Morz und wie er die Welt sah...

Sonntag, Juni 03, 2007

Istanbul (13.04 - 17.04.07)

Liebe Freunde,

gerade komme ich von der Glienicker Brücke heim, wo im Rahmen eines Festtages zum UNESCO Weltkulturerbe Potsdams Ibsens „Peer Gynt“ gelesen und von Edvard Griegs Suite untermalt wurde. Zusammen mit der in unterschiedlichen Farben angeleuchteten Brücke ein schönes Erlebnis. Doch davon möchte ich jetzt nicht weiter schreiben, sondern von einer weiteren Reise in die unendlichen Weiten des Universums, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Naja okay, einige Millionen haben es schon vorher gesehen. Und allein war ich auch nicht, sondern in Begleitung von lieben Freunden, die ihrerseits ebenfalls ab und zu das Reisefieber packt. Darüberhinaus handelt es sich auch nicht um einen unbedeutenden Flecken Erde sondern um eine der historisch wichtigsten Städte der letzten 2000 Jahre! Nein, nicht Geltow. Istanbul!!!

Am Abend des Freitags des 13.(April) versammelten sich Fernweh gebeutelte Mitmenschen, namentlich Anne, Nadinsche, Rica, Schlabi, der Moddin und ich, am Potsdamer Hauptbahnhof, um in Richtung Flughafen Schönefeld aufzubrechen. In Caputh winkte uns (die extra bestellte Delegation, um andere Mitreisende zu beeindrucken, also) Björn mit wehendem Taschentuch hinterher, als wir den letzten Sonnenstrahlen entfliehend dem Horizont entgegen zuckelten. Am Flughafenbahnhof angekommen, warteten schon Katrinsche und Richard auf uns. Moddin läutete das „Schnell-noch-ne-Bratwurst-mit–Pommes-bei-Günni-anne-
Imbißbude-inhalieren-wer-weiß-wanns-wieder-wat-Bekanntes
-zu-essen-jibt“-Spiel ein und wir tingelten danach gemütlich zum Germanwings Terminal , um uns mit der letzten Mitreisenden zu treffen: Jana, die Schwester von Anne. Als diese sich vom Mund ihres Freundes lösen konnte, checkten wir ein. Das Flugzeug startete pünktlich um 22 Uhr und alle fielen sofort in einen tiefen Schlaf; bis auf Jana und mich. Ich befürchte, wir haben mit unseren anregenden Gesprächen einigen Fluggästen im Umkreis den dringend benötigten Nachtschlaf geraubt. Auf dem Rückweg vom Restroom sah ich außerdem eine verschleierte Frau ganz ungeniert ihr Kind stillen. Schön, daß, wie ich schon in Indonesien feststellen durfte, ein stillende Frau in muslimischen Ländern nicht als öffentliches Ärgernis (oder gar als sexuellen Akt) eingestuft wird und damit gerade aktuelle Diskussionen in Amiland ad absurdum geführt werden können. Gelandet sind wir um 2 Uhr Ortszeit und nach der relativ schnellen Gepäck-wieder-einsammel-Aktion wartete schon ein Herr auf uns, der uns mit seinem (Großraum-)Taxi in die Stadt zu unserem Hostel bringen wollte. Zum Glück waren fast genügend Sitzplätze vorhanden, so daß die beiden Schmalsten Anne und ich auf dem Beifahrersitz Platz nehmen durften. Nach Abbruch eines „How goes it you?“ - „All in butter“- Dialogs in Englisch, stiegen Anne und der Fahrer auf ein italienisch-spanisch-Kauderwelsch um. Da ich meinen zweiten Spanischkurs leider nie beendet hatte, wurde ich zum „Wie schnell ist der grad durch die Mautstation geprescht?“-Ansager für die rückwärtig Sitzenden degradiert. Aber das war okay und er war immer langsamer als 120km/h. Gegen 2.45 checkten wir dann ein und bekamen ein komplettes 7-Bett-Zimmer und Nadin und Moddin erklärten sich netterweise bereit, in ein anderes Zimmer zu ziehen. Bei uns fehlten ein paar Decken, eine feuchte Wand rieselte unaufhörlich in mein Bett und das Bad/Klolicht ging nicht. Aber ansonsten war das Zimmer sauber und untermieterfrei. Das mit den Decken und dem Licht klärte sich kurz später und wir schauten uns noch kurz die wundervolle Aussicht auf das nächtliche Istanbul von der Dachterasse aus an.

Als ich etwas später aufwachte, waren die meisten von uns auf dem Weg zum Frühstück. Auf meinem Handy meldete sich Mehmet per SMS und fragte, ob er uns durch seine Stadt führen könne. Dazu ein kurzer IAESTE-Exkurs: Auf der General Konferenz (s.u.) hatte ich kurz die türkische Delegation kennengelernt und ihnen erzählt, daß ich bald mit Freunden nach Istanbul kommen würde. Kurz vor unserer Reise bin ich dann mit IAESTE Istanbul (insbes. Ufuk) in Verbindung getreten, die sich sehr zuvorkommend zeigten, indem sie z.B. uns jeden Tag einen Mitarbeiter zur Seite stellen wollten, der uns die Stadt zeige. Exkurs (voerst) Ende.

Wir lehnten dankend ab, denn am ersten Tag wollten wir die berühmtesten Sehenswürdigkeiten bestaunen. Und die würden wir auch allein finden. Als ich gegen 11.30 beim Frühstück eintraf, war dieses zwar schon vorbei, aber man war so freundlich, mir die Reste anzubieten, die immer noch ein stattliches Frühstück ergaben. Bis Schlabi ebenfalls zum Frühstück erschien…

Frisch gestärkt und neugierig auf eine unbekannte Stadt machten wir uns kurz darauf auf den Weg, die Sultan-Ahmet-Moschee oder auch „blaue“ Moschee zu besuchen. Diese 1617 als Hauptmoschee Istanbuls gebaute Moschee, sollte die fast 1000(!) Jahre ältere, ihr gegenüberliegende Hagia Sophia, übertreffen oder zumindest sich ihr gleichstellen. Und das ist dem Bauherrn gelungen. Mit ihrer 23,5 breiten Kuppel und den 4 5m dicken, das ganze Gebäude tragenden kannelierten Säulen sowie den kunstvoll gestalteten, den ganzen Innenraum ausfüllenden Fliesen (meist in blau, daher der Name), macht sie einen wahrhaft majestätischen Eindruck. Um die Minaretts rankt sich die Legende, daß Ahmed I. „goldene“ (türkisch: „altin“) Minaretts wünschte, der Architekt aber ob der Unbezahlbarkeit „sechs“ (türkisch: „alti“) verstand und erbaute. Leider besaß zu diesem Zeitpunkt nur die Kaaba-Moschee in Mekka 6 Minaretts, so daß Ahmed I. ob der sich anbahnenden Blasphemie den Kaaba-Hütern noch einen siebtes spendieren mußte. Wir haben uns also brav die Botten ausgezogen (Katrin und Rica haben sich außerdem ein Kopftuch umgeworfen) und gingen hinein. Ich muß zugeben, daß mich außer den oben bereits erwähnten Fliesen und die zwei eine leicht bekleidete Europäerin angrabenden Türken das Innere der Moschee wenig beeindruckte. Mir fiel aber noch auf, daß trotz der großen Höhe des Gebäudes Lampen flächendeckend bis auf ca. 3m heraub hängen, was dem ganzen Innenraum etwas Gedrungenes gibt. Wieder draußen angekommen schlenderten wir weiter durch unzählige Blumen, meist Tulpen hinüber zur gegenüber liegenden Hagia Sophia. Diese in nur 6 Jahren (532 – 537!) erbaute orthodoxe Kirche kann mit Fug und Recht als das achte Weltwunder bezeichnet werden (vielleicht das neunte, nach Angkor Wat). Das liegt weniger an seinem heutigen Erscheinungsbild (welches trotz ihres Alters erstaunlich faltenfrei ist), als in seiner historischen Bedeutung. Andere im 6. Jahrhundert gebaute Kathedralen würde man heutzutage ohne mit der Wimper zu zucken als Kapelle bezeichnen. Nicht die Hagia Sophia. Außerdem diente sie in ihrer architektonischen Großartigkeit als Vorbild für alle (!) jemals gebauten Moscheen (Mohammed wurde erst 34 Jahren nach ihrer Fertigstellung geboren). Nach über 900 Jahren der Funktion als wichtigste Kirche des orthodoxen Christentums, wurden ihr 1453 von Sultan Mehmet Fatih 4 Minaretts zur Seite gestellt und fortan war sie geweihte Moschee. Erst Atatürk wandelte sie 1934 in ein Museum um. Außer Jana, die sich draußen auf die Wiese setze, bestaunten wir anderen die interessante und wohl einzigartige Mischung aus arabischen Koranzitaten, Mariendarstellungen und byzanthinischen Mosaiken.

Wieder vor der Tür angekommen, wurde der anwachsende Unmut deduktiv auf ansteigendes Hungergefühl zurückgeführt und so schlugen wir einen Weg ein, der uns an mehrere einfachen Kebabläden vorbeiführte. Das Essen war schmackhaft, scharf, ausreichend und manchmal etwas angebrannt. Dazu gabs Ayran, ein leicht gesalzener Joghurt zum Trinken. Zufrieden, satt und glücklich zogen wir weiter, nur von den etwas aufgeregten Mädels kurz ausgebremst, die ihr erstes Hamam fanden, die Preise checkten und sich vor ihrem geistigen Auge schon gesaunat und durchgeknetet sahen, dem Topkapi Palast entgegen. Dieser Palast (türkisch: Sarayi -> französisch: Serail) ist nicht nur Schauplatz von Mozarts Oper „Die Entführung aus dem Serail“, sondern diente, auf der griechischen Akropolis’ Byzanz’ erbaut, osmanischer Sultanen für fast 500 Jahre als Herrschaftssitz und Machtzentrale, bevor er 1923 in ein Museum umgewandelt wurde. Der Palast besteht aus 4 Höfen, dem ersten, mehr einem Palastgarten ähnelndem Hof, dem zweiten, Ich-zeig-euch-wer-den-längsten-hat-Hof, dem dritten, Wenn-du-hier-rein-darfst-bist-du-schon-megawichtig-Hof und schließlich dem vierten, Wenn-du-irgendwie-bis-hierhin-gekommen-bist-ist-des-Sultans-rosa-
Unterhose-wahrscheinlich-auch-das-letzte-was-du-jemals-sehen-
wirst-Hof. Während die anderen sich den Harem anschauten, besuchten Moddin und ich erst die damals von über 1000(!) Köchen betriebene Palastküche und dann, na klar, das Waffenmuseum. Es war auch das erste Mal, daß mich die Schatzkammer eines Palastes echt beeindruckte. Schuld war nicht irgendein mit 100 Diamanten besetztes Diadem, sondern die Erkenntnis, daß zitronengroße Smaragde und tetrapackgroße marienglaskristalle überhaupt existieren und Freund Blase, ähm der Sultan nichts besseres damit vorhatte, als sich eine zeremonielle Wasserflasche o.ä. daraus schnitzen zu lassen. Interessant war auch das Audienzzimmer für die ganz wichtigen Chefs: Es steht frei im dritten Hof und außer dem Großwesir, dem Sultan und dem Gast sind alle Palastwachen da taubstumm (da hat man wohl nachgeholfen…). Und es plätschert fröhlich eine Quelle durch den Raum, damit keiner von draußen lauschen kann. Nach einer 3-stündigen Besichtigung setzten wir uns noch etwas knülle neben das zweite Tor und genossen die Abendstimmung und trollten uns dann später dem Hostel entgegen. Dort angekommen, hübschten die Mädels sich noch etwas auf, bevor es in die Bahn um über das goldene Horn zum Taksim-Platz ging. Dort erwartete uns Ufuk (s.o.) und führte uns und ein paar seiner Freunde ins “Istanbul In“. Drinnen erwarteten uns ein großer Raum mit langen Tafeln, Nationalflaggen darauf und einer Bühne. Als Vorspeise gab es viele kleine verschiedene Köstlichkeiten aus der türkischen Küche (die angeblich nach der chinesischen die vielfältigste der Welt ist) und eine Gruppe mit traditionellen Instrumenten betrat die Bühne. Ufuk und ich fanden, wir müßten uns etwas türkisch-deutsch durchmischen, aber außer uns beiden verstand das anscheinend keiner. So verlor ich meinen Platz an der Bühne an Moddin, wo auch die anderen Deutschen saßen. Es folgten traditionelle Tänze, sufi-ähnliche Tänze, das Hauptgericht und der erste Bauchtanz. Und ich dachte bis dato immer, für einen guten Bauchtanz braucht man etwas Bauch. Vergeßt es Jungs! Und warum saß Moddin auf meinem Platz… Als ich wieder etwas klarer im Kopf wurde, unterhielt ich mich mit Ufuk über IAESTE Türkei und Deutschland und Bauchtanz. Beim dritten Bauchtanz erbat sich die Tänzerin jemanden zur Begleitung auf die Bühne. Anne ließ es sich nicht nehmen, energisch auf ihren türkischen Sitznachbarn meiner Statur zu zeigen, so daß er nicht umhin konnte, aufzustehen und mit der Bauchtänzerin die Hüfte zu schwingen. Ich war überrascht von seinem Witz und Anstand, so daß wir die Show genossen. Zum Schluß betrat noch ein Entertainer die Bühne, bei dessen Auftritt man sofort erfuhr, daß er Linksträger ist. Er besaß den Charme mehrerer Dosen Pomade mit Weichspüler und seine linke Augenbraue zuckte beim Betrachten weiblicher Gäste verführerisch. Seine Spezialität bestand daraus, für jede im Saal anwesende Nationalität ein Lied in Landessprache zu singen. Ich muß zugeben, daß mir bei „Muß i denn zum Städtele hinaus“ nicht wirklich das Tanzbein zuckte, mich aber bei dem zweiten Stück, welches vermutlich aus dem Musikantenstadl geklaut war, ein massiver Würgreiz überkam. Er verstand es aber wie kein Zweiter, Frauen, die niemand in ihrem Leben auch nur mit der Kneifzange angefaßt hatte, durch Anschmachten den besten Abend ihres Lebens auf der Bühne zu verschaffen. Achso, Katrin gewann seinen Bauchtanzkontest, obwohl Rica auch nicht schlecht war…

Am Ende das Abends luden uns die Türken noch in mehrere Taxis, verhandelten mit den Fahrern echte Preise (ca. 5€ für die 5km) und brachten uns so nach nach Ortaköy, dem Studenten- und Weggehviertel Istanbuls. Dort angekommen stürmten wir in einen Hotelbar mit Tanzfläche, wo schon eine Erasmusparty tobte. Mit jedem Bier wurde der Bauchtanz schwungvoller und gegen 2 Uhr tanzten wir besser als die Türken. Nadin schlürfte vor der Tür noch Mengen von unschuldigen Schalentieren der Gattung Mytilus und dann gings nach einem langen Tag ab nach Hause. Im Gegensatz zu den anderen, hatten Moddin und ich noch keinen Bock auf Matrazenhorchdienst. Wir nahmen uns noch ein paar Hopfenkaltschalen der Marke „Efes“aus dem Kühlschrank des Hostels unds setzten uns plaudernd auf die Dachterasse mit Seeblick…

Als ich am nächsten Morgen gegen 12.30 langsam wieder das Bewußtsein erlangte, schmeckte ich als Erstes widerlich schmeckende Bestandteile der feuchten Wand in meinen Mundwinkeln. Dann entdeckte, daß die anderen zwar schon wach waren, aber noch nicht lange (außer Moddin, der schon um 9 Uhr frühstücken gewesen war). Beim Nummerziehen für die Dusche hatte ich nunmehr schlechte Karten, aber so gegen 15Uhr schafften wir es, uns beim Dönermann zwei Straßen weiter starken schwarzen Tee und fachmännisch zerlegtes Dönertier einzuverleiben. Die Mädels entschieden sich, den Nachmittag in einem Hamam zu verbringen und Richard hatte die gute Idee, den Rest der Stadt per pedes zu erkunden. Treffpunkt 20 Uhr im Hostel. Auf geht’s! Ach ne, noch bezahlen.

Wir gingen westwärts am großen Basar und der Uni vorbei (an der gerade ein Film im 50er-Jahre-Stil gedreht wurde). Schlabi erklärte in einem Laden Moddin den Geschmack und die Inhaltsstoffe orientalischer Süßigkeiten und führte daraufhin ihren Verzehr vor. Dann bogen wir etwas nach Norden in das Viertel mit dem komischen Namen Fatih (=„Eroberer“) ab und sofort verschwanden die Dessousgeschäfte, wurden zu Obst- und Gemüseläden. Außerdem gingen Frauen praktisch nur verschleiert auf die Straße und 3m hinter ihren Ehemann und die Männer saßen in rätselhaften Tee-trink-Karten-spiel-und-guck-was-die-Leute-auf-der-Straße-
machen-Spelunken. Darüber, wer das spaßigere Leben hat, läßt sich abstimmen. Auf einer Anhöhe angekommen, betraten wird den Hof der Fatih-Moschee auf der gerade der „Sonntagsmarkt“ in vollen Zügen lag: Frauen, die Tücher, Kinderspielzeug, Klamotten, einfach alles verkauften. Selbst ein handgeleiertes Karussell für die Kinder gab es. Doch auf einmal machte sich Unruhe breit. Der Karussell-Mann rollte sein Gerät um die Ecke, die Frauen versteckten ihre Tücher u.ä. in einem noch größeren Tuch und jeder versuchte unbeteligt zu schauen. Der Kontaktbereichsbeamte, wie es auf deutsch heißt, oder besser der lokale Freund und Helfer machte seinen Rundgang! Und inspizierte provisorisch die Besitztümer eines älteren Herren. Wer weiß, was da den Besitzer gewechselt hat…. Wir zogen weiter in Richtung goldenes Horn und Fener. Kleine Kinder grüßten uns mit „wozz yorr nehm?“ und wir ernteten ein verlegenes Lächeln, wenn wir brav antworteten. Manche hatten von den Großen schon gelernt, daß man bei Fremden immer sicherheitshalber noch die Hand aufhält. Aber die meisten waren noch sehr verspielt, glücklicherweise. Mit einer Harry-Brot-Kiste ne steile Straße runterrutschen ist auf jeden Fall viel geiler, als auf Ommas Schelte zu hören, doch endlich leiser zu spielen. Auf der anderen Seite von Fener in Balat angekommen, bestiegen wir die Fähre, tranken einen weiteren Tee und fuhren auf die andere Seite des goldenen Horns nach Kasimpasa. Nach Aufstieg zum Tünel erreichten wir die Istiklal Caddesi: Die Haupt-(Einkaufs-)Straße des modernen Istanbuls mit seinen Galerien, Straßencafés und der historischen Straßenbahn. Sogar eine katholische Kathedrale gibt’s da. Als wir uns in dem Börekschuppen festgessen hatten, bemerkten wir, daß es schon recht spät war; also ab in die Straßenbahn und zurück ins Hostel. Dort angekommen vermissten wir etwas, die Mädels. Als diese dann eine knappe Stunde später eintrafen, waren wir aufgrund körperlicher Erschöpfung und geistiger Umnachtung nicht in der Lage, von unserem Unospiel aufzusehen, um uns ihren Erzählungen des Tages zu widmen. Die darauf folgende Suche nach einem schönen und(!) preiswerten Restaurant verlängerte sich durch Ohrringkäufe, Hochzeitstanz Erlernen vom (vermutlich hochgradig heiratswilligen Ohrring-) Verkäufer und ähnliches derart, daß sich die Entscheidung über das passende Restaurant stark vereinfachte. Die meisten Läden schlossen nämlich auch in Istanbul zwischen 23Uhr und Mitternacht. In einer Seitenstraße fanden wir eine ganz schicke Lokalität, die sogar die Küche für uns noch einmal öffnete. Zumindest dachten wir das. Moddin und mir viel allerdings auf, daß unsere Vorspeise größer war und aus mehr Ingedienzien bestand, als unser Hauptgericht. Es fehlten sogar die essentiellen Grundnahrungsmittel. Aber davon ließ sich der Kellner nicht stören und berechnete den vollen Preis. 13€ für ca. anderthalb Vorspeisen. Ich war pappensatt, leider nur im übertragenen Sinn. Aber drei Bier sind ja auch ein Schnitzel! Und 6 eine Fleischvergiftung. Also beendeten wir den Abend noch im mit Bar ausgebauten „Hobbykeller“ des Hostels.

Als ich am nächsten Morgen gegen 12 Uhr aufwachte, fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren (Achne, das waren nur wieder Teile des Putzes): Niemand von uns hatte die Checkout-time erfragt. Runtergeflitzt zur Rezeption, beim Erblicken der großen freundlichen Zahlen Eins, Eins, Null und Null endgültig wach geworden, und auf gute Führung plädierend noch eine weitere halbe Stunde und einen Abstellplatz für unser Gepäck rausgehandelt… Zum Frühstück setzten wir uns in ein am Tag zuvor entdecktes urtümliche Café mit Tee und nargile (= Wasserpfeife). Die Mädels verabschiedeten sich nach einiger Zeit, um ihren monetären Gelüsten auf den großen Basar zu fröhnen. Wie Männer verließen nach etwa 2 Stunden rauchen, trinken und Sandwich das Lokal etwas angedröselt, nachdem wir umgerechnet 25€ (für 2 Wasserpfeifen, Baguettes und ca. 30 Tee) bezahlt hatten, um selbst etwas über den Basar zu streifen. Schlabi und ich kauften jeweils ein(en) Kissen(bezug) und amüsierten uns über ein Stalin-gegen-Hitler-Schachspiel. Doch schnell wurde es uns zuviel dort und wir stromerten noch etwas durchs Viertel, bevor reichlich später in einem Hamam einkehrten. Richard war in dem warmen Klima sofort blind, was angesichts der ganzen alten Männer mit fehlenden Zähnen und hängenden Bierbäuchen wohl nicht das Schlechteste war. Als erstes hieß es Saunen, dann wurde man gewaschen und massiert. Mein Kollege klang wie Tom Waits, stank aus dem Mund nach Chemikfabriksschornstein und murmelte immer „Good massage, bakschisch, okay?“ Nach dem dritten Mal überlegte ich mir, ob er ernsthaft erwartete, daß ich nen Zehner aus der Poritze zog, oder ne VISA-Card gemäß der Werbung…? Aber die Massage war gut. Danach gabs wieder Sauna, kaltes Becken, Sauna, bis wir keinen Bock mehr hatten. Es ist zwar ganz angenehm, auf warmen Steinen rumzusitzen, trotzdem ist mir schleierhaft, wie den Mädels in einem 6x6m großen Raum nach 4 Stunden nicht langweilig werden konnte. Auf dem Weg zum Hostel verspeisten Schlabi und ich noch einen gebratenen Fisch mit Salat für 1,50€ und trafen uns später wieder mit den Mädels. Wir fuhren mit der Bahn noch für ein oder zwei Stunden nach Beyoglu, um diesen Stadtteil ebenso zu erforschen und den Hunger zu stillen. Dann gings mit der letzten Bahn zurück zum Hostel zum Gepäck und mit dem auf uns wartenden Kleinbus zum Flughafen. Und wer saß wieder vorne und zählt die roten Ampeln für die rückwärtig Sitzenden? Genau, der Morz. Und Nadin schlief an meiner Schulter. Am Flughafen angekommen, erlebten wir das ganze Ausmaß der Angst vor Terrorismus. Gepäck röntgen am Terminaleingang, Nummer auf den Rucksack geklebt bekommen gegen Vorzeigen des Passen während des Anstehens, 3 Arten von Sicherheitspersonal, Erneutes Checken des Passes (mind 5 Minuten pro Passagier, man ist ja wichtig) am Gate… im Airportcafé angekommen, entsetzten uns die Preise so, daß wir unser eigenes Bier öffneten und meine Waffeln aßen, bis gegen 3 Uhr morgends das Boarding losging. Richard und ich ernteten noch ein paar bitterböse Blicke für „voll brontal“,„konkret“, „korrekte“ und andere Floskeln des gemeinen Kreuzbergers. Das Flugzeug war nicht nur voll, sondern platzte aus allen Nähten. Ich war froh, noch einen einzelnen Platz am Gang zu bekommen, hatte aber trotzdem die Knie am Kinn. In Berlin angekommen, fühlte ich mich zwar etwas ausgekotzt, genoß aber gegenüber Nadin und Rica den unschlagbaren Vorteil eines freien Tages. Die Armen. Gegen 8 Uhr zu Hause angekommen, fiel ich nur noch in mein Bett und träumte von Moscheen, glücklichen Kindern und Bauchtänzerinnen….. ja Bauchtanzerinnen….