Morz und wie er die Welt sah...

Donnerstag, Februar 28, 2008

Marrakesch und der Hohe Atlas (31. Januar – 7. Februar 2008), zweiter Teil

Fahrt nach Ouarzazate

Am nächsten Morgen beim Frühstück sahen alle ein bißchen Scheiße aus, aber das machte ja nichts, da wir uns ab heute die nächsten 4 Tage im Mietwagen vor den Einheimischen verbergen würden.

Und so wurde Arbeitsteilung angesetzt. Schlabi und ich würden die Autos abholen, Gordon und Karsten die Verpflegung für die nächsten Tage einkaufen und die anderen ihre Tränensäcke zu verstecken versuchen und das Gepäck von allen aus den schmalen Gassen zum Treffpunkt am Doukkala-Tor tragen. Schlabi und ich erinnerten uns beim Wandern durch die sonnendurchfluteten Straßen Marrakeschs an vergangene gemeinsame Reisen und fanden schließlich neben 10 anderen Mietwagenbüros unseren Internetanbieter. Die Wagen wurden auch bald vorgefahren, nur handelte es sich nicht um den extra für die Gebirgstouren ausgesuchten, geräumigen und mindestens 75PS starken Dacia Logan, sondern um eine Kleinstwagenmarke, die ich vorher noch nicht gesehen hatte: 2 Fiat Palio. An der Ausstattung hatte man aber nicht gespart: Statt Dachgepäckträger, Benzinanzeige, geräumigem Kofferraum oder Radio besaßen unsere italienischen Prunkstücke 4 Räder, 1 Lenkrad und sogar einen Tacho. Bei den ganzen fehlenden Warnleuchten und Displays konnte man sich voll und ganz auf den Verkehr konzentrieren. Gesagt, getan. Schlabi und ich fuhren los, um unsere Einkäufer einzusammeln und uns dann mit den Gepäckträgern zu treffen. Alles in allem verließen wir gegen halb 12 die Stadt und fuhren dem Hohen Atlas entgegen. Schon sehr bald wichen die breiten Palmenhaine schmalen, an der Straße gelegenen Bergdörfern und die Straße selbst schlängelte sich gemütlich, mit meditativen Links-rechts-Kombinationen den Südwesthang des Atlas empor. Katrin empfand die schaukelnden Fahrtrichtungswechsel bald weniger als entspannend denn als peinigend und so hatten wir die Gelegenheit, die wunderschöne Landschaft in aller Ruhe zu genießen. Diese bestand ab ca. 1000m Höhe aus kargem, grauen Gestein, das von z.T. wieder „aufgeforsteten“ Buschwerk durchzogen war. Echte, raue Natur. Und die Berggipfel glänzten im Schnee. Toll! Kurz unter dem höchsten Punkt von 2260m (Gordon maß mit seinem GPS-Empfänger ständig nach, ob die Schreiberlinge meines Reiseführers sich auch nicht geirrt hatten) gabs so etwas wie eine Raststätte, drei Hütten, die zwei Läden und ein Klo beherbergten, an einer Klippe, und wir schauten gebannt runter in ein Hochtal. Die Läden verkauften die gleiche Ware wie ca. 150 Straßenhändler die letzten 50 km vor ihnen schon: Edelsteine und Mineralien in aufgebrochenen Drusen. Schon von weitem leuchteten sie wie eine Bordelltür. Doch meine Bewunderung galt weniger den seltenen Funden als der Kunstfertigkeit der Händler, diese zu fälschen. Denn spätestens als man mir tiefblau leuchtende Kristalle als Kobalt verkaufen wollte, war alles klar. Aber die Aussicht war klasse und die Mädels konnten ihre sanitären Bedürfnisse stillen.

Einige Meter hinter dem Paß dann zweigte eine Asphaltpiste in Richtung unseres ersten echten Zwischenstops, des 20km entfernt liegenden Telouets, ab. Man glaubte fast gar nicht, daß sich in dieser kargen Landschaft auf einmal ein größeres Dorf befindet, welches sogar einen Herrschaftssitz haben soll. In Telouet angekommen, verbrauchten wir gar nicht viel Zeit, sondern stellten die Autos ab und gingen uns das nahe gelegene Dar Glaoui, den Sitz eines der mächtigsten Berberfürsten, des El Glaoui anschauen. Man stelle sich diese Bergdörfer etwa wie Kleckerburgen am Strand, nur mit geraden Wänden vor. Komplett aus Lehm gebaut, kann ich mir irgendwie nicht vorstellen, wie ein solches Gebäude nach einem starken Regenguß noch stehen kann. Aber vermutlich regnet es einfach nicht. Diese Kletterburg, Verzeihung, diese Kasbah war an mehreren Stellen schon eingefallen (da hatte wohl jemand einen Rasensprenger angelassen :-) und wir stiegen über niedrige Mauern und gingen unter märchenhaft weiß blühenden Bäumen (vermutlich Kirschen) durch. Als wir einmal um das Gebäude herum waren, sahen wir den Eingang. Ein Mann öffnete und zeigte uns für 10 Dirham pro Nase das Innere, welches zwar teilweise in miserablem Zustand war, aber die einstige Schönheit und Kunstfertigkeit erahnen ließ. Froh, die einsturzgefährdetete Kasbah auf 2 Beinen und nicht auf einer Bahre verlassen zu haben, machte sich zurück am Auto der Hunger breit. Der sorgte auch dafür, daß die Mehrheit beschloß, sich in der Nähe des Dorfes einen schicken Platz zum Picknicken zu suchen und damit das restliche Tagesprogramm zu streichen. Sehr zum Leidwesen der unterdrückten Minderheit, mir, die zwar auch Hunger hatte, aber einige Stunden brauchte, darüber hinwegzukommen, das berühmte Dorf Aït Benhaddou, welches eines der wenigen UNESCO Weltkulturerbestätten Marokkos darstellt und Filmkulisse zahlreicher Filme war, diesen Urlaub nicht mehr sehen zu können. Denn nun wurde es schon dunkel. Schnüff.

Den Rest des Abends schlichen wir den immer dunkler werdenden Südosthang des Atlas wieder runter und erreichten schließlich so gegen 20Uhr die Provinzstadt Ouarzazate. Ouarzazate ist berühmt für seine Filmindustrie, die auf der Kulisse von besagtem Aït Benhaddou (nochmal schnüff) beruht, und weiterhin dafür, ansonsten absolut uninteressant zu sein. Der erste Versuch eines Hotel erwies sich als eine Mischung aus amerikanischen Motel und Karawanserei und gefiel den meisten auf Anhieb. Zwar war es nicht auf den ersten Blick schön, aber erfüllte die Notwendigkeiten, wie warmes Wasser und saubere Toiletten. Gordon konnte sogar Bier ordern. Beim Erkundungsrundgang entschieden sich die meistens für eine schnelle Rückkehr zu Hotel und Bier; nur Schlabi und ich waren nach den 5000 Serpentinen froh, geradeaus laufen und gucken zu können. Und während Schlabi sich noch einen Döner zubereiten ließ, ließ ich mir die Fresse polieren, ähhh, mich rasieren. Auch wenn der Barbier mit seinen Augen mehr bei dem Afrikacupspiel Elfenbeinküste gegen Hintersambitogoneria war, kann ich mit Fug und Recht behaupten, die beste Rasur meines Lebens bekommen zu haben

Fahrt nach Er Richidia

Um die Pleite von gestern nicht zu wiederholen, hatten wir für heute beschlossen, um 9 Uhr zu rollen. Daher gab es Frühstück um halb 9 mit dem uns schon allseits bekannten süßen Pfeffitee, Honig, leicht ranziger Butter und süßem Gebäck. Und einem Geburtstagskind! Denn nach Karsten am 1.2. hatte heute Schlabi seinen Ehrentag. Das hielt ihn aber nicht davon ab, weiter das zweite Auto fahren. Bei mir setzte sich Gordon hinter das Steuer, so daß ich den heutigen Tag wie ein Papparazzo durch die Scheiben Menschen am Straßenrand fotografieren konnte. Denn Menschen waren hier die interessantesten Motive, sogar noch vor Schluchten und Palmen. Nur war ich noch nie in einem Land, in dem sie sich mehr sträubten, fotografiert zu werden. Daß man fragt, gebietet der Respekt. Daß Marokkaner der Ansicht sind, man würde die Fotos in der Heimat vermarkten und sie müßten daher ein angemessenes Honorar als Model verlangen, sagte mir der Reiseführer. Aber warum die meisten mir schlicht und ergreifend zu verstehen gaben, nicht abgelichtet werden zu wollen, erklärte mir niemand. Vielleicht verlieren Muslimen, wie Indianer und Buddhisten beim Geknipstwerden, ja ihre Seele.

Unsere heutige Etappe führte uns immer an der Ostseite des Atlas’ entlang, 300km bis nach Er Richidia. Der erste Teil heißt Straße der Kasbahs, aber menschliche Ansiedlungen sieht man fast nicht. Nicht mal Pflanzen. Komplette Mondlanschaft. Karger geht es nicht. Steinwüste. Rote Steinwüste. Auf seine Art wunderschöne Steinwüste. Wie bei Koyaanisqatsi. Und mittendrin sitzen Menschen und halten Maulaffen feil. Wir fragten uns die gesamte Tour, was solche Menschen da tun. Die sitzen einfach so in der Landschaft, als ob sie nicht mitbekommen haben, daß ihre Schafherde vor 10 Jahren Seppuku begangen hat, und zählen gelangweilt die Steine. Wenn ich einen Marokkaner in Deutschland treffe, werd ich ihn fragen. Vielleicht ist das ein Beruf? Steinwart? Bevor Marokko in die EU darf, hat Brüssel beschlossen, daß sämtliche Steine Marokkos bekannt und abgezählt sein müssen. Ordnung muß sein. Wer weiß... Auf jeden Fall fuhren wir weiter durch diese karge Land, in dem sogar erste Kamele zu sehen waren, bis wir die Dadès-Schlucht erreichten. Das Wort „Schlucht“ trifft es nicht ganz. Es handelt sich eher um ein Tal des Atlas, was sich zur Steinwüste hin öffnet. Und während wir in dieses Tal hineinfuhren, verstand ich zum ersten Mal, was die Wüstenbereiser mit „Diese Farben,........, die großartigen Farben,......., sowas gibt es woanders nicht.....“ meinten, denn der unbeschreiblich blaue Himmel, bildete mit den roten Steinen, dem satten Grün der angebauten Pflanzen 20m rechts und links entlang des Flußbettes und den weißen Kirschblüten einen Farbkontrast, an dem Fotoshop sich die Zähne ausbeißen würde. Nachdem wir etwa 10km in das Tal hineingefahren waren, machten wir es uns an einer kleinen, selbstgebauten Brücke über den/die Dadès zum Picknick gemütlich. Es gab Fladenbrot mit frischem Olivenöl, Tomaten, Zwiebeln, Kuh- und Schafskäse, Oliven und Paprika. Doch bevor gespeist wurde, hatten Karsten, Gordon und ich die wahnwitzige Idee, die lokale Dorfjugend auf dem Sandplatz nebenan zu einem Fußballspiel herausfordern zu müssen. Daß wir verlieren würden, war ja abzusehen. Aber wie hoch, und daß ich nach 5 Minuten Spiel im Sand schon so fertig sein würde, nicht. Ich schwor, mich ab sofort in der Institutsvolleyballmannschaft in Bremerhaven zu engagieren.

Wenn der Hohe Atlas etwas Schönes besitzt, dann meist gleich mehrfach. Und so ist es auch mit den Schluchten. Die berühmte Todhra-Schlucht befand sich keine 50km östlich unseres Picknickplatzes und so begaben wir uns zurück in die Steinwüste und in Richtung Todhra. Der spektakuläre Teil der Schlucht war für mich der nach kurzem Anstieg sich öffnende Blick auf das Flußbett der Todhra, denn nachdem man wieder viele Kilometer nur roten, kargen Stein gesehen hat, liegt unter einem plötzlich ein Meer von Palmen. Jetzt weiß ich, warum Oasen etwas Wundervolles sind. Der berühmte Teil der Schlucht kam aber erst 10km weiter innen: Der nur ca. 30m breite, aber mehrere 100m hohe Durchlaß. Und natürlich hat sich da wieder ein Hotel direkt an die Felswand gequetscht, um ein Monopol auf Touristen und Monumenteverschandelung zu haben. Wir verabredeten uns eine Stunde später wieder am Auto. Gordon ging einen Kaffee trinken und erinnerte sich an seine Radtour hier herauf vor 5 Jahren. Die anderen Jungs und Nadin wanderten weiter in die Schlucht hinein und Katrin und ich balancierten um die Felder der Einheimischen. Als wir wieder losfuhren, wurde es langsam dunkel und wir hatten immernoch 150km vor uns. Doch die Straße war gut und die entgegen kommenden Fahrzeuge grüßten uns mit Lichthupe. Das lag an den viel zu hohen Scheinwerfern, die sich leider weder von den Armaturen aus (Armaturen gabs praktisch nicht), noch direkt am Scheinwerfer einstellen ließen. Eine halbe Stunde vor Er Richidia hielten wir mitten in der Steinwüste, denn der Nachthimmel ist hier atemberaubend. Nach einigen Polarsternen, Beteigeuzen und aufgeschrammten Knie ging es weiter und bald errreichten wird Er Richidia. Das Hotel hatte große, saubere, billige, aber dunkle Zimmer; ohne Warmwasser zum Leidwesen der Mädels. Wir gingen gleich ausgehungert essen, aber zur Feier von Schlabis Geburtstag als Abwechslung in ein Restaurant. Hier gab es lecker Couscous, Tajine und etwa 40 Marokkaner, die sich auf der Großleinwand das Afrikacupspiel Senenigertanien gegen Kenibotswanistan anschauten. Unseren Jungs wurde das Essen auch fast kalt, aber zum Glück hat irgendwer am Ende gewonnen. Gordon, Schlabi und ich gingen noch eine Runde Billard auf handtuchgroßen Tischen spielen, um dann bald totmüde ins Bett zu fallen.

Fahrt nach Beni Mellal

Zum Frühstück waren alle wieder da im gegenüber liegenden Restaurant, außer dem Fußball, und es war feudal. Kaffee, Tee, Honig, Obst, Saft, Berberomelette, Kuchen..... Nach und nach verließen wir den Tisch: Gordon und Schlabi zum Tanken, Nadin und ich, um auf dem Markt unser Mittag einkaufen zu gehen und Karsten suchte auch irgendwas. Wieder rollten wir später als gewollt, aber heute wußten alle, daß wir vorwiegend einen Fahrtag vor uns haben würden, denn wir müßten ein zweites Mal den Atlas komplett überqueren. Aber dieser zeigte sich wieder einmal eindrucksvoll mit silbernen Pappeln entlang der Bäche, unwirklich gefalteten Felsformationen (die teilweise wie ein Schallplattenregal aussahen) und ein ums andere Mal schneebedeckten Bergkuppen. Und das ganze sieht noch um einiges geiler aus, wenn man nicht selbst fahren muß, sondern gemütlich auf der Beifahrertür sitzend durch die Landschaft „fliegen“ kann. Den höchsten Punkt erreichten wir im Bergdorf Imilchil, welches berühmt für seine alljährlichen Heiratsmärkte ist. Und heiraten in Marokko läuft so. Erstmal muß man als Vater der Braut einen heiratsfähigen Mann finden. Dann handelt man mit dessen Vater ein Brautgeld aus, welchen Existenz per Gesetz vorgeschrieben ist. Dieses Brautgeld steht zu einer Hälfte der Familie der Braut zu, da sie ja eine Arbeitskraft verliert und zur anderen Hälfte der Braut, damit die bei Scheidung, sorry, Verstoßung nicht mittellos dasteht. Leider sind die Brautgelder zurzeit so unverschämt hoch, daß die meisten Männer erst spät heiraten können, daher ist der Standardtrick so: Man heiratet den Bruder der besten Freundin. Diese heiratet wiederum den eigenen Bruder. Dann läßt man sich alsbald scheiden, denn einerseits haben die Familien dabei kein Geld verloren und andererseits darf frau sich nach Verstoßung den Ehemann selbst aussuchen. Nun begibt man sich auf besagten Heiratsmarkt in Imilchil und heiratet ein zweites Mal. Aus Liebe, wie frau annimt, denn nach dem Marktwertverlust durch verlorene Unschuld würde man sowieso nur noch aus Liebe geheiratet werden.

Wir konnten für Nadin leider nicht die erwarteten 12 Kamele erzielen, so nahmen wir sie weiter mit. Zu unserem Picknickplatz 4km außerhalb des Dorfes: Dem Lac Tilsit, dem See der Braut. Dieser glasklare, aber eiskalte Bergsee ist nahezu kreisrund, mit Schilf bewachsen und hat nur ein Gebäude, ein niedliches Hotel ohne Strom oder fließend Wasser an seinem Ufer. Es existiert auch der See des Bräutigams. Er liegt etwa 15km von hier. Dort wurde 1964 per Zufall eine endemische Karpfenart entdeckt, so daß der See sofort zum Totalreservat wurde. Statt Karpfen gabs für uns süßen Tee aus der Pension, Paprika, Tomaten, Käse und in Olivenöl getränktes Brot. Alle Reste fraßen 5 faule, aber hungrig bettelnde Hunde.

Der Nachmittag versprach laut Reiseführer eine üble Piste zu werden. Doch glücklicherweise hatte sich jemand erbarmt und etwas Alphalt darauf gepinselt, so daß die Strecke zwar teilweise immer noch sehr steil und eng war, aber eben rutschfest. Die regenreichere Westseite zeigte das bald durch viele Olivenbäume und der Boden wandelte sich ebenfalls von Geröll und Stein in rote Lehmerde. Der Sonnenuntergang ereilte uns kurz vor verlassen des Atlas’ und wir nahmen den Kampf digital gegen Zelluloid auf. Wir erreichten Beni Mellal kurz nach 20 Uhr.

Keiner von uns konnte sagen warum, aber Beni Mellal ist eine komische Stadt. Irgendwie kraucht einem langsam aber sicher das Gefühl, als wenn man einen billigen Horrorfilm sieht, den Rücken hoch, „Nein, geh da nicht rein. Da lauert was!“, obwohl offensichtlich nichts zu erkennen ist. Okay, daß wir die Autos nur direkt vor dem Hoteleingang parken durften und sich jemand für 20 Dirham die ganze Nacht davor setzte, war schon komisch. Der völlig zugedröhnte Klebstoffschnüffler, der uns die Stadt zeigen wollte auch. Und der Obdachlose mit seinem zahnlosen Grinsen.... aber ansonsten war eigentlich alles wie immer. Wir entschieden uns (ich zumindest aus Geldmangel) für Kebab am Straßenstand mit Coke oder frischem O-Saft. Gordon, Schlabi, Karsten und ich besiegelten den Abend noch mit marokkanischem Rotwein im Hotelzimmer und gegen Mitternacht schlummerte ich friedlich in meinem tollen 2x2m Bett.

Fahrt zurück nach Marrakesch

Kurz hinter Beni Mellal entschieden wir uns, nicht den direkten Weg nach Marrakesch zu fahren, sondern nochmals links abzubiegen und ein letztes Mal den Atlas zu erklimmen. Die Westseite bekommt wesentlich mehr Regen ab als alle anderen und der Aufstieg mit seiner schmalen Straße und den sanften, aber ziemlich steilen Schlängeln, erinnerte mich vielleicht auch deshalb an die Pickupfahrt hoch zum Bokor Nationalpark bei Kampot/Kambodscha. Oben angekommen führte uns die Straße, von ein paar dünnschißbedingten Boxenstops, zum einstmals größten Stausee Marokkos. Daher wird er auch vom Militär bewacht. Aber durch erhöhten Wasserverbrauch war der Wasserstand des Sees so extrem gering, daß Backpacker an einem Ufer zelteten, welche vor 5 Jahren noch 10m tief unter Wasser gelegen hatte. Stephan gewann den Steinchen-flippen-Wettbewerb durch größere Erfahrung und bessere Technik und Katrin förderte teils undefinierbare Molluskenüberreste zu Tage. Unsere Mittagspause legten wir eine Stunde später in Azilal ein, wo gerade Markttag war. Hier bekam ich auch selbst produziertes Olivenöl (lecker) in der Plastikwasserflasche und als Richard und ich 2 Döner für 25 Dirham bestellten, standen wir kurze Zeit später mit 4 Dönern da. Also waren Schlabi und Karsten auch versorgt. Eigentlich hatten wir nur kurz stoppen und uns dann gleich zu den nahe gelegen Ouzoud-Wasserfällen begeben wollen. Dort angekommen, zeigte sich erst einmal, daß Karsten und ich Höhenangst haben, denn an den Rand der durchaus spektakulärern Fällen konnten wir beide nicht treten. Die noch Hungrigen machten Picknick und ich derweil schlenderte durch den über der Klippe gelegenen Ölbaumwald. Sicherhaltshalber riefen wir, nein eigentlich Richard, denn sonst sprach niemand von uns franzmanisch, die Autovermieter an, bis wann wir heute die Töfftöffs in Marrakesch zurückgeben konnten und erfuhren mit Schrecken: 19Uhr. Eigentlich war ich froh, daß mich kurz vorher Stephan überredet hatte, von mir das Steuer zu übernehmen, so daß die von Katrin bei unserer folgenden, 150km nicht unter 80km/h währenden Paris-Dakar-Rallye, ausgestoßenen Flüche zwar meinen Namen trugen, aber mich nicht trafen. Aber Stephan machte seinen Job gut. Nur hatte er für meinen Geschmack etwas zuviel Spaß dran, LKWs im dritten Gang mit 120km/h zu überholen. Zum Glück war die Straße nun aber fast schlaglochfrei. Ihr vermögt es nicht zu glauben, aber wir erreichten exakt 18:59 die Autoverleiher als diese sich gerade erhoben und bettelten, sie mögen noch auf Schlabi warten, der, durch Tanken aufgehalten, erst 20min später eintraf. Puh, die Wagen waren ohne Beanstandungen zurück an ihre Besitzer gegangen und ich ? .....Ich hatte meinen Schlafsack im Kofferraum liegen lassen. Shit. Also kurz das grad entgegen genommene Auto „von Schlabi“ nochmal anhalten und mich zu dem anderen Auto bringen zu lassen. Dann folgte ein Gewaltmarsch durch Marrakesch bis in unser für heute vorbestelltes Hostel mit dem typisch arabischen Namen „Casa del Sol“. Die Zimmer waren neu eingerichtet mit bequemen Doppelstockbetten, aber ohne Schlüssel für die Zimmertür. Mir war’s egal. Ich war fertig. Das merkte ich spätestens daran, daß ich beim Betreten der Dachterrasse um ein Haar durch das Glasdach des Hostels 4 Stockwerke nach unten gekracht wäre, wenn Katrin, Nadin und Richard mich nicht noch rechtzeitig zu fassen bekommen hätten. Danke nochmal. Daraufhin setzte ich mich mit einem Buch auf die Terrasse und erfreute mich an der nächtlichen Silhouette Marrakeschs und an den über dem Djemaa El Fna aufsteigenden Staubwolken, in denen sich das Licht fing, während die anderen durch die Nacht streiften, um ihr letztes Geld loszuwerden.

Der Rückflug

Der Wecker klingelte erbarmungslos früh: 6:45. Gefühlte Zeit: 4:15. Außer für Gordon, der einen späteren Rückflug nach Weeze gebucht hatte. Doch das Bestehen der Mädels, ohne ordentliche Verabschiedung nicht losfliegen zu können, führte auch bei Gordon zu einem total mufflig-verpeilten Gesichtausdruck. Ich duschte in der einen (von zwei) Gemeinschaftsduschen des Hostels, die man abschließen konnte. Dafür hatte man sie direkt über einem orientalischen Klo angebracht. Vermutlich um Platz zu sparen. Doch wozu man eine Steckdose direkt unter dem Duschhahn angebracht hatte, fand ich zu derart früher Zeit nicht heraus. 2 Taxis brachten uns zum Flughafen und die Ausreise verlief geringfügig schneller als die Einreise.

Doch wie auf dem Hinflug flogen wir auch diesmal nicht direkt nach Berlin, sondern hatten Aufenthalt in Mailand. Mailand/Malpensa. 8 Stunden. Und Mailand/Malpensa ist ähnlich nah an Mailand, wie Frankfurt/Hahn an Frankfurt. 80 Kilometer. Das Gepäck konnte man nur in Terminal 1 aufbewahren (wir landeten und flogen natürlich von Terminal 2) und der Bus nach Mailand fuhr alle 2 Stunden; von Terminal 2. Achso, und der Bus zwischen den Terminals fuhr unregelmäßig etwa 3x die Stunde. So entschieden wir uns gegen Mailand und bestiegen stattdessen (bis auf Karsten, der einfach nur ein Buch zu Ende lesen wollte) im T1 einen Regionalzug in die nächste Stadt: Saronno. Insgesamt hatten wir gute 3 Stunden Zeit hier und ich muß zugeben, die Stadt gefiel mir besser als erwartet. Schöne alte Gebäude mit Arkaden, Pizza nach Grammpreis beim Bäcker, Gran Pandano im Angebot im Supermarkt und Karneval auf dem Kirchplatz. Kinderkarneval um genau zu sein. Und das heißt, man stecke Kinder allen Alters in lustige bis lächerliche Kostüme, drücke ihnen Konfetti und Spraydosenspaghetti in die Hand und schaue ihnen in aller Seelenruhe zu, wie sie sich gegenseitig erstklassig einsauen, während man sich mit den Voltarellis von nebenan über Luigis neues Auto und die letzten Taten Romano Prodis unterhält. Ich sag euch, das strahlt Entspannung aus. Später tranken wir noch Kaffee und Rotwein in einem Café, was auf den ersten Blick auch eine Apotheke von der Jahrhundertwende hätte sein können. Und die charismatische Frau hinter der Theke erinerte mich stark an die Chefin von Amelie Poulain.

Der Rest des Tages verlief unspektakulär: Mit dem Zug zurück zum Flughafen, Gepäck holen, mit dem Bus zum Terminal 2, einchecken, 1 ½ Stunden über den nächtlichen Wolken Mitteleuropas bis nach Schönefeld, wo uns schon Stephans Vater und Anne erwarteten, um uns abzuholen. Ich war zufrieden aber fertig. Und ich muß zugeben, es diesmal mit der Reisegeschwindigkeit etwas übertrieben zu haben. Gordon, Schlabi und ich hatten schon die letzten Abende beschlossen, die Reise durch den hohen Atlas nochmal gemütlich mit viel Zeit im Gepäck und auf dem Rücken geländegängiger Feuerrosse, sprich Moppets, noch einmal zu machen. Ich vermisse jetzt schon die Landschaft, die Gerüche und den eigentlich viel zu süßen Pfeffitee.
Ich bin jetzt immer noch voll von Eindrücken, von denen ich noch lange zehren werde. Allen, die es bis hierhin geschafft haben und immer noch wach sind, wünsch ich hiermit noch eine schöne Nacht und hoffentlich bis bald mal wieder zu einem Tee oder einer Flugreise. Laßt es euch gut gehen!

Carpe noctem,

Euer Stefan