Morz und wie er die Welt sah...

Sonntag, Februar 03, 2013

„Das Ende vom Lied“ – Copán und Heimweg (22.-26.01.2013)



Der nächste Morgen begann recht früh. Wir wollten den einzigen Bus nach Guatemala City bekommen und der fuhr um 6 Uhr vom Busbahnhof ab. Am Busbahnhof angekommen erfuhren wir, dass er schon um 5.30 fuhr und bereits heillos überfüllt war. Aber es gab noch eine weitere Busgesellschaft (Hedman Alas), die mit Luxusbussen um 10.20 diesselbe Strecke fahren würde. So lange wollten wir nicht warten und stiegen in einen „Chicken Bus“ genannten, recycleten USA-Schulbus, der uns erst einmal nach La Entrada brachte. 
Wir hatten viel Platz und Jimmy legte sich auf die Rückbank, um einen Film aufm Notebook anzuschauen. In La Entrada erwischten wir dann einen Collectivo nach Copán Ruinas, der Grenzstadt nach Guatemala und der einzigen, weil südlichsten, Mayastadt Honduras’. Wir bekamen zum Glück Sitzplätze, denn der Bus füllte sich langsam und stetig an jedem Haus, an dem wir vorbeifuhren. Und er füllte und füllte sich, so dass selbst die Einheimischen am Ende bei jedem Halt schrien, dass keiner mehr hinein passte. Aber zum Glück fuhren wir nur 2 Stunden, bevor alle wieder aus dem Bus purzelten, ihre geschundenen Glieder rieben und versuchten, den Achselhöhlengeruch aus der Nase zu bekommen. Jimmy war ziemlich fertig und ich hatte mir durch das Tauchen ein entzündetes Ohr zugelegt, so dass wir beschlossen, hier in Copán unsere letzten Tage der Reise zu verbringen. Und außerdem regnete es hier nicht.
Copán Ruinas ist ein kleines schnuckeligs Dorf, auf einer Anhöhe gelegen, mit alten, sehr steilen Kopfsteinpflasterstraßen, geschäftigen, aber doch Ruhe austrahlenden Menschen und Gassen und anscheinend zwar auf viele Touristen ausgelegt (jedes zweite Haus ist ein Hotel oder Restaurant), aber es schien an diesen derzeit zu mangeln. Wir suchten uns ein nettes Hotel raus, brachten die Wäsche zum Waschen und gingen erst einmal essen. In der Siesta danach schlief ich fast bis zum Sonnenuntergang und so nutzten wir die englische Redewendung: „Let’s call it a day!“ Ich fragte den alten Besitzer des Hotels, ob es in der Stadt eine Massage gäbe und er telefonierte etwas rum. 
Er fand jemanden, und bis dieser Jemand mich vom Hotel abholen würde, schlenderten René und ich durch die abendlichen Gassen der Stadt, den Duft von gerösteten Maiskolben in der Nase. An der Dorfplaza trafen wir Guy, einen reisenden Kanadier in Rente, der an uns sein Deutsch ausprobierte und allen Leuten „Hug Coupons“ in die Hand drückte. Er machte uns auch auf einen gewissen Thomas aufmerksam, der vor Jahren nach Copán auswandert war und hier nun seine Kneipe mit selbst gebrautem Bier versorgte. Wir beschlossen, Thomas morgen Abend zu besuchen. Um 19Uhr wurde ich im Hotel abgeholt. Der Massagejemand hieß Luisa, war 27 Jahre alt und ausgesprochen hübsch. Sie führte mich links, rechts, irgendwohin, wo das Rote Kreuz, für das sie arbeitete, ein paar Räume angemietet hatte. Darin stand eine Massageliege; sie zündete Kerzen an, und vertrieb mit ihren heilenden Händen auf meinem Rücken die Ohrenschmerzen.

Für den heutigen Tag war der Besuch der Mayastadt Copán angedacht. Diese Ruinenstadt liegt ca. 1,5 Kilometer vor dem Dorf und ist auf große Reisegruppen vorbereitet. Es gibt Guides in jeder Sprache, die sich am Eingang anbieten, Preise nur Dollar und eine eigene Polizeistation, aber auch eine große Übersichtskarte der Verbreitungsgebiete der Maya und eine Modell der antiken Stadt Copán. Und da außer uns vielleicht noch 10 Touristen diesselbe Idee hatten wie wir, wurde es ein sehr entspannter Bsuch. Nach dem Eingangshaus führt eine kleine, offene Allee etwa 600m in den Wald hinein zum eigentlichen Eingang in die Ruinenstätte. Auf dem Weg hörten wir immer wieder die Rufe großer Vögel! Fast wir Aras, die Jimmy und ich auf einer anderen Reise im Amazonasgebiet gesehen hatten. Doch die meiden den Menschen gewöhnlich tunlichst. Aber es waren Aras! Etwa 10 prachtvolle Exemplare dieser schönen, großen Vögel, die aussehen, als ob der oberste Mayagott sie in all die Farben getunket hatte, die nach der Schaffung der Sonne, des Meers und der Feuerwehr noch übrig hatte. 
Es gibt in der Nähe von Copán eine Aufzuchtstation für Aras, die hier in Copán ausgewildert werden sollen. Was für eine herrlich Stimmung, von kreischenden Aras überflogen, die sich zwischen den Bäumen öffnende Fläche des Hauptplatzes von Copán zu betreten. In den vergangenen Wochen hatten andere Reisende immer wieder betont, dass, wenn man Tikal erlebt hatte, Copán nur langweilig sei. Das stimmt ganz und gar nicht. Auch wenn Copán nicht mit den riesigen, aus dem Dschungel ragenden Pyramiden Tikals konkurrieren kann, kann man ihre Größe und Wichtigkeit durchaus ermessen. Der Ballspielplatz am Rand der Gran Plaza, an dessen Araköpfen es vor 1300 Jahren für die Spieler um Leben und Tod ging, ist exzellent erhalten. Ebenso wie viele Stelen mit Reliefs der Mayakönige Copáns -  mit so herrlich furchterregenden Namen wie „Seerose-Jaguar“ und „18 Kaninchen“. Die Gran Plaza wird von einigen monumentalen Tempeln begrenzt. Auf dem einen Tempel ist das Glanzstück von Copán unter Regenplanen verborgen: Die Hieroglyphentreppe. 
In jede Stufe sind aufwendig historische Ereignisse und die Genealogie der Copán-Mayas in die Steine geschnitzt. Leider haben die ersten Archäologen vor 100 Jahren die Treppen bis auf die ersten 15 Stufen abgetragen und auf der Gran Plaza „sortiert“, wie die Stufen am besten passten. 30 Jahre später kamen andere Archäologen, dachten, die Stufen liegen in ihrer natürlichen Ordnung und zementierten sie wieder auf den Tempel. Leider ist der Beton heute fester als die Stufen selbst, so dass man nur per Fotographie versuchen kann, das grandios arrangierte Puzzle der Stufen zu lösen. Auf einigen anderen angrenzenden Tempeln stehen immer noch die riesigen Ceiba-Bäume die die Tempel mit ihren kräftigen Ästen überragen und der ganzen Ruinenstadt etwas Majestätisches geben. 
Copán ist größer, als es gemeinhin den Anschein hat. Man kann neben der Gran Plaza auch Wohngebäude der Aristrokratie und Herrschaftsgebäude besichtigen. Und dabei sind erst ca. 20% der Stadt ausgegraben. Wie auch Tikal ging die Stadt am Ende des 9. Jhd. durch vom Menschen zu stark veränderte Landschaft unter und der Dschungel holte sich den Boden zurück. Direkt neben der Ruinenstadt Copán befindet sich das Skulpturenmuseum, welches um einen Tempel herum gebaut wurde. Hier befinden sich die Originale vieler Stelen und Altäre, die mit so wunderbarer Reliefarbeit versehen sind. Allein der Eingang zum Museum lohnt den Besuch. Man betritt es durch den Bauch einer Schlange und gelangt so in die Unterwelt.
Wieder aus dem Museum heraus, liefen wir zurück ins Dorf, um uns dann erschöpft in die Hängematten des Restaurants mit dem schönen Namen „Vamos a ver“ bei Tomatensuppe und Ananasshake fallen zu lassen. Einige Stunden später machten René und ich uns noch auf, nach einigen schönen Souvenirs zu stöbern, während Jimmy sich für eine Siesta entschied. Copán und die umliegenden Dörfer stellen exzellente Holzarbeiten aus schönen und teilweise vielfarbigem Holz, wie Eisen-, Rosen- oder Magoholz her. Da konnte ich nicht widerstehen und mußte mir ein paar kleine Arbeiten ins Gepäck stecken. Auf dem Weg zurück ins Hotel entschlossen sich René und ich, doch mal zu schauen, wo besagter Thomas seine Kneipe habe. Wir fanden sie recht schnell, weil uns Einheimische ungefragt und dezent den Weg wiesen. Thomas hatte gerade Bier gebraut, dunkles Weizen und Schwarzbier, und so setzten wir uns an die aus Ulm importierten Kneipentische vor den Tresen, unterhielten uns mit Thomas und ließen uns Bier nachschenken. 
Es gesellten sich immer mehr Menschen zu uns. Ein Amerikaner, der auf der ganzen Welt nur von Brauerei zu Brauerei reist, dann kam der umarmungswütige Guy zu uns und schließlich einige Zyprioten auf Weltreise. Das Bier lief gut, nur unterbrochen von einer selbstgeschlachteten Wurst mit schwäbischem Kartoffelsalat, so dass ich nach 2 Stunden nochmal in die Stadt torkeln mußte, um unsere 10 Bier bezahlen zu können. Der Weg zurück zum Hotel führte zum Glück nur noch bergab, so dass wir ihn trotz der Kurvenschuhe gut bewältigen konnten.

Heute würde unser letzter Tag in Honduras werden. Am Morgen ging es mir gar nicht mal so gut. Aber wir standen früh auf, um um 8Uhr am Mariposario etwa 500m vor dem Dorf zu sein. Als wir das Dorf durchquerten, fing der verhasste Regen, dem wir vor ein paar Tagen entkommen waren, nun auch hier an zu fallen. An einer Ecke suchten 3 Frisöre nach Kundschaft, und da mein Gemüse im Gesicht schon wieder recht weit gediehen war, setzte ich mich zu ihnen auf den Stuhl. Die Jungs warteten netterweise auf mich, obwohl die Rasur am Ende deutlich länger gedauert hat als vermutet, da der Barbier sehr gründlich war und mir mit dem Messer auch noch die Ohrenhaare stutzte und die Nasserhaare schnitt. 
Um 8.30 erreichten wir dann schließlich das Mariposario. Mariposa bedeutet Schmetterling und hier werden sie gezüchtet. Nur leider war wegen der Jahreszeit und dem bedeckten Himmel fast kein Schmettling bereit, seinen warmen Cocon zu verlassen und quietschvergnügt  durch die Blumen zu  flattern. Dafür bekamen wir strahlend bunte Blüten und brilliant schimmernde Cocons zu sehen. Zurück im Dorf schnappten wir unsere Sachen und bezogen unsere Basis im laut Lonely Planet besten Restaurant für gegrilltes Fleisch in Copán, um auf die Abfahrt unseres Busses zu warten. Wir waren die einzigen Gäste und auch die Küche hatte nur die Basisaustattung, in der anscheinend touristenarmen Zeit. Lecker war’s trotzdem und so spielten wir, immer wieder von Puten, Papageien, Kolibris und Küken besucht, die letzten 3 Stunden in Honduras Skat.
Gegen 14 Uhr bestiegen wir unseren Bus nach Guatemala City. Er war von der Firma Hedman Alas und damit ein Luxusklassebus, klimatisiert und nicht mal zu einem Drittel besetzt. Und so machten wir es uns bequem, die Aus- und Einreise verlief unspektakulär, und schliefen und lasen die 5 Stunden nach Guatemala-Stadt. Jimmy verfolgte unsere Fahrt per GPS und stellte fest, dass wir oft durch kleinste Dörfer mitten in der Pampa fuhren, statt die offensichtliche Route auf der Autobahn zu nehmen. Vermutlich ist das die Taktik des Unternehmens, nächtlichen Angriffen zu entgehen, denn andere Busunternehmen fahren aus diesem Grund überhaupt nicht in der Nacht. Der Bus war auf die Minute pünktlich in Guatemala City und René hatte schon eine Unterkunft für uns herausgesucht: das Spring Hotel. Der zuvorkommende Portier in Butlermanier gab uns ein riesiges Zimmer am Innenhof des kolonialen Herrschaftsanwesens. Jimmy blieb gleich hier, aber René und ich wollten uns noch etwas Guatemala Stadt anschauen. 
Nach einem Spaziergang durch die leicht bevölkerte Straßen der Stadt ließen wir uns in einer Kneipe nieder, die dem alten „Archiv“ nicht unähnlich war. Sie hieß „Route 666“, es gab nur Bier, im Fernseher lief „Planet Terror“ und aus den Lautsprecher sorgte entspannter Trash Metal für das Ambiente. Eine super Kneipe, um sich den letzten Abend in Zentralamerika um die Ohren zu schlagen. Irgendwann stieß ich mit dem Typen links neben mir an der Bar an. Er hieß Giorgio, kam aus Italien und sprach kein Wort Spanisch oder Englisch. Das erste Mal auf der Reise hatte ich ein Kommunikationsproblem. Doch nach 2 Bier fühlten wir uns auch im Italienischen wohl.

Der letzte Tag unserer Reise begann mit einem Stadtrundgang durch Guatemala. Wir hatten noch 3 Stunden Zeit, bis wir am Flughafen sein mussten und so gingen wir in die Kathedrale, an deren Außenwand die Namen von Tausenden Menschen stehen, die während der 30 Jahre Bürgerkrieg durch die Regierung hingerichtet wurden, über den Zentralmarkt, der eben erst erwachte und in dem wir in einem der kleinen Restaurants lecker Mittag aßen und durch die Straßen der Stadt. Am meisten beeindruckten mich die inspirierenden Graffitis, die an vielen Stacheldraht bewehrten Mauern prangen, egal, ob sie linksradikale Sprüche sind oder pazifistische Kunstwerke. Um 11 Uhr ging es dann zum Flughafen und gedanklich verabschiedeten wir uns von fast einem Monat in Zentralamerika, mit all seinen vielen Erlebnissen, Emotionen und Eindrücken. 
Zurück ging es nicht über Panama, sondern mit AeroMexico über Mexico-Stadt. Jimmy bereitete uns darauf vor, dass eine Landung in D.F.,  genau wie in den USA, eine Einreise zur Folge haben würde. Da Jimmy und ich aber keinen Bock auf 7 Stunden Aufenthalt in Mexico D.F. mit vollem Reisegepäck hatten, ließen wir es einfach auf dem Band liegen. Es war ja durchgecheckt. Mir war am Vorabend im Spring Hotel ein Reiseführer über Mexico in die Hände gefallen und so hatte ich herausgefunden, dass man das Stadtzentrum von D.F. ebenso wie das von Guatemala City trotz des schlechten Rufs durchaus betreten durfte. Gesagt, getan. Denn auch Jimmy war trotz seiner häufigen Besuche des Landes noch nie in der Stadt gewesen. Also: Geld holen, Renés Gepäck einschließen und mit Bus und Metro ab in den 20-Millionen-Einwohner-Ort. Ich war zwar noch etwas groggy vom Vormittag ,wie wir alle, aber wenn ich etwas kann, ist es, mich an unbekannten Orten schnell zurecht zu finden. 
Wir fuhren mit der Metro ca. 1h bis zur Kathedrale der Stadt. Anscheinend hat Mexico mit einer hohen Analphabetenrate zu kämpfen, denn die Metro besitzt ein unglaublich leicht zu verstehendes System, bei dem jeder Haltestelle Piktogramme zugeordnet sind. Wir fuhren also vom „Flugzeug“ bis zur „Pyramide“, stiegen dann in die grüne Linie in Richtung „zwei Adler mit Wappen“ um, fuhren damit bis nach „Mann, der nach links schaut“, um hier die letzten 3 Stationen in Richtung „Viertelmond“ bis zur Station des Wappens von Mexiko („Adler, der eine Schlange frißt, die sich auf einem Kaktus auf einer Insel in einem See kringelt“, kein Witz, das Wappen ist wirklich so). 
Und schon erstrahlte vor uns die Kathedrale von Mexico im herrlichsten Abendlicht. Rings um die Kathedrale hatten sich allerlei Volk niedergelassen, die den Eindruck erweckten, heute sei der „Tag der Gesundheit“ gefeiert worden. Es gab Zelte, in denen man sich kostenlos untersuchen lassen konnte, LKW-Anhänger, die über populäre Krankheiten aufklärten und haufenweise „brujas“, die deinen Gesundheitszustand aus dem Rauch bestimmter Pflanzen lasen. Das Innere der Kathedrale war überaus prachtvoll und es schienen gleich mehrere Tonnen Gold verarbeitet worden zu sein. Man konnte allein an dieser Kirche sehen, dass Mexico in der Geschichte für die Spanier ungleich wichtiger war, als Guatemala und Honduras zusammen. Nur stand die Kathedrale irgendwie schief. 
Zum Altar ging es schräg bergauf und auch das riesige Foucaultsche Pendel im Altarraum zeigte nicht mehr so richtig auf den Mittelpunkt der Markierung. Auch die anderen Gebäude des Zentrums dieses 120-Millionen-Staates waren vergleichsweise groß, prunkvoll und herrschaftlich. Wir schlendertn etwa 2 Metrohaltestellen weit, vorbei an Zauberern und einer blinden Band bis wir am 5. Postamt der Stadt wieder unseren Rückweg antraten. Selbst die überaus langen Umsteigewege zwischen den Metrolinien sind schön gestaltet, mit Schautafeln über mexikanische Kulturpflanzen, deren Geschichte und Anbau, oder auch der Entstehungsgeschichte des Universums. 
Nur war die Metro auf der Rückfahrt ungleich voller. Am „Kühlergrill mit Halbmond“, schafften es nur René, Jimmy und Teile seines Rücksacks in die Metro, so dass wir uns erst am „Mann, der nach links schaut“ wiedertrafen. Aber auch am „Mann, der nach links schaut“ gestaltete sich das Einsteigen schwierig, da der Eingang zum Bahnsteig werktags zwischen 14-21 Uhr nur von Frauen und Kindern betreten werden durfte. Die Männer quetschten sich derweil an ein geschlossenes Tor, als ob da gleich das IPhone 5 kostenlos ausgegeben werden würde. Nachdem die Frauen ihren Teil des Zuges betreten hatten, wurde das Männertor kurzzeitig geöffnet und alle Kerle prügelten sich zu den wenigen verbleibenden Metrotüren durch, als ob es das letzte Rettungsboot auf der Titanik wäre. Nach diesem System hatten es die Frauen in ihren Waggons sehr bequem, und bei uns war alles voll. Aber wir kamen am Ende doch noch zum Flughafen. Dort holten wir Renés Gepäck, fuhren mit dem Skytrain zum anderen Terminal und bestiegen unseren Doppeldecker, die 747-400, die uns zurück nach Europa bringen sollte.

Dank des anstrengenden Tages und zweier LMAA-Tabletten schlief ich fast bis Amsterdam durch. Dort angekommen, flitzten wir zu unserem Gate und erledigten noch den letzten Hüpfer nach Berlin. Naja, zumindestens für René war es der letzte Hüpfer. Dort erwarteten uns meine Mutter (ich war sehr glücklich über den dicken Pullover), Nicki, ihre Kinder und das Gepäck von René und Jimmy. Nur meines war nicht mirgekommen. Und während meine Mutter und Jimmy sich dankenswerterweise um das verlorengegangene Gepäck kümmerten, bestieg den vierten und letzten Flieger meiner Reise in Richtung München. Es wäre etwas schneller gegangen, wenn nicht der Typ vor mir (irgend so ein Moderator einer Gebrauchtwagensendung im TV) sich nicht so angestellt hätte, als wäre er das erste Mal im Leben auf dem Weg in ein Flugzeug. Am Ende kam ich erschöpft zu Hause an und war schon auf der Couch eingeschlafen, bevor ich mir die Jacke ausziehen konnte. Und so träumte ich von quakenden Tukanen, bunten Fischen und undurchdringlichem Urwald, durch den steinerne Tempel herausragen, während draußen Schnee leise fiel....

Mit allen Wassern gewaschen – Utila (18.-21.01.2013)


Liebe Freunde,

seit gestern Abend bin ich nun zwar schon wieder zurück in der Kälte von München, doch möchte ich versuchen, euch die letzte Woche unserer Reise zu beschreiben. Über den nächsten Tag, Freitag, den 18.01., gibt es eigentlich nich viel zu sagen. In der Nacht hatte es angefangen zu regnen. Und es regnete die ganze Nacht durch. Das fühlte sich so bitterkalt an, dass ich immer wieder wach wurde, um mir erst ein Hose, dann Strümpfe und schließlich die Fleecejacke anzog, um nicht als Gletscherleiche zu enden. Am Morgen regnete es immer noch Strippen und aufgrund der Windstärke 6-8 entschlossen sich die Dive Instruktoren, heute nicht tauchen zu gehen. Rene und Jimmy machten noch etwas Theorie und ich fand das Internetcafé der Insel, um euch einen Reisebericht zu geben. 
Um es kurz zu machen, der Regen hielt 3 Tage an. Und zwar 24 Stunden am Tag. So etwas haben ich in den Tropen noch nicht erlebt. Am Anfang war es schön, mal eine erzwungene Pause zu haben, um lesen und Berichte schreiben zu können. Doch spätestens nach 2 Tagen war die Feuchtigkeit in alle Klamotten gekrochen, so dass nicht nur meine Regenjacke langsam anfing, nach gestocktem Wasser zu riechen, sondern auch alle „frischen“ Sachen klamm bis feucht waren. Da auf dieser Tauchinsel keiner etwas vernünftiges im Haus länger als 2 Tage machen konnte, füllten sich auch die Kneipen der Insel zusehens. Meist schon ab 10 Uhr. Wir gingen einfach jeden Tag früh zur Tauschschule und fragten, ob es heute Tauchgänge geben würde: „Vielleicht am Nachmittag. Kommt mal gegen 12Uhr wieder vorbei.“ Dann: „Der Wind ist nicht abgeflaut. Aber morgen tauchen wir bestimmt!“ Und so tranken wir Shakes bei Mama Neity nebenan oder machten gar nichts. Langsam ging uns auch das Geld aus, denn Rene und mir sagte der Geldautomat der Insel entweder: „insufficient funds“ oder dass er nicht mit unserer Bank zusammenarbeiten wollte. Jimmy bekam zwar Geld, aber nur exakt soviel, dass wir unsere Tauchkurse bezahlen konnten. Und so kratzten wir am Samstag unsere letzten 200 Lempiras (ca. 8 Euro) zusammen, kauften Weizentortillas, Mortadella, Käse, Tomaten und Wasser und bereiteten uns in der Küche unseres „Hostel“ ein leckeres Abendbrot, dass wir romantisch mit Kerze bei Regen verschnabulierten.
Ein paar Tage zuvor hatte ich gesehen, dass es heute einen Trashfilm im Inselkino geben würde. Und da ich später am Abend den Inselautomaten durch einen Trick endlich doch davon überzeugen konnte, mir etwas Geld herauszurücken, gingen Rene und ich durch den Regen ins Kino. Das war toll eingerichtet. Es liegt über der örtlichen Videothek und ist mit selbstgebastelten Sesseln für ca. 50 Personen ausgerüstet. Der Inhaber, ein Brite, zeigte erst zur Feier des Tages einen Bugs Bunny Vorfilm, in dem es die ganze Zeit regnete und dann einen genialen Dreiminüter, der als Zombiefilm auf der Insel gedreht wurde. Der Hauptfilm war dann richtig schlecht – was aber auch beim 2012er Remake eines schlechten Trashfilms von 2007 des Namens „Outpost“ zu erwarten war, in dem eine Eliteeinheit der SS zu Zombies umfunktioniert wurden, um von einem Bunker in Jugoslawien aus die Weltherrschaft an sich zu reißen. Am Ende wurden die unverwundbaren Nazizombies aber besiegt, die Welt gerettet – nur der geniale böse Wissenschaftler Dr. Klausener war noch auf freiem Fuß. Wir können uns also auf eine Fortsetzung freuen.
Sonntag schließlich dann beschloß Thomas dann, dass wir aufgrund der uns wegrennenden Zeit auf jeden Fall tauchen gehen würden, um unsere Ausbildungen abzuschließen. Am Vormittag waren wieder Jimmy und Rene dran und weil das Boot nicht fahren wollte, fuhren sie mit dem Tuktuk in voller Montur (man, hätte ich das gerne gesehen) zum nahe gelegenen Strand, um von dort ins Riff zu schwimmen und zu tauchen. Am Nachmittag hatte sich ein Kapitän für das Tauchboot gefunden – Steve, der Mann von Tara und seines Zeichens Baumschubser aus Manitoba. Bruno (Kanada), Pawel (Cz), Thomas, Ernesto (Dive Instruktoren) und ich hockten uns in die Nußschale und versuchten, bei hohem Wellengang und einigen Brechern, die uns überspülten, die Neoprenanzüge anzuziehen und die Tauchausrüstung fertig zu machen. Unter Wasser ging es dann besser. Als erstes stand bei mir heute „Peak Performance Bouyancy“ auf dem Programm. Und zu dem Programm gehörte es, unter Wasser für mindestens eine Minute auf der Stelle zu schweben (klingt einfacher, als es ist), das gleiche dann im Kopfstand und dann auf dem Boden aufgestellte Gewichte nur mit dem Mundstück umzuschubsen. 
Am Ende mussten wir noch einen Parcour absolvieren, bei dem wir durch Tore schwimmen mußten, ohne die Flossen zu benutzen, sondern nur durch die Atmung tariert. Wir hatten in dem dunklen, aufgewühlten Wasser ein Stück Sandboden gefunden, auf dem es sich herrlich üben ließ. Nur fand den auch ein kleiner Stachelrochen so gemütlich, dass er es gar nicht einsah, zu verschwinden, bloß weil so ein paar schwarze Robben bei ihm vor der Tür Kunststücke aufführen müssen. Und so schwamm er immer wieder dicht an uns vorbei, beäugte uns irritiert und leicht angesäuert, weil wir alles aufwirbelten und hoffte, dass wir bald verschwänden. Als wir das auch taten, fand ich das eine saudoofe Idee, denn über Wasser herrschte schwerer Seegang. Nach einigen Minuten an Bord froren wir alle sehr aufgrund des Windes. Ich mußte Thomas sehr bald sagen, dass ich auf die Oberflächenpause scheiße und wenn wir nicht in 5 Minuten wieder im Wasser sind, ich keinen zweiten Tauchgang machen kann und stattdessen die Fische füttern gehe. Wieder unter Wasser blieb mir glücklicherweise die Erfahrung erspart, die theoretisch möglich sein soll: duch den Regulator kotzen zu können. Stattdessen übten wir Orientierungstauchen. Mit dem Kompass ein Quadrat schwimmen und Entfernung einzuschätzen. Da wir aber noch genug Luft und keine Lust auf die Oberfläche hatten, gingen wir noch eine halbe Stunde Fische schauen. Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass man heute aufgrund des schlechten Lichtes viel dichter an die Fische herankam. Und so beobachtete ich Feenbarsche und Doktorfische. Und erschrak dann heftig, als sich der Stein vor meiner Maske plötzlich in eine Höhle zurückzog. Thomas sagte mir später, dass es sich bei dem Tier (mit ca. 30cm Körperdurchmesser und ca. 1m mit Beinen) um eine Königskrabbe gehandelt habe. Ich habe noch nie ein so großes Krustentier unter Wasser gesehen und mir ging richtig die Muffe. Zurück an Bord warte jeder frierend darauf, dass wir endlich wieder festen Boden unter die Füße bekommen würden. Auch unser harter Freund aus Manitoba sah inzwischen sehr grün im Gesicht aus. Nachdem die Ausrüstung gesäubert war und ich endlich trockene Klamotten am Leib hatte, dauerte es noch geschlagene zwei Stunden, bis ich meine Innereien davon über konnte, dass der Boden nicht mehr schwankte.
 

Am Montagmorgen hielt sich das Wetter leider nicht an die Vorhersage, denn es regnete immer noch. Nur hatte der Wind nachgelassen und so gingen Jimmy und ich erstmalig gemeinsam an Bord, um unsere zwei kostenlosen Fun Dives zu absolvieren (Rene hatte sich einen arglistigen Husten eingefangen und blieb daher an Land). Das Licht unter Wasser war zwar immer noch muschebubu und spektakuläre Tiere haben wir auch nicht gesehen, aber Spaß gemacht hat es trotzdem. Jimmy schnuffelte in 25 Minuten all seine Luft weg und mußte am Ende durch den Instruktor beatmet werden, aber wie sahen Nacktschnecken, Seespinnen und ergötzten uns an der tollen Unterwasserwelt mit vielen Aquariumfischen und Korallen. Wieder an Land, hieß es schnell die Rechnung machen, Sachen packen, Mittag essen, um um 14 Uhr die seit gestern wieder fahrende Fähre von der Insel zu nehmen. Trotz des Seegangs ging es uns inzwischen erfahrenen Seebären erstaunlich gut, als die Fähre am Festland anlegte. Wir hatten uns für heute vorgenommen, so viel wie möglich Strecke in Richtung Guatemala zu machen, um die letzten Tage noch an einem gemütlichen Ort ohne Regen zu verbringen. Leider kamen wir nur bis San Pedro Sula, wo wir nur noch mit einem Taxi ins Hotel fuhren, da uns der Reiseführer und ein Mitfahrer im Bus eindringlich davor gewarnt hatten, dass San Pedro eine der gefährlichsten Städte der Welt sei.