Morz und wie er die Welt sah...

Samstag, Januar 19, 2013

“Mach mal locker” oder “Das Paradies” (Rio Dulce, 11.-13.01.13)


Liebe Freunde,


auch wenn uns die Dschungelwanderung nach Tikal schon ziemlich geschlaucht hatte, war heute keine Chance, lange zu schlafen und sich die Wunden zu lecken. Waehrend die fruehsten Haehne noch einmal beruhigt auf die Schlummertaste drueckten, ging bei uns schon der Tag los. Zombiegleich Sachen packen und um 5.15 aus dem Hotel, damit wir den ersten Bus nach Rio Dulce erwischen wuerden. Kurz vor der Bruecke von Flores fanden wir gluecklicherweise ein Tuk-tuk. Doch das Experiment Tage zuvor hatte gezeigt, dass wir drei schlanken Persoenchen nur mir jahrelanger Yogaerfahrung in ein Tuk-tuk passten. Jetzt auch noch mit vollem Gepaeck! Aber irgendwie schafften wir es, die verbleibende Luft aus dem Vehikel zu verscheuchen, und stattdessen unsere Ruecksaecke mit hineinzubekommen. Das Tuk-tuk war wohl ein Turbo, den trotz der 350kg Zuladung keuchte es im zweiten Gang die kleine Anhoehe hinauf zum Busbahnhof.
Heute wuerden wir endlich mal keinen Minibus benutzen, sondern einen grossen. Es war toll, endlich mal die Knie vor sich plazieren zu koennen, und, da der Bus nicht ganz voll war, sogar das Handgepaeck neben sich. Es ging puenktlich los (die Abfahrtzeit wusste eh’ keiner) und schon schlummerten wir drei genuesslich. Ich wurde erst in Poptun geweckt, wo wir einen kurzen Stopp einlegten und der Fahrer sich erst einmal Kaffee holte. Hier lag die halbe Strecke schon hinter uns, aber ab nun ging es langsamer voran. Etwa eine halbe Stunde spaeter stand der Bus in einem kleinen Dorf. Alles hupte, damit es schneller ging, aber der querstehende Schwerlasttransporter schob sich damit auch nicht schneller von der Strasse.
Der Fahrer des Trucks hatte ganze Arbeit geleistet und waehrend sein Fahrzeug hinten nur einen Meter zu einer Haeuserwand hatte, kratzte es vorne auf dem eisglatten Lehmboden eines Waldweges. Und so stiegen einige Damen aus unserem Bus aus, um Fruechte zu kaufen, ich machte ein paar Fotos von dem Spektakel und unser Fahrer schiffte vorne in den Kuehler. Am Ende klaerte sich die Situation schneller als erwartet und schon 20Minuten spaeter ging es weiter den Highway in Richtung Sueden. Nun stand ein Herr handreibend aus der erstewn Reihe auf und seine Koerpersprache signalisierte: “Okay Freunde. Jetzt geht es los!” Er sprach davon, dass jeder gern laechelt und auch von Schmerzen und wie man diese bekaempft.
Natuerlich hatte er das passende Produkt dabei und fuehrte mit ausschweifender Gestik und gelernt modulierter Stimme die Vorteile seines Produktes aus. Wir durften auch alle einmal probieren. Ich fand, es schmeckte wie Zahnarztspritze und es betaeupte die Zunge sofort. Daher einigten Jimmy und ich uns drauf, dass der Mann da im Bus wohl Lidocain vertickte. Vielleicht haette man es denn Huehnern unter den Sitzen vor uns geben sollen, die die ganze Fahrt aufgeregt gackerten und versuchten herauszubekommen, warum sich der Boden unter ihnen bewegte.


Gegen 11.30 erreichten wir Rio Dulce. Eigentlich heisst der Ort Fronteras, aber er liegt am Rio Dulce – dem Ausfluss des groessten Sees von Guatemala. Unser Plan war es, mit dem Boot um 13.30 den Fluss hinab nach Livingston zu fahren, dass nur per Boot zu erreichen war. Da wir noch 2 Stunden Zeit hatten, holten wir erst einmal Geld und assen Mittag. Ausserdem beschrieb unser Reisefuehrer ein schoenes Plaetzchen zum Uebernachten auf halber Strecke. Wir fanden, es las sich gut und so rief ich in der Finca Tatin an, erst auf spanisch, dann auf englich und am Ende des Gespraechs stellte sich heraus, dass Chris am anderen Ende auch Deutscher war. Eine kurze Rasur beim oertlichen Frisoer spaeter war es dann Zeit, aufs Boot zu gehen und so preschten wir mit einer Lancha ueber das braune Gewaesser flussabwaerts.
Hier ist das ganze Leben auf den Fluss und seine Seitenarme ausgerichtet. Der Supermarkt hat einen Bootssteg, die Tankstelle ist sowieso nur vom Wasser aus zu erreichen. Am Ufer stehen dann und wann Stelzhaeuser und die Luft und das Wasser ist von Kormoranen, Pelikanen und Fregattvoegeln in Anspruch genommen, die auf kleinen Inseln des immer breiter werdenden Fluss ihre Schlafbaeume haben. Nach etwa einer Stunde Fahrt erreichten wir ein Stelzhaus am Wasser, dass ich faelschlicherweise fuer die Finca Tatin hielt, da ihr Name (auch) dran stand. War aber nur Werbung. Es handelte sich um die lokale Raststation mit frischer Kokosnuss auf Eis und Erleichterungsmoeglichkeiten. Und so genossen wir die Pause bei Kokosnuss und Abendlicht ueber dem fast zu einem See aufgeweiteten Fluss.
Wir blieben nur noch weitere 5 Minuten auf der Lancha, bevor wir in einen Seitenarm einbogen, der bis auf die Mangroven, die schwarzen und indianischen Kinder und hohen Temperaturen (wir hatten erstmalig volle tropische Temperaturen erreicht) auch im Spreewald haette liegen koennen. Wir hatten das Paradies gefunden. Die Finca Tatin wuerde sich nie selbst so nennen, aber fuer mich ist es das. Wir hatten eine solide Holzhuette mit 2 Stockwerken, Solarstrom und einer Veranda, die nur 3 Meter vom Fluss entfernt stand. Alles war aus Holz gebaut. Die grosse Gemeinschaftshalle, in der wir alle zusammen Abendbrot assen (Gemuesesuppe und gebratenen Fisch frisch aus dem Wasser),
der Raum unter dem Dorm mit fast so vielen Haengematten wie Gaesten, Buchtauschmoeglichkeit, Getraenke zum Selbernehmen und Abrechnung auf Vertrauensbasis, Vogelbestimmungsbuch; dann der Steg gleich neben unserer Huette mit einem Seil zum reinspringen und Treppe, damit man mehr Schwung bekam und schliesslich einer Sauna direkt auf der anderen Seite unserer Huette. Bis auf die Sauna und die Klos alles wandlos, nur mit Gaze behaengt. Vor unserer Huette hingen 2 Haengematten, wovon eine direkt ueber dem Wasser hing, und es gab 3 LKW-Reifen mit denen man gemuetlich in der Abendsonne im Fluss paddeln konnte. Fuer mich ein Traum auf Erden.
Rene riss sich den Rucksack vom Leib und sprang augenblicklich in die Fluten. Bis zum Abendessen war er gar nicht mehr aus dem Wasser zu kriegen. Ich packte noch aus und folgte im tarzangleich (nur viel eleganter :-) ) vom Seil aus ins Wasser. Nach Sauna und dem Abendessen legte ich mich mit ein paar Postkarten in eine Haengematte und Rene, der eigentlich hundemuede war, wollte (wie seine Kinder zu Hause vermutlich auch) einfach nicht ins Bett, weil hier alles so schoen und aufregend war. Und so betrachtete er die Bauweise der Holzhaeuser eingehend, bis er dann friedlich schnarchend in seinem Sessel einschlummerte. Ich kam zu keiner Postkarte, weil ich mich stattdessen mit Anja und Marisol aus Hamburg unterhielt, die auch nur so kurz reisen konnten wie wir.


Beim Fruehstueck entschieden wir uns, Livingston Livingston sein zu lassen und noch einen Tag zu bleiben. Rene und ich schnappten uns ein Kanu und Chris (immer ein “Mach mal locker!” auf den Lippen)schipperte uns zusammen mit den Maedels in ein nahegelegenes Biotop. Hier sahen die schmalen Kanaele nun wirklich aus wie der Spreewald. Wir paddelten in aller Stille in den Seitenarm hinein, um keine Tiere aufzuschrecken, aber die meisten waren wohl gerade einkaufen. Macht nichts. Wir genossen einfach die Stimmung und einzig auf einem Seerosenfeld staksten ein paar Rallen und Reiher von Blatt zu Blatt. Die gemuetlichen Manatis, fuer die das Biotop eigentlich eingerichtet war, liessen sich natuerlich nicht blicken. Aber auch egal. Der Tag war so schon schoen genug und so paddelten wir in Ruhe und im Schatten der Baeume 2,5 Stunden zurueck zur Finca, nicht ohne einmal baden gegangen zu sein und uns an einer weiteren Kokosnuss zu erfrischen. Auf den letzten Metern wurde es nochmal interessant. Wir sahen viele Fischer in geschnitzten Einbaeumen, zwei Geier, die die Sonne auf einem Ast ueber Wasser genossen und sogar ein Otter streckte seinen Kopf kurz vor unserem Boot aus dem Wasser.
Der einzige Fleck auf diesem so bluetenreinen Tag war die bloede Pottsau von Arschloch, die mit seinem Motorboot durch einen schmalen Kanal an uns so dicht vorbeipreschte, dass er uns kaum ausweichen konnte und eine volle Bugwelle ueber unser Kanu jagte, so dass mein Fotoknips so richtig baden ging. Die Kanallie war leider ein Kek’Chi-Indio, so dass er meine spanischen Schimpfwoerter und Verwuenschungen nicht einmal verstand. Wichser!

Abends gingen wir dann wieder baden, gepaart mit einem Saunabesuch, bis es Essen gab. Gemuesesuppe und Pastetchen mit lila Stampfkartoffeln. Nach ein paar Stunden sprangen Rene und ich nochmal ins erfrischende Nass, begleitet von den beiden Hamburgerinnen und einer Hollaenderin, die am Ufer bleibend nur “crazy Germans” murmeln konnten. Bei einem Bier liess es sich herrlich in die Sterne schauen und Sternschnuppen beobachten.


Fuer den naechsten Morgen hatten Rene und ich mir vorgenommen, mit dem Kanu die letzten 2,5 Stunden den Rio Dulce hinab bis Livingston zu paddeln. Jimmy wuerde auf dem Boot das Gepaeck mitnehmen und in unserem naechsten Hostel schon einmal einchecken. Doch noch vor dem Fruehstueck und nach dem ersten Bad im Fluss, als der Nebel sich langsam hob, liessen sich einige Voegel ueber uns blicken. Mein persoenlicher Favourit war die zwei Tukane, die sich von hohen Aesten aus die Gegend anschauten und lustig quakten. Diese schoenen Voegel hatte ich vor Tikal im Wald vergeblich gesucht und hier sitzen sie in 10 Metern Entfernung auf den Baeumen.


Um 9Uhr gings ins Kanu und flussabwaerts. Nachdem uns das Motorboot der Finca Tatin ueberholt hatte, haette ich nie vermutet, wie still es auf einem Fluss sein koennte. Selbst die Fluggeraeusche der gleitenden Kormorane konnte man hoeren, wenn sie durch den Canyon des Rio Dulce flogen. Ueberall sassen Reiher und tauchten Kormorane U-Booten gleich auf, um ihrer Nahrungssuche nachzugehen. Auch wenn schon der Wechsel von Flores/Tikal zum Rio Dulce eine andere Welt war, erreichten wir heute eine weitere. Der Fluss oeffnete sich langsam. Fischerboote und unzaehlige Pelikane, sowie Docks loesten die Reiher und Stelzhaeuser ab. Und hinten am Horizont sahen wir den Atlantischen Ozean. Wir waren in der Karibik angekommen – aus eigener Kraft. Ein tolles Gefuehl. Livingston ist die einzige Garifunagemeinde Guatemalas. Es gibt noch weitere in Belize und Honduras. Garifuna sind Abkoemmlinge aufstaendischer afrikanischer Sklaven, die sich mit dem Stamm der Kariben vermischt haben. Und so sah Livingston auch aus: Viele schwarze Menschen, die so cool und relaxt waren, dass die Karibik bald zufror. Ueberall lief Bob Marley und jeder sprach von der bevorstehenden Beachparty. Wir schnappten uns erst einmal all unsere dreckigen Klamotten seit der Dschungeltour und brachten sie in die oertliche Waescherei. Dann erkundeten Rene und ich noch ein bisschen den Ort mit seinen kleinen Geschaeften und Bars, bevor ich mich um 14.00 ins Hostel setze, um endlich mal einen Reisebericht zu schreiben. Nur ging die bloede Kiste von Notebook nicht mehr an. Mit Jimmys Hilfe konnten wir einen Hardwaredefekt diagnostizieren. Man, und alle Fotos sind schon auf dem Rechner. Die zweite Pleite innerhalb von 24 Stunden und zwei weitere wuerden in den naechsten 24 Stunden noch folgen. Doch das wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht.
Unser Kanu wurde von einem Boot der Finca Tatin abgeholt und zusammen mit den Maedels bezahlten wir unsere Restschulden bei der Finca bei Ismael in unserem Hostel in Livingtston. Dann brachen wir zum Abendessen auf. Irgenwie lebte der Ort kurz nach Sonnenuntergang noch viel mehr als am Tag. Mamas schubsten ihre Kinder auf der Schaukel an, die groesseren Jungs spielten barfuss Fussball, ein Angetrunkener oder Bekiffter versuchte uns in seine Bar zu locken und wir sahen dem Spektakel zu. Nachdem wir den Ort zwei weitere Male durchschritten hatten und uns viel ueber Hamburg und Muenchen unterhalten hatten, bogen die Maedels ins Internet ab, waehrend Rene darauf bestand, dass man in der Karibik unbedingt einen Cocktail trinken muesse. Und so liessen wir den Abend bei Caipirinha und Pina Colada in unserem Hostel mit Meerblick ausklingen – nicht ohne uns von Anja und Marisol zu verabschieden, denn im Gegensatz zu ihnen wuerden wir morgen das Fruehboot nach Puerto Barrios nehmen. Beim Ins-Bett-gehen fiel mir dann auf, dass wir leider meinen Schlafsack nicht mehr aus der Waesche zurueckbekommen haben. Scheisse. Und morgen frueh ist die Waescherei noch nicht auf. Da blieb mir nur, nachts noch einen kurzen Brief an die Maedels zu schreiben und hoffen, dass sie mehr Zeit haben wuerden als ich. Pappensatt schlief ich ein.

Bis zum naechsten Mal. Carpe diem,

Stefan

Unter Piraten - Utila (14.-17.01.2013)



Liebe Freunde,


Ein weiteres Mal hiess es frueh aufstehen. Wir hatten unsere Zelte in der einzigen Garifunagemeinde Guatemalas aufgeschlagen – Livingston – und das Morgenboot um 6.30 sollte uns nach Puerto Barrios, dem einzigen Atlantikhafen des Landes bringen. Wir stiefelten schlaftrunken zum Pier, kauften die Tickets und ergoetzten uns an der aufgehenden Sonne. Ich hatte uns etwas Muesli und Milch (fluessige, Milch gibt es hier meist nur in Pulverform) organisiert und so schnabulierten Rene und ich das leckere Vogelfutter, wie es Jimmy nennt, aus Blechtasse mit Flugzeugbesteck. Das Boot legte puenktlich ab und eine halbe Stunde spaeter erreichten wir Puerto Barrios. Dort lud uns ein Minibusfahrer ein, und durch seinen Fahrstil, der nur dicht unterhalb der Schallmauer liegenden Geschwindigkeit und einigen Ueberholmanoevern, die auch in der Formel 1 nicht zulaessig waeren, erreichten wir alsbald die Grenze nach Honduras. Zumindest dachten wir das. 
Der guatemaltekische Grenzposten stempelte brav die Paesse fuer die Ausreise, nur ein honduranischer Grenzposten war weit und breit nicht in Sicht. Unser Fahrer erklaerte uns das so: “Eben haben wir Guatemala verlassen und in einer halben Stunde erreichen wir Honduras. Das Land dazwischen gehoert Chiquita.” Und in der Tat gab es hier nur dichte Reihen Bananenpflanzen – so weit das Auge reicht. Wie mag das nur vor der Entmachtung und Enteignung von United Fruit, dem Vorgaenger von Dole und Chiquita, ausgesehen haben, als United Fruit noch Schienenwege, Schifffahrtswege, Wasserversorgung und einen Grossteil des anbaufaehigen Landes von Guatemala und Honduras unter seiner Fuchtel hatte. La Republica de las Bananos! 

Die Einreise nach Honduras klappte problemlos. Wir fuhren nach Puerto Cortes, um uns mit frischem Geld zu versorgen, und von dort aus nach San Pedro Sula (wo wir merkten, dass der Minibusfahrer wohl ein reichhaltiges Mittagessen aus Kaese, Marmelade, Tomaten, Muesli und meinem Becher geerbt hatte, da wir unseren Fressbeutel hatten liegen lassen. In  San Pedro dann erwischten wir den Langstreckenbus nach La Ceiba. Ich schlief sofort ein und als ich wieder aufwachte, hatte der Bus eine merkwuerdige Schlagseite. Ich hatte eine Reifenpanne verschlafen und gerade wurde der Bus bei einem Boxenstopp aufgebockt und bei laufendem Motor und allen Insassen ein Reifen gewechselt. Dadurch und durch einen Fressstopp kurz spaeter kamen wir erst gegen 17.00 in La Ceiba an, wodurch unsere Faehre auf die Bay Islands bereits weg war. 
Im Bus sass auch ein israelischer Tauschlehrer, der mit uns im Taxi zum einzigen Hostel der Stadt fuhr: “Republica de la Bananos”! Das Dorm war ein muffiger Raum mit sieben speckigen Betten, aber es war ja nur eine Nacht, bis die Morgenfaehre nach Utila uns mitnehmen wuerde. Wir machten einen kurzen Spaziergang durch die Stadt, die weder schoen war, noch darauf Wert legte. Wir fanden einen verrotteten Pier, der weit aufs Meer hinaus ragte und setzten uns einen Moment drauf, um zu geniessen, dass wir endlich die Karibik sehen und diese gerade von eine einditschenden Sonne orangeroot gefaerbt wurde. In La Ceiba gab  es irgendwie nichts zu essen. Wir fanden genau 3 “Restaurants”: Wendy’s, Burger King und Pizza Hut. Wie entschieden uns fuer Burger King to go und amuesierten das Pertsonal koestlich, mich unserer fehlenden Burgererfahrung und lustigen Fragen. Im Hostel kloppten wir dann noch zwei Stunden Skat, bevor wir komatoes ins Bett fielen. Anders haette ich bei Strassenlaerm und keimigen Zimmer auch nicht schlafen koennen. 

Um 8.30 am naechten Tag sassen wir endlich an der Faehre. Fred und seine zwei hollaendischen Maedels, die wir noch aus der Finca Tatin kannten, waren auch wieder zur Stelle. Zum Fruehstueck gab es Ruehrei, Tortillas, Schwarzebohnenmus und saure Sahne im Taxifahrerschuppen, da unsere Faehre erst um 9.30 fuhr. Die Faehre war ein kleiner Katamaran fuer ca. 100 Personen. Und leider ueberdacht und abgeschlossen, so dass der einzige Wind der Diesel von den Maschienen war. Rene sah auch reichlich gruen im Gesicht aus, als wir am spaeten Vormittag endlich unser Reiseziel fuer die naechste Woche erreicht hatten: Utila, die kleinste der 3 Bay Islands.

Die Bay Islands haben eine sehr spannende Geschichte, die reif fuer eine Verfilmung waere. Ob jemals Mayas oder Ureinwohner die Inseln bevoelkerten, weiss bisher noch keiner so genau. Der erste, von dem wir wissen, dass er einen Fuss auf die kleinen, dem honduranischen Festland vorgelagerten Inseln gesetzt hat, ist Kolumbus im Jahre 1502. Ihm folgten spaeter Piraten, vorwiegend Briten, die die reichen spanischen Schiffe ueberfielen, Rum tranken und vermutlich das taten, was uns der Bildungsfilm “Fluch der Karibik” so alles erzaehlt. Vor 250 Jahren lagerten dann die Briten rebellische schwarze Sklaven aus, die anderswo einen Aufstand angezettelt hatten. Als diese sich dann mit dem Stamm der Kariben vermischte, entstanden die so genannten Schwarzen Kariben, oder auch Garifuna, von denen ich euch schon erzaehlt habe. Schliesslich kam vor gut 30 Jahren die letzten Einwanderungswelle nach Roatan und Utila: Touristen und Aussteiger. Heute besitzt Utila eine Strasse, an der sich alles befindet, was man zum Leben braucht: zwei Lebensmittellaeden, einen Haushaltswarenladen, einen Frisoer, eine Klinik, ein Kino und mindestens 10 Tauchbasen. 
Auch wir waren zum Tauchen gekommen (ich war so froh, dass sich Jimmy und Rene auf der Ueberfahrt dazu entschlossen haben, einen Tauchkurs zu machen) und so stellten erst einmal unser Gepaeck ab und beaeugten die Basen. Die ganze Insel ist sehr relaxt, fast zu cool fuer diese Welt. Und da die Preise abgesprochen sind, sagten uns auch die Tauchbasenbesitzer, wir sollen uns ruhig umsehen und die Basis finden, die wir am liebsten moegen. Die eine haette echt schoene Unterkuenfte, die andere einen deutschen Instruktor (da Renes Englisch maximal begrenzt war) und da sich Jimmy und Rene nicht einig werden konnten, zogen wir erneut aus in die Mittagshitze. Am Ende fanden wir “Gunther’s Ecomarine Diveshop”, bekamen Einzelzimmer umsonst zur Tauchausbildung dazu und Thomas aus Tirol als Ausbilder. Ecomarine ist wohl die kleinste aller Tauchbasen hier auf der Insel, derzeit geleitet von Tara aus Belfast und ihrem Mann. 
Waehrend Jimmy kurz die Augen schonen ging, machten Rene und ich uns auf, die Insel zu erkunden. 
Wir kamen nicht weit. Im Rehab (30m weiter) bestellten wir uns etwas zu essen, bastelten Papierflugzeuge und veranstalteten Schneckenrennen mit den Kindern, und als die Sonne unterging, hatten unsere Fuesse keinen Meter gemacht, dafuer hatten sich die leeren Bierflaschen auf unserem Tisch irgendwie vermehrt. Jetzt hiess es aber schnell machen, da wir ja nebenan bei Tara zum Sundowner verabredet waren. Dort trafen wir auch Jimmy wieder, der gerade aufgestanden war. Aber so wollten wir den Tag nicht ausklingen lassen und so unternahmen wir einen zweiten Versuch, die Insel zu erkunden. Dieses Mal schaften wir es fast bis zum Pier in der Mitte des Ortes, bevor wir in der “Tranquila Bar” landeten. Um 19 Uhr ist hier ist noch nichts los, aber zum Glueck war ja Tequiladienstag. 2 Tequila spaeter kamen auch die ersten Leute in die Bar, die von Piratenzeiten uebrig geblieben scheint, mit ihrem dunklen Holz und wie ein Steg aufs Wasser gebautem Gastraum. Hier liess es sich super entspannt versacken. Zwei weitere Tequila spaeter war der Laden dann auch voll und die Menschen tanzten, flirteten und tauschten Beschreibungen von gesichteten Tieren beim Tauchen aus, fuer die eine Armlaenge in der Regel zu kurz war. Als Rene anfing, Wasser zu trinken, um irgendwie fuer seine erste Theoriestunde morgen fit zu werden, brachen wir den Abend langsam ab.

Rene war nicht fit am naechsten Morgen. Da ich um eine Auffrischung der Tauchuebungen gebeten hatte, konnte ich mich bis zum Nachmittag noch einmal rumdrehen. Rene sass aber schon um 7.00 mit Jimmy im Klassenraum, um zu verstehen, was ein BCD ist und wie man unter Wasser atmet. Nichtsdestotrotz waren die Jungs super motiviert und angestachelt durch die Aussicht, bald die buntesten Fisch unter Wasser beobachten zu koennen, so dass sie mir nach jeder Lektion erzaehlten, was sie alles gelernt hatten. Am Nachmittag ging es dann das erste Mal in die Klamotten und nachdem die Froschmaenner strahlend aus ihrem Neopren schauten, ins Flachwasser zum Ueben. Pawel aus Tschechien und ich nutzten das, um selbst alles noch einmal alles aufzufrischen und so gaben wir uns unter Wasser gegenseitig Luft, bliesen die Maske aus und suchten unseren Regulator bis die Sonne unterging. Stolz wie Bolle stiegen die beiden aelteren Herren, wie kleine Jungs, die gerade beim Fussball die Jungs aus dem Nachbarviertel geschlagen hatten, aus dem Wasser, schmissen uns trockene Klamotten an den Leib und genehmigten uns ein grosses, super leckeres Beefsteak im Rehab.

Gestern dann sollte ich die Morgenschicht mit einem Wracktauchgang als Teil meiner Ausbildung zum Advanced Open Water Diver uebernehmen. Aufgrund von Gruenden wurde der Tauchgang aber auf den Nachmittag gelegt und stattdessen zu einem Riff gefahren, wo Jimmy und Rene ihre erste Freiwassererfahrung erhalten sollten. Leider war das Boot schon voll, so dass ich nicht mit tauchen kommen durfte. Aber Schnorcheln wurde mir gestattet. Und so ging es einmal um die Insel herum, bevor alle aufgeregt aufs Wasser schauten. Keiner begriff zuerst, was dieses lokale aufwirbelnde Wasser 50m backboard zu bedeuten hatte. Aber nachdem der Texaner nach oben geschaut hatte, wurde es uns klar. Wir sahen einen Wasser-Tornado oder Minihurrikan. 
Das Wasser wurde kreisfoermig mit einem Durchmesser von nur 4 Metern verwirbelt und am Himmel war eine kleine Wolke zu sehen, die wie ein Rauchring aussah, den ein Pfeifenraucher dort zurueckgelassen hatte. Der Minihurrikan zog mit ca. 20 Sachen an unserem Heck vorbei und traf dann auf Land, auf dem er ebenso lautlos, wie er gekommen war, verpuffte. Auch die Tauchlehrer hatten so etwas noch nie gesehen. Ich wartete, bis alle Taucher im Wasser waren, zog mir Flossen und Maske an und huepfte ins Wasser. Es war so schoen, wieder durch ein Aquarium aus Felsen, Korallen und bunten Fischen zu schwimmen! Dann gesellte sich Lisa zu mir, eine Apnoetaucherin aus Wien, die mir ein Kompliment machte ueber meine Art zu schnorcheln. 8 Meter Tiefe und knapp eine Minute unter Wasser sind schon ziemlich viel fuer einen Ungeuebten. *Stolz* Ich sah sie unter Felsbruecken durchschwimmen, Fotos machen und fast 3 Minuten ohne Atem zu holen, die Fische beobachten. 
Noch bevor die Taucher zurueckkamen, rief uns dann unser dicker schwarzer Kapitaen aufgeregt etwas zu. Er hatte Delfine in unserer Naehe gesehen. Und schon schwammen wir durch eine Schule aus fast 20 Tieren, die uns interessiert beaeugten und mit uns spielten. Das war ein herrliches Gefuehl, Auge in Auge mit einem Delfin im offenen Ozean zu schwimmen und sie elegant durch Wasser preschen zu sehen. Als die Taucher wieder an Bord waren, holten wir Flipper & Co.  kurz nochmal ein, damit auch die anderen die Chance hatten, mit den Delfinen zu schwimmen. Alle waren gluecklich ob des schoenen ersten Tauchgangs und so machten wir uns auf zur zweiten Divesite des Tages. 
Diese lag kurz vor der Bucht von Utila im flachen Wasser und waehrend Jimmy und Rene ihre Uebungen machten, schwamm ich durch Minicanyons und schaute Druecker-, Doktor- und Trompetenfischen bei der Nahrungssuche zu. Nach dem Mittagessen war ich dann an der Reihe. Wir wollten mit diesem Tauchgang zwei Tauchgaenge meiner AOWD-Ausbildung erschlagen: Tief- und Wracktauchen. Ich war schon etwas aufgeregt, nach so langer Zeit wieder an der Flasche zu haengen und dann gleich auf 33m Tiefe. Aber es lief alles wunderbar. Zuerst setzen wir uns auf den Grund neben dem Wrack und unsere Ausbilder fuehrten uns einiges vor. Zum Beispiel hatten sie eine Tomate mitgebracht. Nur sah die eher aus wie ein grauer Stein. Dass sollte uns zeigen, wie der Rotanteil der Farben im Wasser geschlucktr wird. Dann gaben sie uns ein rohes Ei, dass wir zerdruecken sollten. War aufgrund der Drucks gar nicht einfach. Eigentlich wollten wir mit dem Eigelb auch noch Pingpong spielen, nur war ein Fisch so vorwitzig, und frass es blitzschnell zwischen uns auf. Nun schauten wir uns das Wrack an. Es war ein kleiner Frachter von vielleicht 30m Laenge, der nach dem wenigen Bewuchs erst vor kurzer Zeit hier das Zeitliche gesegnet hatte. Die Plakette zur Erklaerung des Namens des Schiffs unterhalb der Bruecke  war noch vollstaendig lesbar. Nur zwei Halsabschneiderkrabben hatten es sich hier gemuetlich gemacht. 
Wieder an Bord, fragte mich Thomas, ob ich noch mit auf einen zweiten Dive kommen moechte. Am Ende waren wir nur zu viert (er, ich und ein hollaendisches Paerchen) und gingen in der Naehe der Tauchstelle vom Morgen von Bord. Wir bewegten uns nur im Flchwasser bis 15m, aber durchtauchten einige Bruecken und spaeter auch Tunnel. Ich muss zugeben, dass meine Tarierkuenste fuer verwinkelte Durchgaenge unter 2m Durchmesser noch nicht ausreichen und so schrabte ich mir das eine oder andere Mal die Beine auf. Aber es war umso mehr, wie durch ein Aquarium zu schwimmen. Selbst innerhalb der Durchgaenge sassen Fischschwaerme im Dunkeln oder hatte sich ein Hummer versteckt. An einem Eingang sassen zwei spotted drum fish, die schwarzweissen Logos unserer Tauchschule und endemische Fische der Bay Islands. Ausserdem ueberraschte uns noch ein grosser Stachelrochen und im freien Wasser ueberschwamm uns ein Riesen-Barrakuda. 
Alles in allem ein toller Tauchgang mit Rueckfahrt zum Sonnenuntergang. Waehrend Rene und Jimmy noch auf ihre Theoriepruefungsfragen warteten, trank ich noch ein Bier mit den anderen Tauchern und erstand einige sehr schoene Postkarten des Dive Instructors (auf der Insel scheint es sonst keine zu geben). Am Abend spielten Rene und ich eine Runde Poolbillard in der Skid Row Bar und begaben uns zur Abwechslung mal frueh ins Bett.

Allen, die es bis hierher geschafft haben, meine Erguesse zu lessen, wuensche ich eine gute Nacht und viele spannende Traeume. Viele Gruesse aus dem Land der Fische. Carpe diem,

Stefan

Montag, Januar 07, 2013

Feuerwerk am anderen Ende der Welt (31.12.12 – 04.01.13)



Liebe Freunde,

am 21.12.12 ging die Welt ein weiteres Mal nicht unter. Es gab viele enttäuschte Gesichter unter denen, die ihr Leben unerträglich fanden und endlich von Außerirdischen oder Männern mit Jacken mit langen Ärmeln abholt werden wollten. Einige unter denen aber, die ihr Leben mit Genuss erlebten, machten sich daher auf die heilige Mission, herauszufinden, wer denn diese Mayas eigentlich waren, die sich vor knapp 1000 Jahren diesen angeblichen Weltuntergang erst ausgedacht hatten. Und so stachen die Helden dieser Geschichte – René der Beherzte, Geheimrat Jimmy von Eisenach und Stefan derer von Klugscheiß – in See, ähh in Luft, schwer bepackt mit enorm wichtig aussehenden Ausrüstungsgegenständen, mit allen Wassern gewaschen und frohgemut. Dieses ist ihre Geschichte  - übertragen aus dem Tagebuch eines der Abenteurer: 

Als der Wecker klingelte, hätte ich ihn am liebsten direkt an die Wand geschmissen. Nur hätte das bedeutet, dass ich das Bett hätte verlassen müssen. 3:15 ist eine Zeit, zu der man ins Bett geht, aber nicht aufsteht. Auch Bäcker drehen sich da noch einmal rum. Es war Silvestermorgen anno domini 2012 und die ganze Stadt träumte von der bevorstehenden Party zum Jahreswechsel. Nur wir drei versuchten, einen Flieger um 6:00 von Tegel zu bekommen. Der erste Flug führte uns nach Schipol. Dort hatten wir gut 3 Stunden Aufenthalt und verbrachten sie mit Frühstück und einem Streifzug durch die holländische Kunst des ausgehenden 17. Jahrhunderts. Nein, ihr habt richtig gelesen. Wer würde nicht vermuten, dass das holländische Rijksmuseum einen Teil seiner Gemälde in einer Außenstelle im Amsterdamer Flughafen betreibt. Nach 5-10 Windmühlen und Adligen in schimmernder Rüstung wurde endlich unser Gate geöffnet und nach einigem Passvorzeigen, Bordkarte wiederfinden, Hosentaschen leeren, Nacktscannen, zu lauten Pieptönen, Schuhe ausziehen, Gürtel ablegen und mit rutschender Hose seine Siebensachen vom Fließband retten, ging es dann endlich rein in den großen Flieger. Es war das erste Mal für mich, den Langstreckenflug am Tag zu haben. Zwar kommt einem dadurch die Zeit unendlich lang vor, aber so hatte ich die Zeit 2 Filme zu schauen, zu lesen und zu schlafen. Jimmy fraß erfahrungsgemäß die Flugzeugbar leer und lernte einen anderen Deutschen kennen, der durch Guatemala reisen wollte: Michael. Nach unserer Landung in Panama-City stießen wir vier auf das in Deutschland inzwischen anbrechende neue Jahr 2013 mit einer Flasche gutem Sekt vom Duty free und geklauten Bechern von KLM an. Auf ein erfolgreiches 2013 und eine spannende Reise!

Gegen 20:30 Ortszeit (3:30 deutscher Zeit) landeten wir schließlich am Ziel unserer Reise: Guatemala-City. Trotz unseres bereits grenzdebilen, übernächtigten Lächelns ließ man uns in Land. Michael wurde von Arturo abgeholt, den er durch Couchsurfing kennengelernt hatte und Arturo war es auch, der uns ein Taxi zu unserer ersten Unterkunft organisierte. Die „Villa Toscana“ war weder eine Villa, noch stand sie in der Toskana. Um genau zu sein, hätte man den Kilometer bis zur „Villa“ auch laufen können, doch der Weg dorthin verriet uns einiges über die Sicherheitslage in Guatemala-City. Nicht nur das Hotel hatte vergitterte Fenster und Türen, war komplett mit einer Mauer inklusive Nato-Stacheldraht von außen in eine Festung verwandelt worden, sondern das ganze Viertel war umzäunt und von Wachmännern mit Pumpgun bewacht und nur mit Ausweis zugängig. Und wir wohnten nicht einmal in einem exklusiven Viertel! Von innen hatte die „Villa Toscana“ aber durchaus einen mediterranen Charme. Nach dem Einchecken lud uns die Dame des Hauses zu traditionalen Tamales (Maispolenta mit Hühnchen und Tomatensauce in Blättern gebacken) und einer heißen Schokolade ein.  Ich nahm die Einladung gerne an und schwatzte mit den Damen des Hauses. Aber ganz bis Mitternacht habe ich es nicht geschafft. Um 23Uhr hat es mich dahingerafft, nur um zum Jahreswechsel von etwas geweckt zu werden, dass meiner Vorstellung des Bombenangriffs auf Dresden recht nahe kam. Zu sehen gab es praktisch nichts, aber die Scheiben drohten unter den Böllern der Nachbarschaft aus ihren Halterungen gedrückt zu werden.

Am ersten Morgen des neuen Jahres nahmen wir den Touri-Minibus nach Antigua, der alten Hauptstadt von Guatemala.  Antigua liegt herrlich in einem Tal zwischen drei der höchsten Vulkane – Fuego, Agua und Acatenango und wurde im ausgehenden 18.Jahrhundert aufgrund der vielen Erdbeben verlassen. Die Straßen von Antigua sind quadratisch angeordnet und die Altstadt besteht aus ein- bis zweistöckigen, bunt gefärbten Kolonialgebäuden, in denen ebenso viele langhaarige, zottelbärtige, in Pluderhosen mit farbigen Hippiemotiven gekleidete Pseudoaussteigertouristen ein und aus gingen, wie Guatemalteken. Das kann auch an Neujahr gelegen haben, denn die Straßen waren nahezu ausgestorben und mit den vielen Ruinen von Kirchen, Konventen und Klöstern vermittelte den Eindruck, als wäre sie gerade erst verlassen worden. Aber gegen Abend kamen alle aus ihren Häusern und entspannten auf der mit schattigen Bäumen bestandenen Plaza Mayor, auf deren Bänken am Springbrunnen es sich herrlich über den neusten Tratsch der Nachbarn oder entfernteren Verwandten austauschen ließ. Dort trafen wir auch Arturo und Michael wieder, die durch die goldene Abendsonne spazierten. Und dann begann das Spektakel: Eine Prozession mit Monstranz, Bischof und Blaskapelle verließ die Kathedrale und bewegte sich in langsamen, würdigem Schritt um die Plaza. Vor ihnen wurden rote Schnüre ausgerollt, die in Länge und Erscheinung an Feuerwehrschläuche erinnerten. Einige Wagemutige ließen sich neben den Schläuchen fotografieren, bevor ein von einigen Verbrennungen Gezeichneter die Zündschnur anzündete. Das folgende Böllergetöse pustete die Zuschauermenge buchstäblich hinweg und die Knaller waren als Schläge auf die Brust spürbar. Polenböller sind Knallfrösche dagegen. Ich bin mir sicher, dass mit diesem Pandemonium alle bösen Geister bis weit über die Stadtgrenzen erfolgreich hinaus vertrieben wurden. Zumindest die Vögel der Stadt (die ein Herzinfarkt nicht direkt dahingerafft hatte) beschlossen spontan, ohne die Haustür abzuschließen, sofort in ein anderes Land umzusiedeln. Nachdem das Fiepen auf den Ohren soweit nachgelassen hatte, dass wir uns wieder ohne Zeichensprache verständigen konnten, holten wir uns ein paar Sandwiches auf dem Markt vor der Kirche „La Merced“ und setzten uns mit diesen, Bier und einem Skatspiel bewaffnet auf die Dachterrasse unseres Hotels und genossen vereinzeltes Feuerwerk über der Stadt und die Stimmung der uns umgebenden Vulkane. 

Der zweite Tag des Jahres begann für uns noch vor Sonnenaufgang – aufgrund des Jetlags kein Problem. Um 6:00 holte uns ein Minibus ab, der uns an den 70km entfernten Vulkan Pacaya brachte (alle anderen Vulkane der Gegend sind derzeit aufgrund prekärer Sicherheitslage gesperrt). Am Fuß des Berges erwartete uns ein organisiertes Schutzgebiet mit Eintritt, gut gelauntem Guide und vielen Erklärungen zu Vulkanismus und Natur in den Bergen. Die noch nicht erwachte Truppe wurde langsam aber sicher den Berg hinauf geleitet, voran unser Guide und hinter uns 3 Pferde mit ihren Reitern, die uns mit einem freundlichen, aber nervigen „Taxi, Taxi“ vor sich her trieben. Der Gipfel lag noch im Nebel, als wir die Lavafelder früherer Ausbrüche und den lokalen Schmuckvertrieb „Lava Art“ erreichten. Leider lernten wir erst hier, dass ein Aufstieg zum Kraterrand des noch immer aktiven Schichtvulkans derzeit nicht möglich war. Dafür rösteten wir Marshmallows in den noch immer heißen Löchern der erkalteten Lava und mümmelten unsere Sandwiches bei Aussicht über Guatemala-City und die Vulkankette Zentralamerikas. Nach einer unbequemen Rückfahrt im die Berge hinaufkeuchenden Minibus machten Rene und ich es uns auf der Dachterrasse einer Posada – eines kolonialen Anwesens in der Stadt mit altem Innenhof voller Holzschnitzereien, Bougainvillea und einer Combo mit Marimbamusik – bequem und genossen den Nachmittag bei in ganz Mittel- und Südamerika erhältlichen frischen Säften (mmh, lecker) und Bier.

Für den nächsten Tag hatten wir uns etwas ausgesucht, dass dem Wort nach für mich nicht zuzuordnen war, aber spannend klang: Canopying. Um  8:30 holte uns ein alter Unimog ab und schaukelte uns in die nahe gelegene Finca „Filadelfia“. Das ist ein Anwesen, wie man es sich als Stammsitz einer Kaffeebarondynastie vor 100 Jahren aus Groschenromanen vorstellen kann. Der Unimog schaukelte uns durch Kaffeeplantagen mit herrlichem Blick auf die umliegenden Vulkane steil bergauf. Oben angekommen schnallte man uns Klettergeschirre an. Das war der Moment, wo Rene und mich das Muffensausen, äh die prickelnde Vorfreude  auf der Bevorstehende erfasste. Es stellte sich heraus, dass Canopying bedeutet, in ein Seil eingehängt über ein 140m tiefes Tal zu sausen. Boah, war das geil. Ssssssummmmm durch die Bäume, die auf einmal tief unten im Tal stehen, mit Blick auf die Vulkane und 50 Sachen durch die Luft zu fliegen. Unbeschreiblich! Und dann das Ganze wieder zurück. Auch Fliegen kann nicht schöner sein. Nur viel zu kurz.


Unser Bus durch das Hochland nach Norden ging erst um 14:00. Deswegen sahen wir uns noch etwas um in Antigua und landeten in einer Ausstellung in der lokalen Volkshochschule. Sie zeigte verstörende Fotografien aus dem zu manchen Zeiten brutalen Leben der Guatemalteken, die gerne verschwiegen werden. Menschen, die sich selbst Mineros (Minenarbeiter) nennen und auf den Müllkippen der Stadt nach Metallen suchen, wie andere Gold, exhumierte Massengräber aus der Zeit des Bürgerkriegs in den 80ern, in dem die Regierung es für eine gute Idee hielt, den Guerrilleros die Unterstützung in der Landbevölkerung dadurch zu entziehen, dass sie die meinst indianische Dorfbevölkerung einfach ausradiert und ganz Dörfer auslöscht und im Boden verscharrt, ebenso wie die hochkriminellen Drogengangs der heutigen Zeit, wo es passieren kann, dass eine Gruppe Grundschüler einem gerade erschossenen Mann auf der Straße beim Ausbluten zusehen muss. Die Guatemalteken haben einen beeindruckenden Stoizismus entwickelt, um mit der immer währenden Gewalt der letzten Jahrhunderte umzugehen und ihr Leben weiter führen zu können. 
Wieder an der Sonne holten wir unser Gepäck aus dem Hostel uns ließen uns vom Minibus aufsammeln, der uns nach Lanquín bringen sollte. Doch davon erzähl ich euch beim nächsten Mal.

Ich hoffe, es geht euch gut und wünsche euch ein erfolgreiches neues Jahr mit vielen interessanten Begegnungen und dass alles anders und besser kommt, als ihr es euch vorstellt. Liebe Grüße aus der Mitte des amerikanischen Kontinents.

Euer Stefan