohlene, offizielle Gebaeude, um Briefmarken zu erstehen. Natuerlich sprach niemand englisch, aber inzwischen hatte ich gelernt, dass diese kleinen scheuen Tierchen auf spanisch estampillas heissen. Die Frau am ersten Schalter schaute mich etwas entgeistert an und schickte mich zu ihrem Kollegen. Dieser schickte mich dann zu einem englischsprechenden Kollegen (also doch), der herausfinden sollte, ob ich das mit den Briefmarken ernst gemeint haette. Ich hatte. Und als man sich dessen sicher war, befand man darueber, dass ich am besten zu der Airline Avianca gehen sollte. Zwar dachte ich, eben dort zu sein, aber dem war wohl nicht so. Wieder vor der Tuer, eigentlich in der Tuer, ging es nicht weiter, denn vor dem Eingang des Gebaeudes hatte sich inzwischen das staedtische Jugendorchester niedergelasen und spielte Franz von Suppé. Vom Schicksal zum Zuhoeren verdammt, harrte ich also der Dinge, die da kommen moegen. Etwa nach 20 Minuten schoener Musik, fand eine Frau neben mir eine kleine Gasse zwischen Pauken und Becken und wir schlichen uns raus. Kurz darauf fand ich in der Tat Avianca. Die sagten mir, es waere gar kein Problem, die Karten mit ihnen zu verschicken. Da macht nur 11.800 Pesos. Na ja, ein bisschen mehr als 6 US-$, das geht schon noch. Aber nein, pro Karte. Als ich sie amuesiert anlaechelte, gaben sie mir eine Wegbeschreibung zu einem anderen Postunternehmen. Mein Spanisch machte mir leider ein Strich durch die Rechnung, so dass ich mich heillos irgendwo zwischen der 19. und 23. Strasse verfranste. Aber da sassen so nette Damen im Schoenheitssalon gegenueber und warteten darauf, dranzukommen. Die fragte ich nett nach dem Weg und als sie mein Problem umreissen konnten, sagten sie mir, hier gleich um die Ecke sei eine Post. Als ich dann wiederum nichts mit Correos (Post auf spanisch) erspaehen konnte, fragte ich ein andere nette Zigarettenverkaeuferin. Diese nahm mich an die Hand und fuehrte mich um die Ecke in einen gruenen Salon, der wohl mehr ein Moebelgeschaeft war. Ich bedankte mich artig und traute mich fast gar nicht, nach Briefmarken zu fragen. Ich tat es dann aber doch und bekam als Antwort, Briefmarken gaebe es zwar keine, aber fuer 122.380 Pesos, wuerde sie meine 4 Postkarten verschicken. Ich fragte erst gar nicht, ob pro Stueck oder fuer alle 4. Dafuer bekommt man hier einen Flug in die Karibik und zurueck. Sie verriet mir dann aber noch einen persoenlichen Geheimtipp, das Hotel Zuldemayda, und gab mir die Adresse. Wieder verzettelte ich mich in dem unfehlbaren System nummerierter Strassen, denn es waere durchaus hilfreich, ab und zu diese Numern auch an die Strassen ranzuschreiben. Als ich 20min spaeter gerade wieder in einem Beautysalon fragen wollte, sah ich auf der gegenueberliegenden Strasse das Hotel. Ein Wachmann fuehrte mich in den Keller und dort erbarmte sich ein englisch sprechender Angestellter meines Problems. Inzwischen informiert ueber die heisse Ware "Briefmarke", akzeptierte ich 6.000 Pesos pro Karte (ca. 3,50 US-$) und 30 Tage Zustelldauer ohne mit der Wimper zu zucken. Vermutlich muss dafuer ein Indio bis nach Deutschland rennen, um seine Familie zu ernaehren und da will man ja nicht kleinlich sein. Ein Vertrag inklusive meiner Passnummer, Adresse hier, Beruf und der Adressen der Empfaenger war selbstverstaendlich im Preis inbegriffen und ich beschloss insgeheim, euch Postkarten erst wieder aus Laendern zu verschicken, in denen es Briefmarken gibt und diese weniger als ein Abendbrot kosten. Als ich zurueck zum Internetcafé lief, spielte das staedtische Jugendorchester irgendetwas, was auch Paul Kuhn spielen wuerde und die Angestellten versuchten haenderingend einen Pfad durch die Instrumente nach Hause zu finden...

Freitag, Juli 24, 2009

Kolumbien - Die erste Woche an der Uni

Liebe Freunde,

heute habe ich krankheitsbedingt frei und deswegen endlich mal ein bisschen Zeit, euch von meiner letzten Woche zu schreiben.

Letzten Sonntagabend bin ich ja in Armenia angekommen. Mein Zimmer war gefuehlte 30cm groesser als mein Bett und die anklappbaren Luftschlitze gingen zur Waschkueche raus. Das fand ich heraus, als Montag um 7.30 die Waschmaschine einen halben Meter neben meinem Kopf den Schleudergang antrat. Am Nationalfeiertag. Ja, heute beging man den 199. Tag der Unabhaengigkeit von Spanien. Ich war aber von der Zeitverschiebung noch so gebeutelt, dass ich noch bis 12Uhr lesend liegen blieb und der Putzfrau lauschte. Eigentlich hatte ich an dem Tag so auf gar nichts Bock. Aber als ich mich dann doch trollte, erwartete mich eine lebendige Stadt mit Menschen, die von links nach rechts stuermten und anderen, die die Gegenrichtung bevorzugten. Und alle waren sie wieder da: Die lebenden Telefonzellen (Menschen, die "Minutos 150 Pesos" auf dem Ruecken zu stehen haben und deren angebundenes Handy man fuer Ferngespraeche nutzen kann), die Fruchtverkaeufer (deren Fruechte schon seit 2 Tagen am Strassenrand liegen), die Sonnenbrillenverkaeufer und die Arepa-Verkaeufer (das erklaer' ich spaeter). Hinzu kamen Hunderte Eisverkaeufer, denn heute war ja Feiertag. Alle priesen ihre Waren an, aber keiner hielt einen fest o.ae. Sehr unaufdringlich in Gegensatz zu Asien. Ich begab mich mit kleinen Umwegen zur Plaza de Bolívar. Hier stand ein Truck ueber umweltfreundliche Energieproduktion mit aufgedruckten Oelfoerdertuermen auf den Scheiben (???), ein Paerchen in traditionellen Klamotten, das sich auf kunstvoll arrangierten Jeeps fotografieren liess, ein Clown und Geschichtenerzaehler, der Hunderten Kindern und ihren Eltern Spass brachte und eine Buehne. Hier war fuer 14 Uhr ein grosses Konzet angekuendigt. Als ich gegen 14 Uhr nach dem Fruehstueck wieder dort auftauchte, war ganz Armenia schon da und lauschte einem Offiziellen nach dem anderen, wie das Land mit Blut bereitet wurde, man seinen traditionellen Wurzeln gedenken solle und wie gut wir es doch heute haben. Irgendwann, ich glaub so 15.30, gabs dann auch Musik. Jetzt weiss ich, wie sich Maersche mit suedamerikanischen Rhythmen unterlegt anhoeren. Aber gut gespielt und arrangiert haben sie. Das mus man ihnen lassen. Mich packte dann wieder die Faulheit und ich schaute mich nach einem Café um. Leider sind die hier meist drinnen. Aber gegenueber entdeckte ich eine Billardbar im zweiten Stock mit ueberdachtem Balkon. Janet und Nadin bitte ich jetzt, sich den Foreigner Correspondence Club in Phnom Penh in Erinnerung zu rufen. Fuer alle anderen, hier die Reisefuehrerbeschreibung: "Es gibt in ganz Phnom Penh keinen schoeneren Ort, einen Monsun ueber dem Mekong heraufziehen zu sehen". So war das hier auch. Und der Regen kam! Und spuelte alle Eisverkaeufer, Telefonzellen und Clowns hinfort! Nur das Orchester spielte tapfer weiter. Und ich genoss den Blick, waehrend ich ein paar erste Postkarten schrieb (Ich haette nie gedacht, wie schwierig es ist, in Kolumbien Postkarten zu bekommen. Geschweige denn Briefmarken oder einen Briefkasten. So etwas gibt es hier nicht. Aber das ist eine andere Geschichte....) Und so schrieb ich, genoss den Blick und den Regen und schaute denn Carambolagespieler zu, wie sie im Fernsehen das Spektakel unter ihrem Balkon verfolgten. Gegen 18Uhr (es wird hier so 17.30 dunkel) bewegte ich mich schon wieder in Richtung Hotelbunker zurueck, um dort noch zu lesen und meine Spanischhausaufgaben zu machen. Danke Nadine fuer das Buch!

Dienstag

Der naechste Morgen begann frueh, mit der Waschmaschine. Heute sollte ich das erste Mal auf meiner neuen Arbeit erscheinen. Aber die Frau vom Buero fuer internationale Beziehungen war auch die 2 Wochen zuvor nicht sonderlich gewillt (und war es auch in Zukunft nicht), Informationen rauszuruecken. Ich stellte also fest, dass um 8.00 schon ein Internetcafé geoeffnet hatte und fand sogar eine Email von ihr, die sagte, ich solle sie um 11 Uhr treffen. Gut, es war also noch Zeit fuer ein Fruehstueck. Durch Zufall suchte ich mir das typischste Fruehstueck (Mittag und Abendbrot) der Quindianer raus: Arepa con queso und eine heisse Schokolade. Arepas sind Maisfladen, die auf einer heissen Metallplatte gebraten werden (etwa wie Eierkuchen), sie sind schwer und leicht suesslich (im Gegensatz zur heissen Schokolade) und man isst sie am besten mit Kaese ueberbacken. Dann gab ich noch schnell meinen ersten Film in die Entwicklung (die Quali ist scheisse, aber ich hab Bilder aus Warschau, Wiesbaden und dem Hafthorn drauf gefunden), checkte aus und machte mich mit 25 Kilos auf dem Ruecken zur Uni: Carrera 15 Calle 12. Staedte sind hier fast amerikanisch angeordnet. Alles was schachbrettartig von Nord nach Sued geht, heisst Carrera (oder Avenida) und was von Ost nach West geht Calle. Somit konnte ich die Ecke Carrera 15 Calle 12 nicht verfehlen. Nur war da keine Uni. Nur ein Friseur und eine lebende Telefonzelle. Ich fragte nach der Uni und man half mir in ein Taxi. Armenia scheint der einzige Ort zu sein, in dem das Strassensystem nicht eindeutig ist. Man hat vor einigen Jahren im Norden eine Bruecke gebaut und von dort angefangen, die Calles neu zu zaehlen. Na egal, das Taxi war in Nullkommanichts da, am falschen Ende der Uni, so das ich recht durchgeschwitzt im AAA ankam. Die Chefin des Bueros war sogar da und dafuer, dass sie so kompliziert war, sah sie aber verdammt gut aus. 1,65m gross, Rehaugen, total verpeilt: der Typ Spanischlehrerin eben. Zwischen 12 und 14Uhr macht hier die ganze Uni dicht und geht nach Hause zum Essen. Da meine Spanischlehrerin, aeh AAA-Chefin hier aber keine Familie hat, luden wir erst einmal mein Gepaeck beim Wachmann meiner Gastfamilie ab und gingen dann essen. Dort lernte ich, dass es hier 4 Sorten Bananen gibt, Plátanos (gruen und gelb) und Bananas (gross und klein), wie Guanabana schmeckt, man nirgendwo Trinkgeld gibt und sie ein AIESEC-Praktikum in Izmir (Smyrna, fuer die grecophilen unter uns) absolviert hatte. Nach dem 3-stuendigen Essen wurde ich dann gefuehlten 3000 Personen vorgestellt und unter anderem 2 Masterstudenten, mit denen ich arbeiten werde. Meine Betreuerin ist naemlich gerade in Missouri und kommt erst in 2 Wochen wieder. Meine beiden Kollegen sind recht pfiffig und sprechen sogar etwas englisch: José, 27, 1.65 gross und durch und durch angehender, ambitionierter Wissenschaftler, und Ana, 29, 1.65m gross, lila gefaerbte Haare, lebensfroh egal was kommt und geht im September mit IAESTE nach Clausthal-Zellerfeld. Gearbeitet wird hier von 8-12 und von 14-18 Uhr. Um 18 Uhr holte mich dann Diana (AAA-Chefin) mit einer Polin, die auch erst heute angekommen war und einem kolumbianischen Medizinstudenten ab. Es ging ins Kino: La era de hielo 3. Falls in dem Film "boeses Yuyu" vorkam, hab ich es nicht mitbekommen. Nach 2 Stunden war ich total fertig (Fremdsprachen, von denen man mehr als null, aber trotzdem wenig versteht, haben diesen Effekt) und hatte schon Angst davor, mit meiner noch unbekannten Gastfamilie noch spanischen Smalltalk ueben zu muessen. Aber soweit waren wir noch nicht. Da waren noch etwa 15 andere Studenten, 6 Auslaender und 9 Einheimische und Stefan war der einzige, der nicht perfekt spanisch sprach. Gegen 22 Uhr haette man mich einfach in die Ecke stellen und als Moebelstueck dekorieren koennen. Ich war ueberlastet; nichts mehr drin in der Birne. Und dann eroeffnete mir Diana, dass sie ja in einem ganz anderen Teil der Stadt wohne und ich einfach allein zu meiner Gastfamilie fahren koenne. Ich erklaerte ihr dann, dass ich das sonst vielleicht gerne machen wuerde, aber in einer Stadt, in der in nicht weiss, wo ich mich befinde, mit dem Bus zu einem Ort zu fahren, von dem ich nicht weiss, wo der sich befindet, dem Wachmann zur Herausgabe meines Gepaecks zu ueberzeugen und dann bei wildfremden Menschen zu klingeln, um ihnen auf nicht vorhandenen spanisch: "Hallo, ihr kennt mich nicht, aber ich wohne die naechsten 2 Monate bei euch!" entgegenzufloeten, nachts, uebersteigt meine Kraefte. Noch dazu ist es ihre Pflicht. Und so brachte sie mich schliesslich zu meiner Gastfamilie und da sie gern redet, musste ich auch nicht viel Smalltalk bringen und konnte getrost ins Bett fallen.

Meine Gastfamilie

wohnt in einem Kondominium (von den Einheimischen liebevoll Condom gernannt). Dass sind so eingezaeunte Wohnblocks, wo man dem Wachmann erklaeren muss, dass man doch hier rein muss, auch er einen nicht kennt. Seit dem ersten Abend heisse ich bei den Wachmaennern "Bayern Muenchen" und hab keine Probleme mehr, das Condom zu betreten. Aber zurueck zu meiner Gastfamilie. Sie besteht aus Florentino, dem Vater, seines Zeichens Dozent fuer Ethik, Philosophie und Spanisch an der hiesigen Uni, Gloria, seiner Frau, auch berufstaetig, ich weiss aber nicht was, und Sarah, der 16-jaehrigen Tochter. Ausserdem haben sie noch Soehne im Wert von 18, 22 und 24 Jahren, die aber alle auswaerts arbeiten (Fussball, Umweltingenieur, und Luft- und Raumfahrtingenieur), so das ich eines der Zimmer benutzen darf. Meine Gastfamilie ist supernett zu mir und versteht es, einfach und langsam spanisch mit mir zu sprechen. Wenn ich mal nicht weiter kann, was noch sehr oft passiert, verstehen sie auch ganz gut ein einfaches englisch. Auslaendische Studenten wohnen hier bei Gastfamilien (fuer schmales Geld), damit sie am besten die kolumbianische Kultur kennenlernen. Angedacht ist dabei, dass ich mit meiner Gastfamilie Fruehstueck, Mittag und Abend esse, was bei meiner Familie zum Glueck nicht moeglich ist, da alle geschlossen das Haus um 6 Uhr verlassen, um 14 Uhr Mittagessen (zu spaet fuer mich) und ich so nur das Abendessen und den Abend mit ihnen verbringe. Da bleibt aber neben der bisher durchaus stressigen Arbeit keine Zeit fuer mich. Mal sehen, wie das wird. Aber, wie gesagt, ist meine Gastfamilie, wie uebrigens alle Kolumbianer (bis auf besagten Pizzaarsch) supernett zu mir und es macht mir bisher nichts aus, Zeit mit meiner "Familie" zu verbringen. Echt ein klasse Voelkchen hier in den Anden.

Mittwoch

Am naechsten Morgen holte mich dann Johanna, eine in der Naehe wohnende Medizinerin, ab und brachte mich zur Uni. Die Medizinstudenten stellen hier sowas wie das LC. Auf Arbeit wurde ich dann nochmal gefuehlten 2000 Menschen vorgestellt (und mit jedem muss man Smalltalk betreiben, jeden Tag wieder). Dann zeigte mir José die Maschine im Reinstraum, mit der sie hier Halbleiter zuechten. Dann zeigte er mir das Roentgendiffraktometer (bisher war ich noch geistig dabei). Dann zeigte mir Ana das FTIR-Spektrometer (zu Glueck kannte ich auch ein solches. Meine Ausbildung war wohl doch nicht ganz sinnlos gewesen). Dann fand mich aber ein Prof(?), der seine 3 Worte englisch die naechsten 3 Stunden an mir ausprobierte, um mir sein Photoreflektanzspektrometer (kein Plan), sein Photoluminszenzspektrometer (da wusste ich noch ungefaehr, wie das geht), elektrische, kalorimetrische, ....ische und ....ische Messungen zu praesentieren, wobei ich jeden Satz zusammenraten musste. Am schoensten fand ich irgendwo zwischen ....ischen und ....ischen Messungen den Verweis auf die tolle deutsche Technik: Er zeigte mir ein Geraet von RFT. Ich verzichte auf einen Verweis auf die zeitweilige Teilung Deutschlands. Mitten in den Beschreibungen optoakustischer Analysen (ich dachte, ich hatte mich verhoert) von Guadua-Bambus (wieso die das hier machen, ohne Kontakt zu chinesische Arbeitsgruppen, die Bambus vermutlich schon seit 1547 v.Chr. wissenschaftlich untersuchen, konnte er mir nicht erklaeren) konnte ich zum Glueck auf die Mittagspause verweisen, zu der ich mich mit der frisch angekommenen Polin verabredet hatte. Da sie auch keinen Plan von Armenia hatte, gingen wir nochmal in das Restaurant von gestern und sie erzaehlte mir, wie sie zu ihrem IAESTE-Praktikum gekommen war (aehnlich untypisch und arbeitsuninteressiert wie ich). Nach dem Essen fing mich der Prof sofort wieder ab und fragte mich zu meinem Koprom-T-Shirt aus. Es scheint, er ist ein Metalfan und moechte daher unbedingt mal Mucke von Koprom hoeren. Aeh, Moddin, habt ihr ne MySpace-Seite oder so etwas? Oder habt ihr CDs? Der Prof spielt in ner 6-koepfigen Hardrock-Irgendwas-Metal-Band. Ich wuerds zwar nicht Metal nennen, aber durchaus hoerbar. Dann gabs die naechsten 2 Stunden philosophische Diskussionen ueber Musik und wie sie die Menschen verbindet. Nein, das Thema war nicht kulturell. Er war sehr schnell bei Atomen, Schwingungen und einem kosmologisch-holistischen Ansatz, der sehr duenner Eis fuer einen Naturwissenschaftler darstellt, wenn man mich fragt. Aber mich fragt ja keiner. Nach der Arbeit bin ich nochmal in die Stadt, in der Hoffnung, Briefmarken zu bekommen, euch ne Email zu schreiben und mein Fruehstueck fuer die naechsten Tage zu kaufen. Die letzten 2 Sachen haben geklappt. Das mit den Briefmarken versuch ich heute nochmal. Als ich gegen 19.30 zu Hause ankam, war ich vermutlich schon zu spaet fuers Abendbrot, aber wir haben uns noch den ganzen Abend ueber meine Reiseplaene, Deutschland, Kolumbien, meine Familie (danke fuer die Bilder, Mama), ihre Familie und die von mir mitgebrachte Schokolade unterhalten.

Donnerstag

Heute morgen ging ich allein in die Uni und wurde am Eingang der Uni von einem Wildfremden mit "How are you?" begruesst. Das kann einem hier staendig passieren. Emilia, das polnische Maedchen hat auch schon jemanden getroffen, der in den 80ern 5 Jahre in Polen verbracht hat und nun fuer Kolumbien die polnisch-spanischen Uebersetzungen anfertig. Irgendwie verbreitet sich die Info, dass neue Auslaender an der Uni sind, wie ein Lauffeuer. Der nette Mann war Dozent fuer Griechisch und Latein und wollte etwas ueber Deutschland erfahren und sein Englisch ausprobieren. Er stellte mich dann noch kurz dem gesamten Bibliothekspersonal eines voellig anderen Gebaeudes vor. Nachdem ich mein Labor erreicht hatte (diesmal erschien ich nach den anderen. Am ersten Tag musste mich die Putzfrau in den Sicherheitsbereich lassen, in dem ich arbeite. Die wusste sogar den Alarmcode fuer die Bewegungsmelder. Nur einen Schluessel fuer die stets abgeschlossenen Toiletten der Uni ist nie aufzutreiben. Wenn man also mal nicht gefunden werden will, die Toiletten sind die sichersten Orte der Uni), fing mich sofort der Prof wieder ab und ging mit mir zum Photoreflektanzspektrometer. Ich bat ihn, mir den physikalischen Hintergrund zu erklaeren. In wenigen Saetzen war er aber wieder bei seiner holistischen Interpretation der Relexion und meinte, das dieses Phaenomen grundsaetzlich unverstanden waere. Dann bat er mich, ueber die Photoreflektanzspektroskopie im Netz nachzulesen. Als ich mich an den Rechner setzte, blieb er hinter mir stehen und ich fand heraus, dass diese Uni ueberhaupt keine Rechte an irgendwelchen wissenschaftlichen Veroeffentlichungen hatte. Ich fragte ihn, wie er seine Referenzen fuer Artikel bekomme und er verstand die Frage nicht. Er zeigte mir, wie man in Google (nichtmal Google Scholar) "photoreflectance spectroscopy" eingibt und dann so manche Powerpointvortraege und Wikipediaartikel findet. Ich verstand die Welt nicht mehr und dachte, vielleicht koennen mir ja Karsten und Konsi an der Uni Potsdam helfen (und sie konnten). Was er wiederum nicht verstand, ist, dass wenn, dann musste jetzt nach Potsdam schreiben, da wegen der Zeitverschiebung beide bald Feierabend machen wuerde. Irgendwann konnte ich mich dann loseisen und Karsten konnte mir helfen. So habe ich den gestrigen Tag mit dem Lesen von Papers verbracht. Zumindest theoretisch. Kurz vor der Mittagspause schrieb mir Diana (die Dame vom AAA), dass ich um 14 Uhr vor ihrem Buero, mit 2 Passkopien bewaffnet, erscheinen sollte. Zum Glueck hatte ich meinen Pass dabei und wir fanden einen Copyshop auf dem Weg zu dem Restaurant, das mir José zeigen wollte (der einzige Kopierer der Uni ist wegen Semesterferien geschlossen). Zum Mittag probierte ich nach Guanabana 2 weitere Fruechte des so fruchtreichen Teils der Erde aus: Guayaba und Lulo. Dass das keine gute Idee war, zeigte sich spaeter. Ich stand also mit einer Passkopie vor dem Buerogebaeude und wurde mit den Worten: "Und wo ist der Brief?" empfangen. "Was fuern Brief denn?" "Na ich hatte doch deiner Kollegin geschrieben, du sollst einen Brief ueber mitbringen." Nur war meine suesse Kollegin heute nicht da. "Ach uebrigens, das Filmteam ist gleich da!" Filmteam, haeh? Falscher Film? "Hatte ich dir nicht gesagt, dass wir heute einen Film ueber die Erfahrungen der auslaendischen Studenten hier an der Uni drehen?" "Noe! Aber passt schon." Das ist bei ihr keine Bosheit. Sich verpeilt einfach nur, Informationen auch weiterzugeben. Aus einem Gespraech mit einem ihrer Kollegen erfuhr ich ausserdem, das ich naechste Woche einen Spanischkurs haben werde und damit wusste ich mehr als als alle anderen Praktis. Auch die fuer das Interview abkommandierte kolumbianische Studentin wusste von nichts, bevor die Kamera samt Kameramann erschien. Sie dachte sich in aller Schnelle ein paar Fragen aus und wir suchten uns eine lauschige Stelle auf dem Campus. Als erstes stellte ich mich auf deutsch vor und erklaerte, was ich hier mache. Dabei muss ich so professionell ausgesehen haben, dass die Kolumbianer der Meinung waren, ich haette gerade den Wetterbericht von Quindío vorgelesen. In 4 Jahren Ausstellungsschiff lernt man wohl doch was.... Dann bekam ich noch die einfachste Frage von allen: Wie ist das Bild von Kolumbien in der Welt und wie stimmt das mit meinen Erfahrungen ueberein. Zum Glueck durfte ich in englisch antworten. Den Rest des Nachmittags verbrachte ich mit Papers und wurde aber nicht viel schlauer. Gegen 18Uhr besuchte mich dann der Prof und fragte mich, was ich gefunden habe. Ich solle ihm einfach alle Papers mailen, damit er auch ein paar Artikel hat (???). Ich verweise darauf, dass dieses Institut eine Klassifizierung "exzellent" erhalten hat! Um 18 Uhr holte mich dann ein weiterer Medizinstudent ab, damit wir die Sachen fuer das heutige Patacones-backen-und-Party einkaufen koennen. Ich wusste zwar wieder von nichts, war aber dabei. 10 Minuten spaeter war wir am Partyort und die anderen sollten erst 20Uhr kommen. Leider sollte ich nie erfahren, was Patacones sind, denn schlagartig zeigte mir mein Koerper, dass ich heute Mittag die Grundregel "Cook-it-Peel-it-or-leave-it" vergessen hatte und ich verbrachte den Rest des Abends, der Nacht und des Morgens auf Toiletten verschiedener Leute. Heute morgen hab ich dann noch das Klo meiner Gasteltern total eingesaut, was mir jetzt noch leid tut. Die naechste Stunde verbrachte ich mit der Reinigung und fiel danach in komatoesen Schlaf bis heute 11 Uhr. Per SMS meldete ich mich krank, kaufte meiner Gastfamilie einen Entschuldigungsblumenstrauss, machte den Abwasch und verzog mich in die Innenstadt, wo ich endlich mal die Zeit hatte, euch diese Email zu schreiben. Zwar rumort es noch in mir, aber ich bin wohl ueber den Berg. So, und jetzt versuche ich das dritte Mal Briefmarken zu bekommen. Man sagte mir, das oertliche Buero einer Inlandsfluggesellschaft waere eine gute Adresse....

Allen, die hier noch wach sind, wuensche ich eine gute Nacht, bis bald und carpe diem,

Euer Stefan

Donnerstag, Juli 23, 2009

Kolumbien - Die Fahrt nach Armenia

Liebe Freunde,

ich sitze heute das meinen ersten vollstaendigen Tag in der Uni und muesste eigentlich schon arbeiten. Aber mal sehen, wie lange mich der verantwortliche Masterstudent hier schreiben laesst....

Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, Mein erstes selbstbestelltes Fruehstuck in Bogotá. Seitdem ist ja viel passiert. Am Sonntag herrschte fuer meine Begriffe richtig Volksfeststimmung in Bogotá. Einige Tausend Menschen zogen durchs Stadtzentrum und ergoetzten sich an den auf der Strasse dargebotenen Spektakeln. Da gab es mehrere knapp 1m grosse Maenner in Sombrero und Festanzug, die Arien und Schlager zum besten gaben, lebende Statuen, Tango tanzende Paare und was ich am putzigsten fand: Meerschweinchenrennen. Und das laeuft so. Man habe 6 Meerschweinchen, die auf der Strasse nebeneinander sitzen und warten. Ausserdem hat man sich einen Lautsprecher auf den Ruecken geschnallt, durch den man unentwegt Werbung fuer das bevorstehende Rennen macht. Da stehen etwa 10m entfernt so 20 umgedrehte Schuesseln in die ein Loch geschnitzt wurde mit Nummern drauf. Die Zuschauer legen nun jeder 200 Pesos auf eine (oder mehrere) dieser Schuesseln. Haben genug Leute gewettet, bekommt ein Meerschweinchen einen gut gemeinten Klapps auf den Hintern, flitzt los und verkriecht sich in einer der Schuesseln. Die hat gewonnen, bzw. das Maedchen, welches darauf gewettet hatte und es bekam 1000 Pesos ausgezahlt. Der Rest war Gewinn. Niedlich!

Strassenkoestlichkeiten wie Hamburger und ausgebratene Fettschwarten verschmaehend machte ich mich auf, das Museo del Oro, das Goldmuseum, zu besichtigen. Heute war ja Sonntag und der Eintritt frei. Na da kann man sich dafuer gleich mal einen Audioguide leisten.

....ihr habt die Pause zwar nicht mitbekommen, aber es ist jetzt schon 18.30 und ich sitze in einem Internetcafe in der Innenstadt. War viel los heute. Und eigentlich muss ich gleich wieder los...zu meiner Gastfamilie. Aber davon spaeter....

Auch wenn mich Schmuck nicht interessiert, hat mich das Museum del Oro, aehnlich wie damals die Schatzkammer im Topkapi Sarayi, trotzdem ziemlich beeindruckt. Etwas blank poliert kommt es daher und zeigt Schmuck, seine spirituelle Bedeutung, den Abbau und die Verarbeitung des Goldes von Ureinwohnern des nordlichen Suedamrikas. Also ich rede von Voelkern, die keine Schiffe bauten oder ach so zivilisierte Kreuzzuege fuehrten, aber auch ohne den Besitz von Eisen, Gold, Silber und Kupfer kunstvoll zu Brustplatten vom 50cm Durchmesser oder filigrane Jaguarkoepfe zu modellieren pflegten. Ausserdem hab ich gelernt, dass bei den Ureinwohnern alles was oben, trocken und hell erleuchtet ist, maennlich ist. Das weibliche Element ist demzufolge unten, dunkel und feucht. Auch ne Logik! Opfergaben wurden daher meist auf hohen Bergen etc., in Hoehlen oder besonders geformten Seen gegeben.

Nach meinem Besuch im Museo del Oro war es hoechste Zeit auszuchecken und mich auf dem Weg in meine neue Heimat zu machen: Armenia. Das war gar nicht so einfach, denn die Minibusse in Bogotá, die Collectivos, haben keine Nummern oder aehnliches draussen dran, nur etwa 10 Ziele kleingedruckt an der Scheibe. Als etwas Kurzsichtiger, wie ich es bin, muss man entweder eine super Reaktionszeit haben, oder sicherhaltshalber alle Collectivos stoppen. Ich entschied mich fuer Taktik Nr. 3 und wartete, bis jemand neben mir ein Collectivo anhielt, las alles auf Frontscheibe und stieg dann ein. Dauerte nur 30 min. In der Sonne. Mit 25 Kilo auf dem Ruecken. Aber kurz darauf erreichte ich den Busbahnhof und meinen Bus nach Armenia. Und ich muss sagen, die sind verkehrstechnisch hier viel besser ausgestattet, als ich je erwartet habe: Der Minibus mit 20 Sitzen hatte eine Klimaanlage, die nicht auf Frost eingestellt wurde, die Musik war keine leiernde kreischende Kassette (siehe Asien) sondern Salsamusik und Schlager vom mp3-Player, die Strassen sind durchgehend asphaltiert und: Es gibt ein Klo an Bord! Der Wahnsinn, wa? Und selbst der Fahrstil ist angenehm. Ich konnte getrost schlafen und selbst, wenn der Bus einen LKW ueberholt hat, .......der gerade einen LKW ueberholte, ......nachts, ......bergab, ......in den Anden, fuehlte sich das durchaus gekonnt an. Abendessen gab es kurz vor Ibagué in einem Strassenrestaurant. Gerade als ich hilflos hinter den Essenstresen blickte, ueberraschte mich ein Junge neben mir, indem er mir viele Speisen auf englisch erklaerte. Elektroingenieurstudent aus Bogotá der seine Eltern in Popayán besuchen faehrt. Toller Zufall. Tolles Gespraech. Gegen 23Uhr erreichte ich dann Armenia, zumindest den Busbahnhof. Ich schlich mich zu einem Taxi, in der Hoffnung, dass das einzige bezahlbare Hostel der Stadt in meinem Reisefuehrer noch existierte. Und es tat. Zwar ging mein Fenster nicht nach aussen, sondern in die Waschkueche, aber das Bett war bequem und bezahlbar. Trotzdem: Mein erster Eindruck von der Stadt war: Hier moechte ich nicht tot uebern Zaun haengen. Wie sich das aenderte, schreib ich euch das naechste Mal.

Macht es gut bis dahin und schoenen Abend noch,
der Stefan

Sonntag, Juli 19, 2009

Kolumbien - Bogotá

Guten Morgen liebe Freunde,

ich bin fit und stolz wie Bolle, denn ich habe soeben mein erstes selbstbestelltes Fruehstueck in einer Baeckerei hier um die Ecke verputzt: Ruehrei mit Tomaten und Zwiebeln, etwas Brot und eine heisse Schokolade. *grins*

Warum schreib ich euch eigentlich schon wieder, obwohl ichs doch erst gestern Abend getan hab? Naja, gestern war ich zugegebenermassen schon totmuede und hab bei der Beschreibung von Bogotá viel weggekuerzt, was ich euch noch erzaehlen wollte. Und deswegen...

Bogotá - liegt in einer viele Quadratkilometer grossen Hochebene auf ca. 2.500m - 2.600m: der Sabana de Bogotá. Wenn man auf dem Hausberg, dem Cerro de Montserrat, steht (so wie ich gestern) und sich die Wolken verzogen haben (so wie bei mir gestern nach 2 Stunden Nieselregen), bedeckt Bogotá die ganze Ebene von da hinten links bei den Bergen bis fast ganz rechts zu den anderen Bergen, die man noch schwach durch die hohen Eukalyptusbaeume erspaehen kann. Koennt ihr es sehen? Ja, das alles ist Bogotá. Und ich kenne nur den Altstadtteil "La Candelaria". Mein Woerterbuch zerstorte heute morgen eine Illusion, als es mir sagte, dass "La Candelaria" nicht Kerzenleuchter heisst, wie ich es mir mit den schoen beleuchteten Gebaeuden abends dachte, sondern "Lichtmess", einer dieser komischen katholischen Feiertage, die keiner kennt. Hier in "La Candelaria" sind die Haeuser meist nur 2-3 Stockwerke hoch, ziemlich alt, oft verfallen, manchmal aber auch liebevoll restauriert und stets sehr charmant. Es gibt kleine Plaetze, auf denen sich des Abends die Grossstadtjugend trifft, Musik spielt, der Musik zuhoert, trinkt oder einfach nur knutscht. Laeden erkennt man hier fast gar nicht. Nur eine halb oder ganz geoeffnete Haustuer ohne Werbung weist daraufhin, dass neben dem Fleischer ein Schriftsetzer, Bilderrahmenbauer oder Gitarrenbauer sitzt. Auch die Menschen sind hier so herrlich nett und zuvorkommend (bis auf den Arsch gestern, der mich beim Abendbrot um mein Wechselgeld bescheissen wollte), wie es mir auf Anhieb zu keiner anderen Hauptstadt einfaellt.

Mittelpunkt der Altstadt ist die Plaza de Bolívar (mich duenkt, die wird mir noch in mehreren Staedten begegnen) und diese steht in Taubendichte und Taubenscheissendichte der Piazza de San Marco in Venedig in nichts nach. An der Plaza liegt die Catedral Primada auf deren Boden die Gruendungskirche von Bogotá stand. Von aussen nicht gross wirkend, erstreckt sie sich innen ueber einen ganzen Haeuserblock und ist herrlich leicht ausgestattet. Direkt neben der Kathedrale liegt "La Puerta Falsa", Bogotás aeltester Ort (seit 370 Jahren durchgaengig in Betrieb), um sich lokale Snacks in den Bauch zu werfen. Die Tamales (Maisteigtaschen) sind frisch und lecker. Nur bei der Dame hinter dem Tresen glaube ich, sie ist von Anfang an dabei. Ein paar Meter weiter fuehrten mich meine Fuesse in die ehemalige Muenzpraegeanstalt, die seit Gruendung schon viele Regierungen und Staaten am Fusse des Cerro de Montserrat gesehen hatte. Hier wird die Geschichte Mittel- und Suedamerikas verstaendlich und gut am Beispiel dieses kleinen, leuchtend gelben Metalls erlaeutert, dass Menschen schon seit Jahrhunderten in Wahnsinn versetzt. Es faengt bei der Ausbeutung der Indios im 15.Jhd. an und endet bei Problemen bei der Papiergeldherstellung. In einem Teil wird der Leiter der Muenzpraegeanstalt fuer sein militaerisches Genie gelobt, als er heldenhaft 1948 mit der Ausbringung von Chlorgas verhinderte, dass Aufstaendische sein Gebaeude stuermen konnten, um so der kolumbianischen Wirtschaft zu schaden.

Vom Hof der Anstalt aus kann man direkt weiter zum Botero-Museum gehen. Botero? Das ist der komische Kauz (aeh, der beruehmteste noch lebende kolumbianische Kuenstler), der selbst Kylie Minogue und Kate Moss dick aussehen lassen kann. Alle seine Figuren haben kleine treudoofe Aeuglein, spitze Muender und mindestens 100kg Uebergewicht. Auch die Pferde oder Spatzen, die er gemalt oder in Bronze gegossen hat. Erst war es etwas befremdlich, aber spaeter hab ich mich herrlich ueber Bilder, wie z.B. seine dicke Mona Lisa amuesiert. Auch nebenan, im Museum der Nationalbank, ist gerade eine Andy-Warhol-Ausstellung, aber da hatte ich die Nase voll von Gemaelden, Fotos und Kunst.

Mich zog es weiter, an der Universitaet der Anden vorbei zum Fuss *keuch* des Cerro de *schnauf* Montserrat. Von dort faehrt eine Seilbahn gefuehlt senkrecht nach oben. Angeblich gibt es auch einen Wanderweg, aber der scheint wohl ohne Haken und Talkum nicht zu bewaeltigen sein. Oben angekommen, stand ich in den Wolken und vor mir trat ein grosses, weisses Gebaeude aus den Nebeln hervor. Die Kirche des gefallenen Jesus! Entweder ging es in dem mit schmalzigem Keyboard begleitetem Gottesdienst darum, dass sich Jesus kurz vorm Kreuz mal hingepackt hat, oder es war die Kirche der kolumbianischen Schadefreunde: "Eh Jesus, jetzt biste hier oben uffm Montserrat. Nu sieh zu, wiede wieda runterkommst. Nuescht mit 'I believe, I can fly'! *schubs*". Nach Bohnen mit Rindfleisch genoss ich jedenfalls jenen am Anfang beschriebenen herrlichen Blick ueber Bogotá und wurde danach wieder freundlich mit nach unten genommen, denn ich hatte etwas, was Jesus wohl nicht hatte: Eine Rueckfahrkarte!

Wieder unten angekommen trieb es mich zurueck nach La Candelaria. Auf dem Weg dahin machte ich noch einen Abstecher in die gemuetlich am Fusse des Cerro gelegene Quinta de Bolívar, dem Rueckzugsort des Liberadors. Ich sah, wie El Liberador zu essen, zu schlafen und zu baden plegte und genoss danach einen Rundgang durch den kleinen, aber schoenen Garten des Hauses. Nun aber wirklich fertig, stoppte mich eine Militaerkontrolle. Vermutlich gefiel einem zweiten Soldaten mein leicht verwundertes Grinsen nicht, so dass er mich direkt im Anschluss an den ersten Soldaten nochmal durchsuchte und abtastete. Mein Grinsen kam aber daher, dass ich inzwischen gelernt hatte, wo man kontrolliert wurde, passiert was. Also folgte ich der groessten Kontrolldichte bergauf und fand so eine Freiluftbuehne oberhalb der Stadt. Dort sassen Rastafari vom laessigen 2-Dreadlocks-Look bis hin zum komplett gestylten Super-Revoluzer-Look mit Militaerjacke, Fidel-Castro-Bart, El-Chefe-Pornobrille und Jamaica-Adidas. Alle rauchten viel Zeug und gingen wie ich die naechsten 4 Stunden zu 3 Bands in Stil von "Lex Barker Experience" ab. Sehr cool. Kurz vor Ende der Voodoo Soldiers trollte ich mich dann bergauf. Als ich dann die Strasse in Richtung La Candelaria hinunter lief, traf ich auf eine Menge am Strassenrand abgestellter Taxis. Erst dachte ich an eine Demo, oder an jemanden, der wegen Zecheprellens aufgeknuepft werden sollte. Aber weit gefehlt! An Strassenrand stand an einem Campingtisch ein Priester in vollem Ornat, der gerade das Abendmahl an die etwa 20 Taxifahrer verteilte. Aber warum am Strassenrand? Hatten diese Taxifahrer in der Bewerbung faelschlicherweise Atheist angekreuzt, oder hatten sie alle einen Pilgerhintergrund? Ich werd es wohl nie erfahren.

Kurz darauf erreichte ich jenes Internetcafé, aus dem ich euch gestern schrieb. Danach liess ich mich noch nebenan bei einer Pizza ums Wechselgeld bescheissen und entdeckte, dass ich mir einen gehoerigen Sonnenbrand eingehandelt hatte. Gluecklich, gestern doch bis 21Uhr wachgeblieben zu sein, rollte ich mich in meine Bettdecke und schlummerte friedlich ein, da meine Nachbarsrussen heute wohl auswaerts feierten.

Und von dem Tag heute erzaehl ich euch ein Andermal.Fuer alle, die hier noch wach und dabei sind, spreche ich noch das Wort zum Sonntag: "Liebe deinen Naechsten, es sei denn, er ist kolumbianischer Pizzahaendler!", und wuensch euch noch nen schoenen Tag. Hasta luego und carpe diem,

Euer Stefan

Kolumbien - Die Anreise

Liebe Freunde,

wo war ich? Noe, wo bin ich! In Bogotá! Das ist die Hauptstadt des Kaffee- und Kokain-Exportlandes Kolumbien. Doch die Geschichte geht wie immer zu Hause los. Gestern hiess es um 4 Uhr morgens (fuer alle Studenten: Ja, um die Uhrzeit kann man schon schlafen gegangen sein.) aufstehen. Meine Mutter begleitete mich nach Tegel. Im Flugzeug dann vollfuellte die "Sueddeutsche" die Daseinsberechtigung aller Zeitungen in meinen Haenden: "Spekulationen um Ruecktritt des ..." und ich schlief herrlich bis Paris. In Charles-de-Gaulle (CDG) bin ich noch nie gelandet, verstand aber augenblicklich, warum schon viele Reisende vor mir Probleme hatten, in 2 Stunden den Flug zu wechseln. Dazu musste ich von Terminal 2D (sprich: Dööö-Dö) auf Terminal 2E (sprich: Dööö-ö) wechseln. Dort angekommen, sortierte ein Angestellter vor der Oeffnung fuer ca. 40 Gates alle geschaetzten 17.000 Menschen feinsaeuberlich in EU- und Nicht-EU-Buerger, was relativ sinnlos war, da von den 10 Grenzbeamten heute nur einer (vermutlich ein Streikbrecher) zum Dienst erschienen war und der eh alle kontrollieren musste. Irgendwie schaffte ich es trotzdem 10Min vor Abflug an Bord. Andere wohl nicht, denn wir warteten noch ne Stunde auf Passagiere. Der Langstreckenflug war dann toll: Lesen, einen Film schauen, Huehnchencurry essen, zweiten Film schauen, lesen, mit der sussesten Stewardess noerdlich des Aequators quatschen, Simpsons schauen, Flamencosalat essen, wieder lesen und dezent der Stewardess beim Arbeiten zuschauen :-) Nur eine alte Frage blieb: Wenn ich an meinem Nachbarn vorbei gehe, zeige ich ihm meinen Arsch oder meinen...?

Gegen 15.30 hatte die Erde mich dann wieder. Kolumbianische Erde. Ich fand einen Collectivo (das ist so ein Minibus mit ca. 10 Sitzplaetzen) der mich in die Innenstadt bringen sollte; und schon wurde mir schlecht. Nicht weil er zu schnell fuhr (das tat er), oder andere Autos rammte (auch das tat er), sondern weil er als Treibstoff anscheinend Steinkohle oder Tierkadavern benutzte. Wie ich schnell herausfand, tut das aber die halbe Stadt. Ich sollte hier wieder mit Rauchen anfangen. Da hat man wenigstens einen Filter im Mund.... In Bogotá angekommen, bot mir ein Hotel namens Aragón ein herrlich gemuetliches 15qm-Zimmer mit schoenem alten Kleiderschrank und Blick auf eine urige Altstadtstrasse an und ich umarmte (nach kurzem Einmal-umn-Block-Spaziergang) zufrieden die Bettdecke.

Die Umarmung war innig und hielt 13 Stunden, bis heute morgen um 7Uhr an. Die Russen im Nachbarzimmer quatschten und soffen noch dasselbe Zeug wie vor 13 Stunden und ich begann den Tag mit einer Dusche. "Caliente" heisst doch "heiss", oder? Aber "fria" kam raus. Egal, war ich eben wach. Dann schaute ich der Stadt beim Aufwachen zu, besichtigte einige Kirchen und Museen und fuhr zum Mittag mit der Seilbahn den Cerro de Montserrate hinauf. Das ist der Hausberg von Bogotá und schlappe 3150m hoch. Aber zu den 2550m von "unten" ist das kein grosser Unterschied. Mir ging beim Laufen oben auf jeden Fall dermassen die Pumpe, dass ich erst einmal jede Andenwanderung aus meiner Reiseplanung streiche. Wieder unten besuchte ich noch die herrlich in *zwitscher* einem botanischen Garten gelegene *zwitscher* Quinta von Simon de Bolívar und begenete dann auf dem Nach-Hause-Weg einem Polizei-Checkpoint. Wo ein Polizei-Checkpoint ist, ist immer was los. Hier musste ich auf 200m 3 Polizei-Checkpoints passieren, also steppte hier der Baer. Und das tat er. Auf einer Open-Air-Buehne neben der Anden-Universitaet war ein Reggae-Festival, umsonst und draussen, und einige hundert Rastamen bewegten sich swingend in den dicken Rauchwolken zu Mucke á la "Lex Barker Experience". Sehr geil. 3 Bands und 4 Stunden trieb mich der Hunger wieder in die Stadt - immerhin 1 CD hab ich ergattern koennen - und sitze nun in diesem Internetcafé.

Ups, diese Email ist javiel laenger geworden als gedacht. Tschuldigung. Ich hoffe, es gibt einige unter euch, die es bis hierhin geschafft haben und wuensche euch noch einen tollen Samstagabend. Ich verzieh mich morgen nach Armenia (nicht das Land, sondern die Stadt in Kolumbien) und werde euch dann wieder schreiben. Lasst es euch gut gehen und carpe diem,

Stefan