Morz und wie er die Welt sah...

Sonntag, Juli 12, 2015

Unterwegs wie Tom Saywer und Huckleberry Finn



Liebe Freunde,

zu meinem letzten Geburtstag habt ihr alle zusammengelegt und mir eine Floßfahrt geschenkt. Vielen lieben Dank euch dafür. Nun möchte ich euch von meinen Erlebnissen auf den Seen Brandenburgs berichten.

Anne und ich haben uns für die Floßfahrt das lange Wochenende um Fronleichnam rausgesucht, weil zu diesem, nur in Süddeutschland existierenden Feiertag, wohl nicht viel los, aber es schon warm sein sollte. Und das stimmte. Glücklicherweise stand gerade eine Sondererprobung bei mir in der Abteilung an und so hatten wir ein Cabrio zur freien Verfügung. Anne machte das Cabrio sogar so viel Spaß, dass sie es am Ende des Wochenendes gar nicht wieder hergeben wollte. 

Also haben wir unsere Sachen in Volumen eines halben Umzugs in den Kofferraum gequetscht und auf ging es nach Beeskow. Dieses kleine Örtchen liegt etwas nördlich des Spreewalds und wir waren an dem Tag erwartungsgemäß die einzigen, die ein Floß leihen wollten. Unseres hörte auf den Namen „Robinson Crusoe“ und bestand aus vier Pontons, auf die eine Hütte mit kleinem Außenboarder gezimmert worden war. Offiziell dürften bis 8 Personen auf unsere schwimmende Insel, aber der Platz lässt meines Erachtens nur 3-4 Leute zu. In der Hütte befinden sich Holztruhen zum Verstauen der Sachen und nachts legt man noch ein paar Bretter dazwischen und erhält eine tolle Liegewiese von 3x3 Metern.

Wir sprangen sofort aufs Boot und fuhren erst einmal nur ein paar hundert Meter, bis wir eine ruhige Bucht fanden, um nach der langen Fahrt Siesta zu halten. Anne legte sich aufs Dach, um die Sonne in vollen Zügen zu genießen, während ich mich an der Natur und dem Ausblick erfreute. Eines kann ich euch sagen: Um Beeskow ist die Natur noch in Ordnung. Wir ankerten an einem Seerosenfeld und sogleich ließen sich Nutrias und sogar ein Seeadler vor dem Floß blicken. Leider waren sie Publikum nicht so gewöhnt und daher etwas kamerascheu. Danach verputzten wir unser mitgebrachtes Mittagessen und genossen die Ruhe. Es war einfach idyllisch.

Als es langsam Abend wurde, schmissen wir unsere PS-Schleuder an und fuhren – lässig vom Dach aus steuernd - die Spree hinunter, an badenden Kindern und Spreewiesen vorbei, bis nach Leißnitz. Hier kreuzt eine kleine Fähre die Spree. In einer kleinen, von der Spree abgetrennten Bucht fanden wir unser Abendquartier. Und wir parkten wieder inmitten von Seerosen (hab keine zerstört). Weil es warm war, sind wir erstmal zum Abkühlen ins Wasser gesprungen. Es war zwar nicht sehr tief und der Boden recht schlammig, aber dennoch sehr erfrischend. Zum Glück gesellte sich kein anderes Boot in unsere Nähe, so dass niemand seine gierigen Blicke auf unser kulinarisches Festmahl auf dem Grill werfen konnte. Anne hatte für alles gesorgt. Es gab gegrillte Garnelen, Hühnchen und Couscoussalat. Nobel geht die Welt zu Grunde. Bei einem Feierabendbier bestaunten wir noch die ersten Sterne am Himmel über unserem Tausend-Sterne-Hotel und zogen uns dann glücklich in unsere Hütte zurück. 

Es ist toll, morgens direkt aus dem Schlafsack ins Wasser hüpfen zu können. Nach dem Morgenbad zeigte sich ein Problem: Wir hatten den falschen Typ Kartusche für den Campingkocher gekauft. Also kein Kaffee zum Frühstück. Anne wird aber unleidlich, wenn es keinen Kaffee am Morgen gibt. Also hieß es nach dem recht kurzen Frühstück Leinen los, und wir steuerten den nächstgelegenen Campingplatz an, um eine Kartusche zu kaufen. Dieser Campingplatz war aber eher etwas für sesshafte Eigenheimbesitzer mit Garten und Zaun hinter dem Wohnwagen. Leider gab es keine Kartusche, dafür aber Kaffee für Anne und eine Eisschokolade für mich. Der Tag war gerettet. 

Heute wollten wir etwas Strecke machen, denn wir planten, heute noch bis zum Neuendorfer See zu kommen. Also bogen wir kurz vor dem Schwielochsee rechts ab und landeten in einem Kanal, der sehr an den Spreewald erinnerte. Hier und dort gab es Wassergrundstücke mit Bootsanleger, aber im Großen und Ganzen schlängelte sich die Spree in diesem Kanal unter schattenspendenden Erlen dahin. Nur wenige Passagen waren abgeholzt. Meist schauten uns die Enten, Reiher und Angler verträumt von Ufer aus zu und beachteten uns nicht weiter. Rechts und links eröffneten sich immer wieder Blicke in Altarme der Spree, die wir leider nicht befahren konnten. Nach wenigen Kilometern unterquert man dann eine schöne alte Zugbrücke, die viel ländlichen Charme versprüht und die ich eher nach Holland verortet hätte. Immer wieder begegneten uns einige Paddler, die unser Floß verdutzt beäugten. Auf der Hälfte unserer heutigen Strecke tauchte auf einmal eine Schleuse auf. Die Schleuse Kossenblatt macht den Eindruck, als sei sie für weitaus größere Schiffe gebaut worden, die sich glücklicherweise nicht in diesen Teil der Spree verirren. Hinter einigen Hagebuttensträuchern konnten wir sogar noch die alte Backsteinschleuse aus dem 19.Jahrhundert erkennen. Die Schleuse ging vollautomatisch und nach der Schleuse waren wir soweit erschöpft, dass wir eine Siesta im Schatten einer Erle einlegten. 

Ups, schon vier? Anne hatte geschlafen und ich beim Lesen nicht auf die Zeit geachtet. Wir wollten ja noch zum Neuendorfer See. Und so hieß es Vollgas, so dass wir mit 7km/h durch den Kanal preschten und mit dem Mund die ersten Mücken aufsammelten. Wir erreichten kurz vor der letzten Schleusung um 19Uhr die Schleuse in Alt Schadow – dem Tor zum Neuendorfer See. Die Schleuse mutete eher wie ein Feuerlöschteich an und nachdem wir das Floß talwärts festgemacht hatten, setzten wir uns – immer noch auf der Suche nach einer Kartusche – auf ein Eis ins Café. Naja, Café ist etwas übertrieben. Ein Anwohner hatte einen Imbisswagen der Pommes und Bier verkauft in seinem Garten aufgestellt, fand aber auch Eis in der Kühltruhe. Und während seine Katze gerade mit einem noch strampelnden Vogel im Maul ins Haus rannte, sagte er uns, wo wir vielleicht unsere Kartusche bekommen könnten. Und so fuhren wir bei tiefstehender Sonne entlang der Reusen in den Neuendorfer See ein, der sehr an den Schwielowsee bei Caputh erinnerte. Anne sprang vor einem Campingplatz von Bord und ich drehte in der Abendsonne meine Kreise, bis sie mit einer Kartusche zurück an Bord kam. Wir machten auf der gegenüberliegenden Seite des Sees am Schilf fest. Der Campingplatz war dennoch nicht weit genug entfernt, denn die Party schallte die halbe Nacht über den See und störte Angler und uns beim Schlafen. Nach dem Abendbrot (Nudeln aus dem neuen Campingkochset) legten wir uns aufs Dach und zählten die Sterne. Sogar ein paar Sternschnuppen ließen sich blicken. Ich hoffe, die Wünsche gehen in Erfüllung!

Am nächsten Morgen gab es endlich auch Kaffee nach der Dusche im See. Erleichtert ging es den gleichen Weg die Spree hinauf zurück (eine Rundtour ist für motorgetriebene Boote leider nicht möglich). Die Landschaft war genauso schön wir am Vortrag. Das einzig Neue war, dass sich ein Eisvogel während der Siesta vor unserem Boot blicken ließ. Am frühen Abend erreichten wir den großen Schwielochsee. Wir machten mitten im See den Motor aus, sprangen ins Wasser und ließen uns treiben. Ich versuchte mich sogar im Wasserski, scheiterte aber kläglich. Dann trieb uns ein kleiner, roter, schon etwas faltiger Ballon vor das Floß. Klara aus dem Waldorfkindergarten in Bernburg hatte uns geschrieben. Wie sie nur wusste, wo sie uns mitten auf dem See finden kann….? (Wir haben dem Mädchen vor ein paar Tagen mit ein paar Fotos geantwortet.). 

Am Rande des Schwielochsees hatten wir uns mit Annes Eltern verabredet, die mit ein paar Bier und Wein an Bord sprangen. Während Annes Mutter von früheren Campingurlauben aus dem Nähkästchen plauderte, versuchte ihr Vater auf dem neu gekauften Receiver über DVB-T das gerade laufende Championsleaguespiel reinzubekommen. Am Ende klappte es mit unserem Blechdach als Antenne und ca. 1-2 Bildern pro Sekunde. Nachdem das Spiel vorbei war, kam Wind auf. Und unsere zwei Klappanker waren zu schwach, um ein Abtreiben ins Schilf zu verhindern. Mit Paddeln und Schiffschraube im Schlamm kämpften wir einige Minuten gegen die Vegetation, bevor wir wieder frei kamen. Wir legten an der gegenüberliegenden Seite erneut an und leerten die letzte Flasche Wein, bevor ich Annes Eltern gegen 1:30 wieder zurück zu ihrem Van fuhr. 

Die Nacht war kurz, denn das Boot musste um 9:00 wieder abgegeben werden und wir noch 2:30 Stunden von Beeskow entfernt. Ich stellte mich also ans Ruder und fuhr stoisch durch den Morgen - immer in der Hoffnung, nicht am Steuer einzuschlafen. 3 vor 9 waren wir am Ziel. Die Übergabe lief glatt. Ich holte etwas Kaffee von der nahe gelegenen Tanke und wir packten unser Zeug wieder ins Auto. Und weil wir die letzten Tage noch nicht genug Erholung gemacht hatten, beschlossen wir, den Tag heute in der Saunalandschaft des Tropical Islands zu verbringen. Zufrieden und glücklich fuhren wir wieder zurück nach Süden.

Euch allen danken Anne und ich von ganzem Herzen für eine tolle Erfahrung mit hohem Suchtfaktor. Wir wünschen euch allen einen herrlichen Sommer und hoffen, euch bald mal wieder zu sehen.

Carpe diem,
Stefan