Morz und wie er die Welt sah...

Sonntag, September 27, 2009

Kolumbien - San Águstin oder Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde

Liebe Freunde,

Luftlinie befinde ich mich ca. 1500km von dem Ort entfernt, an dem ich letztmalig meine geistigen Erguesse zu Papier, pardon, zu binaeren Speichereinheiten gebracht habe. Im Sueden. Ziemlich genau im Sueden. Eigentlich immer das Tal des groessten kolumbianischen Flusses, dem Rio Magdalena hinauf. Aber fangen wir in Taganga an.

Die Reise

Der letzte Tag in Taganga begann gemuetlich - aufwachen, die Zeit fuer zu frueh befinden, nochmal rumdrehen, ein paar Seiten lesen, wieder einnicken und schliesslich Jimmy vor der Tuer rummoren hoeren. Na gut, dann steh ich eben auf. Bei Jimmy ging der Tag gewohnheitsgemaess viel frueher los und er sass schon auf gepackten Sachen. Aber wir hatten ja noch ein paar Stunden in Taganga. Also packte ich auch meine Sachen, wir bezahlten das Hostel und machten uns dann daran, die kulinarischen Ueberbleibsel unseres Aufenthaltes in etwas Schmackhaftes zu verwandeln. Eine Stunde spaeter standen gebratenes Ei, mit Resten Schinkens und Kaeses, gekochte Kartoffeln und ein Gurkensalat auf dem Tisch. Kurz darauf waren sie verschwunden und zwei vollgefressene und -bepackte Gringos standen oberhalb des Hostels in Taganga am Strassenrand, um ein Collectivo in Richtung Santa Marta runterzuflaggen. Einmal umsteigen und wir naeherten uns dem Flughafen Santa Martas. Ich finde, Douglas Adams haette sich irren sollen, als er sagte "In keiner Sprache existiert die Redewendung 'schoen wie ein Flughafen'", denn der kleine Flughafen war wirklich niedlich: 3 Abfertigungsschalter, 2 Gates und der Aufenthaltsraum ist ein Café mit Deckenventilatoren, in dem es weiterhin frischgepresste Saefte und Arepas gibt. Das Café hat keine Waende, sondern gibt durch Palmen hindurch den Blick auf die karibische See und einen schmalen Strand frei, der seinesgleichen sucht. Nur der Roentgenscanner erinnert daran, dass man sich auf einem Flughafen und nicht in der Serie "Tropical Heat" befindet.

Um 16Uhr flogen wir mit der Nachmittagsmaschine von Santa Marta zurueck nach Bogotá. Trotz Ausschlafens raffte es Jimmy und mich kurz nach dem Start dahin und wir erwachten erst wieder, als sich die goldfarbene Sonne und das Flugzeug gleichermassen ueber der Sabana de Bogotá senkten. Wir erwarteten entspannt unser Gepaeck und versuchten dann, unseren Weg zum hauptstaedtischen Busbahnhof anzutreten. Als wir endlich eine Buseta in die richtige Richtung erwischten, war diese bereits voll. Man nahm uns trotzdem mit. Und nach uns noch gefuehlte 200 Menschen. Ich weiss nicht wie viele Menschen am Ende im Gang des 8m langen Busses standen, vielleicht 40, aber es war unmoeglich sich zu bewegen, geschweige denn umzufallen oder auszusteigen. Ich hielt mich zeitweise nur mit 3 Fingern an der Stange ueber Jimmy fest, waehrend sein Rucksack sich in meinen Bauch presste. Nach hinten wurde ich gebremst von meinem Rucksack, der sich gluecklicherweise im Gesicht eines auf der Rueckbank sitzenden Schlipstraegers verkeilt hatte. Nach rechts oder links drehen war auch nicht moeglich, denn der Kopf einer Stewardess hatte sich schon zu sehr mit meiner Achsel angefreundet und rechts hingen Menschen an wenigen Fingern aus der offenen Tuer. Jimmy und ich stimmten beide ueberein, dass das unsere krasseste Oelsardinenfahrt bisher war. Unser naechster Bus war geraeumiger. Es war der Nachtbus von Bogotá nach San Águstin und daher kein gewoehnlicher Bus, sondern ein "de lujo". Das zeigte man, indem man Schlafsitze hatte, Decken zum Schlafen austeilte, den Passagieren ein Croissant und eine Flasche Fluessige-Gummibaerchen-Saft in die Hand drueckte und mit der Klimaanlage zeigt, was man konnte. Dem Temperatursturz von 10°C von Santa Marta zu Bogotá folgte ein weiterer, ebenso grosser, von Bogotá vorm Bus zu Bogotá im Bus. Doch Jimmy draengelte sich eine Schlaftablettenbombe rein und ich griff auf ueberlagerte Kava-Kava-Wurzelextrakt-Reserven zurueck und so schlummerten wir frierend, nur unterbrochen von einem unsinnigen Tankstop irgenwann gegen 2 Uhr morgends, bei dem alle wegen der Explosionsgefahr von Diesel(!) aussteigen mussten, bis 6/7 Uhr morgens 8 Stunden durch. Inzwischen hatte sich die Landschaft geaendert und praesentierte sich in einem fuer Jimmy neuen Gewand: schoene schroffe Kordillerenzuege. Da standen Kaffeeplanzen, dort wuchsen Plátanos und Lulo und dahinten hatte sich ein Fluss in das Tal gegraben. Gegen 8 Uhr morgens erreichten wir San Águstin.

Freitag - San Águstin

Vor dem Bus warteten schon 10 Einheimische und ich erwartete, dass sie ueber uns herfallen wuerden, wie die Geier. Aber, oh Ueberraschung, wurden wir nett und unaufdringlich gefragt, ob wir schon wuessten, wo wir zu naechtigen gedachten. Und wir wussten; aufgrund eines Tipps von Néstor, der vor 6 Wochen etwas Zeit hier verbracht hatte. So bot man uns billig eine Fahrt mit dem Jeep an und fuhr uns dorthin: Ins Casa de Nelly. Dieses Hostel liegt etwas bergauf vom Ort, schon abgeschieden und wunderschoen gestaltet. Hier nahmen wir uns eine Cabaña, ein Huette, die fast vollstaendig aus Holz und Guadua, dem lokalen Bambus und aesthetisch gesehen mein Lieblingswerkstoff hier, gebaut war. Trotzdem gab es Strom und Warmwasser. Fuer den Bau zeigt sich ein kettenrauchender kolumbianischer Althippie mit ergrautem Pferdeschwanz verantwortlich, der total relaxed seine Saetze immer mit "Hermano,....." beginnt. Jimmy und ich waren sofort hin und weg ob der wunderschoenen Unterkunft. Und billig ist sie noch dazu. Nach dem Duschen und Ausruhen machten wir uns auf in das eigentliche Dorf San Águstin. Dort fanden wir eine kleine Dorfkirche, ein leckeres Mittagessen und den Einkauf fuer unsere weitere Ernaehrung. Am fruehen Nachmittag schlenderten wir die Strasse entlang hinauf zum eigentlichen, touristischen Highlight der Gegend, dem Parque Arqueologico. Von etwa 3300 v.u.Z. bis etwa 900 u.Z. hatten hier fortschrittliche Voelker gelebt, deren einzige Hinterlassenschaft massive Steinstatuen und Huenengraeber sind. Man weiss nicht viel ueber sie. Wir wussten noch gar nichts und wurden inmitten unserer Wanderung vom Regen ueberrascht. Eine alte Dame gab uns Obdach und bereitete uns Café und Ananassaft zu. Nach dem Regen gings weiter und wir erreichten den Park ueber eine frische geteerte Strasse, deren Teer seitdem die Loecher in der Sohle meiner Schuhe stopft. Der Park selbst ist sehr gut unterhalten, hat steinerne Wege und gemaehten Rasen. Er ist weitlaeufig und das Beste, komplett frei jedweder Besucher. Wir genossen die zwitschernd, pfeifende Ruhe der umliegenden Guaduawaelder und liessen uns von 5m hohen Vulkangesteinplatten mit ausgearbeiteten Profilen der Haeuptlinge dieser verschollenen Kultur beeindrucken. Manche sahen aus wie Voegel, manche wie Astronauten (Daeniken laesst gruessen) und alle besassen Jaguarzaehne, da der Jaguar eine wichtige Gottheit war. Die Huenengraeber waren beeindruckend in der Groesse der verwendeten Steinplatten und erinnerten an aehnliche Werke auf Malta, Sardinien, Irland oder der Bretagne. Gegen 18 Uhr erreichten wir geschafft unser Hostel, kochten uns lecker Nudeln, benutzten unsere letzten verbliebenen Hirnzellen beim Carcassonne-Spiel und kippten dann frueh ab ueber die Tragflaeche.

Samstag - Immer noch San Águstin

Nach einem Fruehstueck der Reste des Abendbrots vom Vortag erwarteten uns vor dem Eingang zum Hostel zwei wunderschoene Geschoepfe. Ein Herr mit Sommersprossen und eine Dame mit tollem kaffeebraunem Haar. Sie wurden uns als Pecas (Sommersprossen) und Mariposa (Schmetterling) vorgestellt und trugen uns am heutigen Tag auf ihren Ruecken durch die Landschaft um San Águstin. Das letzte und nach meiner Erinnerung einzige Mal, dass ich auf einem Pferd sass, war bei einer Kur auf Usedom. Ich war damals vielleicht 8 Jahre alt und das Pferd wurde am Zuegel gefuehrt. Bei Jimmy sah es aehnlich aus. Aber wir machten beim Aufsteigen beide eine gute Figur und wo bei einem Pferd die Steuerung sitzt, hatte ich auch schnell raus. Das mit der Servolenkung klappte sehr gut. Und die Bremse hatte ich auch gefunden. Nur das Gaspedal fand ich erst einige Zeit spaeter. Pferde besitzen darueberhinaus noch andere eingebaute Schnickschnacks, wie ESP und Allrad- bzw. Allhufantrieb, was sich fuer den spaeteren Tag als wichtig erweisen sollte. Aber zuerst trabten wir gemuetlich ins Dorf hinunter und Jimmy und ich gewoehnten uns an die ungewohnte Sitzposition und die toll erhoehten Sichtweise auf die Dinge. Die Pferde ihrerseits fragten sich sicherlich, was fuer schwere Gringos auf ihnen Platz genommen hatten, warum die nicht ihre Signale verstehen konnten und warum zum Teufel sie heute morgen unbedingt als erste den Kopf aus dem Fresstrog hatten heben muessen. Jimmies Stute trabte immer vorneweg, quasi der Mercedes unter den Pferden - mit eingebauter Vorfahrt serienmaessig - die Stute von Juan, unserem Guide fuer heute zuletzt und mein Wallach dazwischen. Er stellte den Oeko unserer Truppe, denn im Gegensatz zu den anderen beiden lief er nie auf den Wegen, sondern auf dem weicheren, bewachsenen Rand der Wege. Das versetzte mich in die einmalige Lage, die Samen saemtlicher hoeherer Blutenpflanzen dieser Region mit meinen Klamotten einzusammeln. Darueberhinaus kann ich euch auf Anfrage gerne mitteilen, welche dieser Pflanzen Dornen besitzen, oder scharfkantige Blaetter und bei welcher Kopfhaltung sie am wenigsten neue Augenbrauen ins Gesicht schnitzen. Aber Pecas war kraeftig und trittsicher.

Unser erstes Ziel hiess La Chaquira. Wir wussten zwar nicht, was La Chaquira ist, aber es hoerte sich gut an. Wie die beruehmte kolumbianische Saengerin. Und ebenso wie sie, fanden wir kurz darauf heraus, dass La Chaquira ziemlich gut aussah. La Chaquira ist eine spektakulaere Schlucht, die der laengste kolumbianische Fluss, der Rio Magdalena, ueber die Jahrmillionen in den Fels gefraest hatte. Sie war steil, komplett gruen ueberwachsen und vielleicht 300m tief. Mein erster Gedanke war: Was fuer eine monumentale und umwerfende Landschaft! Mein zweiter: Die Pferde koennen uns unmoeglich auf diesem schmalen Pfad hinunterbringen. Doch sie konnten! Und seit dem habe ich tiefen Respekt vor Pferden, denn ich weiss nicht, ob ich es allein geschafft haette, ueber diese Steine, Bachbetten und auf dem stark von Pflanzen ueberwachsenen Weg die Schlucht ohne Verletzung hinunter und wieder hinauf zu kraxeln. Manchmal wurde mir ganz anders, als mein Wallach sich in der Kopf gesetzt hatte, auf dem 20cm breiten Grasbewuchs zwischen Pfad und 300m tiefer Schlucht zu balancieren, aber mit Vertrauen und tiefem Durchatmen ging es weiter. Und so hatte ich genug Zeit, die Landschaft auf mich wirken zu lassen, die wunderschoenen kleinen gelben, handtellergrossen blau-schwarzen und all die anderen Schmetterlinge zu beobachten, den fernen Gesaengen unbekannter Voegel zu lauschen und mir das Gruenzeug vom Gesicht fernzuhalten. Auf der anderen Seite der Schlucht angekommen, ritten wir durch Gaerten, in denen Kaffee, Zuckerrohr und Lulo angebaut werden. Die Bauern gruessten nett und kleine Kinder wunken. Ausserdem lernte ich, dass bei einem leichten Galopp ein geeigneter Sitz dafuer sorgt, dass die kuenftige Familienplanung auch ohne Suspensorium nicht umgeschrieben werden muss.

Gegen 11Uhr erreichten wir den Park "Alto de los Ídolos", der ebenso wie der archaeologische Park in San Águstin geplegt, schlicht und menschenleer war. Auf einer Anhoehe mit Blick in die gesamte Region hatten sie Ureinwohner ihre Stammesvaeter in Sarkophagen und mit Steinstatuen begraben. Heute, wo die Steingoetzen ueber gemaehtem Rasen thronten, noch mehr als damals, ein Ort der Ruhe und Abgeschiedenheit, an dem ausser dem Zirpen der Insekten kein Laut zu vernehmen ist. Zwei Stunden spaeter waren die Pferde ausgeruht und wir satt von unseren geschmierten Stullen und zurueck ging es auf demselben Weg durch die Schlucht. Am Nachmittag sahen wir dann noch eine weitere Staette, El Tablón, sehr in der Naehe von San Águstin und zurueck im Dorf dankten wir unserem Guide und unseren erschoepften Pferden fuer diese einmalige Erfahrung.

Morgen verlassen wir dann San Águstin, um unseren langen Weg nach Quito anzutreten. Die erste Station wird Popayán auf der anderen Seite der Kordilleren sein und ich bin guter Dinge, dass mein Hintern morgen ebensowenig wie jetzt schmerzt und ich meine Gedanken stattdessen auf die schoene Landschaft richten kann. Bis zum naechsten Bericht wuensche ich euch alles Gute und bis bald. Carpe diem,

Euer Stefan

Donnerstag, September 24, 2009

Kolumbien - Taganga oder wie man den lieben Gott einen guten Mann sein laesst

Liebe Freunde,

Taganga ist ein Fischerdorf einige Kilometer oestlich von Santa Marta. Warum hat es uns hierher verschlagen? Na, weil es schick ist. Taganga liegt in einer Bucht des karibischen Meeres, umringt von kleinen Bergen und mit einigen Palmen am Strand. Im Wasser plaetschern Fischerboote vor sich hin und kreidebleiche Touris holen sich einen Sonnenbrand. Ja, es ist touristisch hier, aber trotzdem hat das Dorf eine entspannte Atmosphaere. Klar, der Sonnenbrillenverkaeufer fragt dich natuerlich, ob du nicht eine seiner echten Oakleys oder D&G kaeuflich erwerben moechtest, wenn du dein Fruehstuecksomelette verzehrt hast. Aber man gruesst ihn einfach nett, hebt laechelnd seine eigene Sonnenbrille und er verabschiedet sich freundlich, um neue Kaufwillige zu suchen. Dann setzt sich eine Dame aus dem Wohnwagen gegenueber mit an den Tisch und fragt nett, woher du denn kommst, was dir am besten in Kolumbien gefaellt und ob es Wohnwagen auch in Deutschland gibt. Und sie erzaehlt dann ihrerseits, dass sie Salsa liebt, grosse Staedte hasst und gerade mit ihren Soehnen auf dem Weg ist, die Kueste zu erkunden. Diese Art relaxte Menschen trifft man hier.

Und was machen wir hier in dieser entspannten Atmosphaere? Eigentlich gar nichts... Montag hab ich erst einmal ausgeschlafen, und dann mich noch einmal rumgedreht und noch ein Stuendchen geschlafen. Nach dem Aufstehen schrieb ich euch den letzten Bericht und dann... weiss ich gar nicht mehr. Zum Fruehstueck-Mittag-und-Abendbrot-zusammen liessen wir uns schliesslich Fisch schmecken und abends bin ich noch ne Runde schwimmen gegangen. Toll, sag ich euch. So aus der Bucht heraus aufs karibische Meer in den Sonnenuntergang zu schwimmen. Der Sonnenuntergang war zwar nicht spektakulaer, dafuer aber das Wasser. Warm, wohlig warm. Ich glaube, ich bin eine Stunde geschwommen. Vom Strand zu dem Felsen da links an der Bucht, bis da rechts an den Vorsprung, und dann zurueck durch die Fischerboote. Und am Ende zu Fuss zurueck zu Jimmy ins Hostel. Mehr hab ich nicht gemacht. Aber ich fands toll....

Dienstag ging es dann mit vollem Elan los. Um 8 Uhr waren wir unten bei den Fischerbooten, um eine Passage zum Nationalpark Tayrona zu buchen und dort zum Ruinendorf Pueblito zu wandern. Beim gemuetlichen Fruehstueck (und neuen frischen Fruchtsaeften - ich hab jetzt auch Níspero, eine Art Mispel, und Zapote, im Deutschen mit dem haesslichen Namen Breiapfel belegt, probieren koennen) entschieden wir uns dann aber spontan gegen eine anstengende Wanderung bei 30 Grad und 90% Luftfeuchte und zogen uns wieder ins Hostel zurueck. Der Nachmittag fuehrte uns ins nahe gelegene Santa Marta, wo wir durch die weniger kolonialen Strassen schlenderten und etwas zum Kochen einkauften. Das gab es dann im Hostel zum Abendbrot. Wir beendeten den Tag schliesslich mit einem gemeinsamen Nachtschwimmen hinaus in die Bucht.

Heute schlieslich packte uns dann doch der Tatendrang und so heuerten die Cobra an - eine Schaluppe mit Aussenborder - die uns in eine benachbarte Bucht zum Schnorcheln brachte. Bootshund Niko blieb an Bord, waehrend Jimmy das erste Mal versuchte, durch einen Schnorchel zu atmen. Ich vermisste Flaschen und Neoprenanzug, aber die farbenfrohe Welt der Korallen lag so dicht unter der Wasseroberflaeche, dass Schnorchel und Brille vollauf genuegten. Da schoss ein Schwarm kleiner gelber Fische vorbei, und dort tummelte sich ein Rudel grosser blauer Fische. Eine Seenadel saugte unbeeindruckt das Meerwasser ein, um kleine Krebstierchen herauszufiltern und dort nagten schwarze Fische mit blauen Rand genuesslich am Bewuchs der Unterwasserfelsen. Es gab gruene, gelbe, blaue, gelb-blaue, braun-rote, so viele bunte Fische, dass vielleicht sogar oktarin leuchtende darunter gewesen sein koennten. Als ob man ins Schaufensteraquarium des Kleintierzuechterladen um die Ecke taucht. Ganz zu schweigen von der Faecherkorallen, Roehrenkorallen, Steinkorallen, Hirnkorallen und wie sie noch alle heissen. Dann liess sich sogar ein Octopus blicken und machte sich vor Angst in die Hose. Nach einer Photosession durfte er sich wieder hinter seinem Lieblingsfelsen verkriechen. Am Ende erfuellte sich noch ein Traum und ich hab 2 etwa 60cm lange, quietschhellblau leuchtende Muraenen gesehen, die machten, dass sie aus meiner Sicht und unter den naechsten Felsvorsprung kamen (fuer die Geooekologen unter euch, wir reden nicht ueber Landschaftsformen, sondern ueber aalartige Fische). Insgesamt fast 3 Stunden haben wir im kuehlen Nass bei Seeigel unds Kugelfisch verbracht, bis wir uns leicht erschoepft bei einen Glas Maracuyasaft in einer nahegelegenen Bucht niederliessen. Und nach einem Aufstieg zur oertlichen Madonna oberhalb unseres Hostels und einem weiteren Nachtschwimmen, bin ich jetzt etwas k.o. und werde den Tag mit Jimmy und Carcassonne ausklingeln lassen. Schoenes Fleckchen Erde, dieses Taganga.

Doch morgen geht es zurueck nach Bogotá und von dort in den Sueden. Doch davon ein andermal. Allen, die noch wach sind, wuensch ich einen herrlichen Abend mit einem ebenso tollen Sternenhimmel wie von meinem Balkon hier und carpe diem,

Euer Stefan

Montag, September 21, 2009

Kolumnbien - Cartagena

Liebe Freunde,

seit letztem Mittwoch bin ich kein Wahlkolumbianer mehr, sondern Tourist und Gringo. Zwei Gringos, um genau zu sein, denn der Jimmy hat sich ja zu mir gesellt. Zwei Gringos mit der Idee, Suedamerika zu erkunden. Und angefangen haben wir mit Bogotá...

...und einem Rundgang durch La Candelaria. Wir schlenderten durch die Gassen mit den kleinen schiefen Haeusern, an den kleinen Laeden vorbei und in die gar nicht kleine Kirche Nuestra Señora del Carmen. Diese trohnt hoch ueber den niedrigen Daechern und besticht durch ihre rot-weiss gestreiften Backsteine und farbigen Glasfenster, die ueberwachsene Gaerten darstellen. Ich finde: Bogotás schoenste Kirche. Danach schlenderten wir noch an einem Kloster und dem Justizpalast vorbei zur obligatorischen Plaza de Bolívar, auf der himmlische Heerscharen von Tauben ihr Unwesen trieben. Gluecklicheweise ist Jimmy aehnlich unmaekelig bei der kolumbianischen Kueche wie ich, so dass uns unser erstes Mittag in eine kleine Butze verschlug, in der Kolumbianer essen, aber keine Gringos. Der Wellensittich quakte und das Menue bestand aus "con carne o con pollo". Es gab Plátanosuppe (Kochbanane) und eine Bandeja (Reis, eine Scheibe Tomate, gekochte Bohnen oder Spaghetti und gebratenes Rindfleisch). Typischer geht es nicht.

Den Nachmittag verbrachte Jimmy im Goldmuseum der Hauptstadt, waehrend ich euch den letzten Reisebericht schrieb. Langsam aber sicher geht mir meine englischsprachige Lektuere aus. Im Moment lese ich zwar noch "Three Men in a Boat" von Jerome K. Jerome, aber sie sind schon kurz vor Reading auf der Themse, also Zeit fuer was Neues. Mein Spanischlehrer hatte mir einen guten internationalen Buchladen etwas noerdlich vom Zentrum empfohlen, aber dessen internationale Buecher gab es nur auf spanisch. So tingelten wieder zurueck in die Altstadt und bestaunten in einer Stippvisite das Boteromuseum ebenso wie die nationale Muenzpraegeanstalt. Inzwischen war die Nacht auf Bogotá gefallen und wir wandelten furchtlos auf gewundenen Pfaden durch ein nicht so sicheres Viertel hinauf zur Bodenstation des Cerro de Montserrat. Die Seilbahn hinauf auf den Hausberg fuhr noch und die Szenerie des riesigen Meeres aus Lichtern, welches Bogotá darstellte, bot eine atemberaubenden Anblick. Atemberaubend war auch die Temperatur: Gefuehlte 10 Grad unter Null. Also betraten wir nach kurzer Fotosession die inzwischen leere Kirche des gefallenen Jesus. Verklaerte, fast mystische Stimmung herrschte hier. Man stelle sich das so vor: In der Ferne ist ein hingefallener Jesus beleuchtet, alles andere ist dunkel und menschenleer, und von ueberall in der Kirche erklingt Panfloetenentspannungsmusik wie beim Physioterapeuten oder Friseur, waehrend draussen der unwirtliche Wind pfeift. Entrueckt, wuerde ich sagen. Wir genehmigten uns noch ein Agua Panela (heisses Rohrzuckerwasser) und glitten mit der Seilbahn zurueck auf den Boden der Tatsachen. Dort wartete schon Néstor auf uns, den ich aus Ibagué und Manizales kannte. Und zusammen mit ihm, einer Franzoesin und Filipe, der mir ebenfalls in Ibagué begegenet war, zogen wir uns in eine kleine Kneipe nahe unseres Hotels zurueck. Die Kneipe bestand aus kleinen Separees und servierte Cocktails. Komische Cocktails. Cocktails ohne Zitrone, so dass ich mich auch an die alkoholischen Mischgetraenke wagen konnte. Meiner hiess cerveza azul, war quietschblau und bestand aus Vodka, Bier und Aguardiente. Da reicht einer fuer den Abend. Die drei derzeitigen Bogotábewohner berichteten uns von ihrer Lebenssituation und von der allgegenwaertigen Gewalt in den suedlichen Vierteln der Stadt und wo man hingehen darf und wo nicht. Aber nicht nur Gewalt bestimte unsere Gespraeche, sondern auch die Liebe. Genauergesagt die Liebe eines Paerchens, die dazu fuehrte, dass das Maennerklo leider dauerhaft besetzt war. Gegen Mitternacht wurden wir aus der Kneipe gekehrt und trollten uns in Richtung Hotel.

Freitag

Der Flieger nach Cartegena war fuer 10 Uhr anberaumt und da man uns mehrfach vor dem Stau gewarnt hatte, verliessen wir um 7 Uhr das Hotel. Die Busse zum Flughafen waren wegen der rush hour so ueberfuellt, dass kein Fahrer 2 Gringos mit Rucksaecken im Wert von noch 2 Gringos an Bord haben wollte. Und so blieb uns nur noch das Taxi. Am Flughafen blieb uns dann genug Zeit fuer ein gemuetliches Fruehstueck und um 10 Uhr hob dann die Boeing mit Ziel Cartagena ab. Einen kurzen Huepfer spaeter erschlug uns dann die heisse Luft der Karibik. Der Bus, der uns dann in Richtung Stadtzentrum transportierte, war wohl einem Film entsprungen, Cool Runnings vielleicht. Gross, bunt, voller laessiger Mucke und schwarzer Menschen! Ich war begeistert. Allerdings nicht von den gefuehlten 45 Grad im Schatten, die ich seit meiner letzten Thailandreise nicht mehr gewohnt war. Insbesondere mit zwei Rucksaecken vorne und hinten in praller Sonne. Doch so erreichten wir, dem Lonely Planet folgend, das Casa Viena: ein typisches Backpackerhostel mit Internet, Kueche, Buchtausch und Moskitonetzen. Nur hatten die Backpacker inzwischen aufgeruestet. Im Nachbarzimmer stand eine Amerikanerin, das Netbook wie ein Tablett haltend, vor der Webcam und erstattete per WLAN und Internet einen Livebericht in die Heimat. Wir schmissen stattdessen unser Zeug ins Zimmer und machten uns auf in die Stadt. Unsere heutige Bandeja um die Ecke brachte uns eine Ich-will-nicht-wissen-was-da-alles-drin-schwimmt-Fischsuppe und der Pescado bestand nur aus einem Fischkopp. Aber lecker wars trotzdem.

Die als UNESCO-Weltkulturerbe deklarierte Altstadt Cartagenas ist schon recht beeindruckend. Wenn man mal die ganzen fliegenden Haendler mit Zigarren, Getraenken und Smaragden rausrechnet, hat man schoene schmale Strassen, mit balkonierten Koloinialhaeusern, die einen in der Zeit zurueckversetzen. Mittendrin liegt die kleine Plaza Bolívar mit grossen Baeumen, schattigen Baenken und alten Einheimischen, die sich anschauen, was die Touris wohl so machen. 2 Kuppeln ueberragen die Stadt: Die der Kathedrale und die des Klosters Pedro Claver. Und wenn man echter Touri sein will, kann man sich in einer alten Pferdekutsche durch die Altstadt ziehen lassen. Die ganze Altstadt Cartagenas ist von einer kanonenbewehrten Stadtmauer umgeben, die einst wegen Sir Francis Drake errichtet wurde, der die Stadt in 17.Jhd. bombardierte, da von hier die spanischen Goldtransporte starteten. Leider war meine Kamera bockig und kam zu dem Entschluss, die Batterien waren alle. Auf der Suche nach neuen Batterien und weil die Strassenhaendler Jimmies Reizpotential ausgeschoepft hatten, verliessen wir wieder die Altstadt und machten uns auf die Suche nach Kaffee und Batterien. Auch nach 2 Sets frischer Batterien beharrte meine Kamera auf ihrer gewerkschaftlich vereinbarten Pause und ich hab sie seitdem nicht mehr zur Arbeit ueberreden koennen. Statt eines Kaffees fanden wir einen Friseurstand auf dem Markt, der mich schliesslich von ueberzaehliger Wolle befreite. Danach gab es Abendbrot und einen weiteren Rundgang, diesmal in Richtung Hafenmole. Melanie befand sich ebenso in der Stadt und so verabredeten wir uns auf morgen zu einer Fahrt zur Isla del Rosario. Sie muesse mir nur noch die Namen ihrer Begleitung per SMS schicken. Nach der Tourplanung bei Wasser und Miefquirl in unserer Butze war immer noch keine Meldung von Melanie auf dem Telefonknochen und so machte ich mich noch mal auf, einen Minutero zu finden. Und fand bruehwarm heraus, warum der Lonely Planet vor naechtlichen Spaziergaengen in unserem Viertel gewarnt hatte: Ich fand naemlich keinen Minutero mehr, sondern nur Menschen, die mir Kokain oder Sex anboten und am Horizont waren schon die Menschen zu sehen, die mein Geld auch ohne Gegenleistung nehmen wuerden. Also wieder zurueck ins vergitterte Hostel und die Tour nur fuer Jimmy und mich gebucht.

Samstag

Die Tour sollte um 8 Uhr an der Touristenmole losgehen. Also begaben wir uns um 7 Uhr ins Gato Negro, ein von Oesterreichern gefuehrtes Café und begannen unseren Tag zur Abwechslung mal mit Omelette, Joghurt und Muesli. An der Mole warteten schon Melanie (aus Jena) und Sarah (aus der Stadt mit den 3 "O") auf uns, wir kauften noch 2 Tickets hier, und ab ging es aufs Schiff. Und wieder einmal zeigte sich, dass unter Tourismus in Kolumbien vorwiegend einheimischer Tourismus verstanden wird. Der Ansager am Mikro erklaerte, wie der heutige Tag ablaufen werde und wechselte dann kurzerhand sein Berufsbild zum Animateur, teilte das Oberdeck in 2 Gruppen auf, die bárbaros und die increíbles, und testete erstmal, wer lauter schreien konnte. Sarah versuchte erfolglos, ihren noch immer rumgetraenkten Schaedel vom Vorabend zu retten, aber ergab sich spaeter dem Schauspiel. Und das begann erst. 2 alte Herren wurden ausgewaehlt und sammelten dann auf Zeit soviele Huete wie moeglich aus dem, in unserem Falle unfreiwilligem, Publikum ein. Das wurde dann fuer Handtuecher/Tuecher, T-Shirts und BHs wiederholt, bis sich fast alle Klamotten des Decks in Stapeln auf dem Vorderdeck befanden. Es stand unentschieden, leider, und so mussten die teilweise zahnlosen und hochgradig unansehnlichen Ehefrauen der alten Herren ein Poledancing vollfuehren. Der optische Laerm fand dann seinen Hoehepunkt, als die alten Herren dies in den zusammengetragenen Tuechern und BHs das wiederholten. "Eine haessliche Dame mit Bauchfell", wie Jimmy meinte. Fuer die Kolumbianer war eher der Weg das Ziel, doch wir waren froh, endlich die kleine, einem Reisekatalog entsprungene, korallenberiffte Karibikinsel erreicht zu haben. Unser erster Aufenthalt beinhaltete ein Aquarium. Aeh, Aquarium, Fische hinter Glas, dachten Melanie und Sarah und spielten Strandnixen im herrlichen Wasser. Ich dachte ebenso, aber Jimmy ueberzeugte mich, doch ins Aquarium zu gehen. Kaum war ich drin, war ich hin und weg, denn es gab keine Tiere hinter Glas, sondern viele tolle Tiere, die unter unseren Stegen schwammen. Grosse Schildkroeten, noch groessere Haie, Rochen und sogar ein Saegefisch hauten mich einfach um. Dazu kamen mehrere Pelikane, die sich also Rampensaeue hervortaten und spaetestens bei der Delfinshow blutete mir das Herz, weil mein bloeder Fotoapparat den Geist aufgegeben hatte. Ich weiss, Delfinshows sind schlecht fuer die Delfine. Aber wenn dadurch 100 Kolumbianer aufhoeren, ihre Plastiktueten ins Meer und in die Fluesse zu schmeissen und ihren Kindern dafuer von den wunderschoenen Tieren zu erzaehlen, hat sich das Ganze gelohnt. Ich war auf jeden Fall beeindruckt, von den kraftvollen Delfinen ebenso wie von dem Reiher, der dem Hai den Fisch vor der Nase wegschnappte, der uralten Morla, die majestaetisch durchs Wasser flog und all den anderen grossen und kleinen Meeresbewohnern. Doch jetzt hatte ich Hunger. Das Mittagessen fuehrte uns auf eine Bacardi-Rum-Werbungsinsel in der Naehe und da Jimmy und ich heute respektvoll auf Fisch verzichteten, mussten wir ewig warten, bis das Huhn in das siedende Oel gewandert war. Danach stand baden, Palmen anschauen und Meeresluft atmen auf dem Programm. Unsere zwei Nixen tummelten sich wieder im badewannenwarmen Nass, ich schaute ihnen gerne dabei zu und Jimmy lief den Strand entlang. Gegen 16Uhr ging es dann zurueck aufs Schiff, mit einem Landungsboot, das mich an die Landung in der Normandie oder eine Packung Oelsardinen erinnerte. Der Animateur liess auch schon bei der Landung auf der Insel vor 2 Stunden denn Brueller los: "An alle kubanischen Mitbuerger unter ihnen: Wenn sie festen Boden unter den Fuessen haben, rennen sie, was sie koennen!" Die Rueckfahrt verlief still, da fast alle Kolumbianer total fertig auf den Baenken lagen.

Zurueck in Cartagena assen Jimmy und ich Pferd zum Abendbrot und bewegten uns dann noch einmal in die Innenstadt, um den letzten Abend bei einem kuehlen Bier auf der Plaza Bolívar ausklingen zu lassen. Ein Truppe afrikanischstaemmiger Taenzer hatte gluecklicherweise dieselbe Idee (mit Wasser statt Bier) und so kamen wir in den Genuss einer erstklassigen Vorfuehrung von Cumbia, schneller Taenze der ehemaligen Sklaven an der Karibikkueste, die uns mit schnellen akrobatischen Bewegungen bezauberten. Ab und zu ging ein Hut rum und kleine Kinder schnappten sich eine unbesetzte Trommel unf trommelten mit.

Sonntag

Am naechsten Morgen befanden wir uns wieder auf der Plaza Bolívar, ohne Taenzer, Bier und angenehm-kuehler Brise. Wir besuchten das Museum ueber die spanische Inquisition in einem der aeltesten Kolonialhaeuser direkt am Platz. Wenn man nicht staendig Leute foltern und toeten haette muessen, haette ich mir einen Job in dieser Branche vor 400 Jahren durchaus vorstellen koennen; bei dem tollen Garten. Galgen und Guillotine einmal weggedacht. In den oberen Geschossen erklaerten Vitrinen in wohlgekuehlten Raeumen die Geschichte der Besiedelung Catagena, den Belagerungen durch die Piraten und der heroische Schritt in die Unabhaengigkeit vor 200 Jahren. Am Nachmittag dann machten wir uns dann auf in das Fischerdorf Taganga, in der Naehe von Santa Marta, 200km oestlich von Cartagena. Der Lonely Planet veranschlagte dafuer 4 Stunden, wir brauchten 8, in unklimatisierten Bussen, deren Sitz- und nichtvorhandene Stehplaetze vollstaendig ausgebucht waren. So einen Bus, der an jeder Milchkanne haelt, nennt man auch in Kolumbien Lechero. Um 22 Uhr erreichten wir schliesslich unser Ziel - aber davon erzaehl ich euch das naechste Mal.

Ich wuensche euch alles Gute und bis bald. Carpe diem,

Stefan