Morz und wie er die Welt sah...

Montag, Januar 07, 2013

Feuerwerk am anderen Ende der Welt (31.12.12 – 04.01.13)



Liebe Freunde,

am 21.12.12 ging die Welt ein weiteres Mal nicht unter. Es gab viele enttäuschte Gesichter unter denen, die ihr Leben unerträglich fanden und endlich von Außerirdischen oder Männern mit Jacken mit langen Ärmeln abholt werden wollten. Einige unter denen aber, die ihr Leben mit Genuss erlebten, machten sich daher auf die heilige Mission, herauszufinden, wer denn diese Mayas eigentlich waren, die sich vor knapp 1000 Jahren diesen angeblichen Weltuntergang erst ausgedacht hatten. Und so stachen die Helden dieser Geschichte – René der Beherzte, Geheimrat Jimmy von Eisenach und Stefan derer von Klugscheiß – in See, ähh in Luft, schwer bepackt mit enorm wichtig aussehenden Ausrüstungsgegenständen, mit allen Wassern gewaschen und frohgemut. Dieses ist ihre Geschichte  - übertragen aus dem Tagebuch eines der Abenteurer: 

Als der Wecker klingelte, hätte ich ihn am liebsten direkt an die Wand geschmissen. Nur hätte das bedeutet, dass ich das Bett hätte verlassen müssen. 3:15 ist eine Zeit, zu der man ins Bett geht, aber nicht aufsteht. Auch Bäcker drehen sich da noch einmal rum. Es war Silvestermorgen anno domini 2012 und die ganze Stadt träumte von der bevorstehenden Party zum Jahreswechsel. Nur wir drei versuchten, einen Flieger um 6:00 von Tegel zu bekommen. Der erste Flug führte uns nach Schipol. Dort hatten wir gut 3 Stunden Aufenthalt und verbrachten sie mit Frühstück und einem Streifzug durch die holländische Kunst des ausgehenden 17. Jahrhunderts. Nein, ihr habt richtig gelesen. Wer würde nicht vermuten, dass das holländische Rijksmuseum einen Teil seiner Gemälde in einer Außenstelle im Amsterdamer Flughafen betreibt. Nach 5-10 Windmühlen und Adligen in schimmernder Rüstung wurde endlich unser Gate geöffnet und nach einigem Passvorzeigen, Bordkarte wiederfinden, Hosentaschen leeren, Nacktscannen, zu lauten Pieptönen, Schuhe ausziehen, Gürtel ablegen und mit rutschender Hose seine Siebensachen vom Fließband retten, ging es dann endlich rein in den großen Flieger. Es war das erste Mal für mich, den Langstreckenflug am Tag zu haben. Zwar kommt einem dadurch die Zeit unendlich lang vor, aber so hatte ich die Zeit 2 Filme zu schauen, zu lesen und zu schlafen. Jimmy fraß erfahrungsgemäß die Flugzeugbar leer und lernte einen anderen Deutschen kennen, der durch Guatemala reisen wollte: Michael. Nach unserer Landung in Panama-City stießen wir vier auf das in Deutschland inzwischen anbrechende neue Jahr 2013 mit einer Flasche gutem Sekt vom Duty free und geklauten Bechern von KLM an. Auf ein erfolgreiches 2013 und eine spannende Reise!

Gegen 20:30 Ortszeit (3:30 deutscher Zeit) landeten wir schließlich am Ziel unserer Reise: Guatemala-City. Trotz unseres bereits grenzdebilen, übernächtigten Lächelns ließ man uns in Land. Michael wurde von Arturo abgeholt, den er durch Couchsurfing kennengelernt hatte und Arturo war es auch, der uns ein Taxi zu unserer ersten Unterkunft organisierte. Die „Villa Toscana“ war weder eine Villa, noch stand sie in der Toskana. Um genau zu sein, hätte man den Kilometer bis zur „Villa“ auch laufen können, doch der Weg dorthin verriet uns einiges über die Sicherheitslage in Guatemala-City. Nicht nur das Hotel hatte vergitterte Fenster und Türen, war komplett mit einer Mauer inklusive Nato-Stacheldraht von außen in eine Festung verwandelt worden, sondern das ganze Viertel war umzäunt und von Wachmännern mit Pumpgun bewacht und nur mit Ausweis zugängig. Und wir wohnten nicht einmal in einem exklusiven Viertel! Von innen hatte die „Villa Toscana“ aber durchaus einen mediterranen Charme. Nach dem Einchecken lud uns die Dame des Hauses zu traditionalen Tamales (Maispolenta mit Hühnchen und Tomatensauce in Blättern gebacken) und einer heißen Schokolade ein.  Ich nahm die Einladung gerne an und schwatzte mit den Damen des Hauses. Aber ganz bis Mitternacht habe ich es nicht geschafft. Um 23Uhr hat es mich dahingerafft, nur um zum Jahreswechsel von etwas geweckt zu werden, dass meiner Vorstellung des Bombenangriffs auf Dresden recht nahe kam. Zu sehen gab es praktisch nichts, aber die Scheiben drohten unter den Böllern der Nachbarschaft aus ihren Halterungen gedrückt zu werden.

Am ersten Morgen des neuen Jahres nahmen wir den Touri-Minibus nach Antigua, der alten Hauptstadt von Guatemala.  Antigua liegt herrlich in einem Tal zwischen drei der höchsten Vulkane – Fuego, Agua und Acatenango und wurde im ausgehenden 18.Jahrhundert aufgrund der vielen Erdbeben verlassen. Die Straßen von Antigua sind quadratisch angeordnet und die Altstadt besteht aus ein- bis zweistöckigen, bunt gefärbten Kolonialgebäuden, in denen ebenso viele langhaarige, zottelbärtige, in Pluderhosen mit farbigen Hippiemotiven gekleidete Pseudoaussteigertouristen ein und aus gingen, wie Guatemalteken. Das kann auch an Neujahr gelegen haben, denn die Straßen waren nahezu ausgestorben und mit den vielen Ruinen von Kirchen, Konventen und Klöstern vermittelte den Eindruck, als wäre sie gerade erst verlassen worden. Aber gegen Abend kamen alle aus ihren Häusern und entspannten auf der mit schattigen Bäumen bestandenen Plaza Mayor, auf deren Bänken am Springbrunnen es sich herrlich über den neusten Tratsch der Nachbarn oder entfernteren Verwandten austauschen ließ. Dort trafen wir auch Arturo und Michael wieder, die durch die goldene Abendsonne spazierten. Und dann begann das Spektakel: Eine Prozession mit Monstranz, Bischof und Blaskapelle verließ die Kathedrale und bewegte sich in langsamen, würdigem Schritt um die Plaza. Vor ihnen wurden rote Schnüre ausgerollt, die in Länge und Erscheinung an Feuerwehrschläuche erinnerten. Einige Wagemutige ließen sich neben den Schläuchen fotografieren, bevor ein von einigen Verbrennungen Gezeichneter die Zündschnur anzündete. Das folgende Böllergetöse pustete die Zuschauermenge buchstäblich hinweg und die Knaller waren als Schläge auf die Brust spürbar. Polenböller sind Knallfrösche dagegen. Ich bin mir sicher, dass mit diesem Pandemonium alle bösen Geister bis weit über die Stadtgrenzen erfolgreich hinaus vertrieben wurden. Zumindest die Vögel der Stadt (die ein Herzinfarkt nicht direkt dahingerafft hatte) beschlossen spontan, ohne die Haustür abzuschließen, sofort in ein anderes Land umzusiedeln. Nachdem das Fiepen auf den Ohren soweit nachgelassen hatte, dass wir uns wieder ohne Zeichensprache verständigen konnten, holten wir uns ein paar Sandwiches auf dem Markt vor der Kirche „La Merced“ und setzten uns mit diesen, Bier und einem Skatspiel bewaffnet auf die Dachterrasse unseres Hotels und genossen vereinzeltes Feuerwerk über der Stadt und die Stimmung der uns umgebenden Vulkane. 

Der zweite Tag des Jahres begann für uns noch vor Sonnenaufgang – aufgrund des Jetlags kein Problem. Um 6:00 holte uns ein Minibus ab, der uns an den 70km entfernten Vulkan Pacaya brachte (alle anderen Vulkane der Gegend sind derzeit aufgrund prekärer Sicherheitslage gesperrt). Am Fuß des Berges erwartete uns ein organisiertes Schutzgebiet mit Eintritt, gut gelauntem Guide und vielen Erklärungen zu Vulkanismus und Natur in den Bergen. Die noch nicht erwachte Truppe wurde langsam aber sicher den Berg hinauf geleitet, voran unser Guide und hinter uns 3 Pferde mit ihren Reitern, die uns mit einem freundlichen, aber nervigen „Taxi, Taxi“ vor sich her trieben. Der Gipfel lag noch im Nebel, als wir die Lavafelder früherer Ausbrüche und den lokalen Schmuckvertrieb „Lava Art“ erreichten. Leider lernten wir erst hier, dass ein Aufstieg zum Kraterrand des noch immer aktiven Schichtvulkans derzeit nicht möglich war. Dafür rösteten wir Marshmallows in den noch immer heißen Löchern der erkalteten Lava und mümmelten unsere Sandwiches bei Aussicht über Guatemala-City und die Vulkankette Zentralamerikas. Nach einer unbequemen Rückfahrt im die Berge hinaufkeuchenden Minibus machten Rene und ich es uns auf der Dachterrasse einer Posada – eines kolonialen Anwesens in der Stadt mit altem Innenhof voller Holzschnitzereien, Bougainvillea und einer Combo mit Marimbamusik – bequem und genossen den Nachmittag bei in ganz Mittel- und Südamerika erhältlichen frischen Säften (mmh, lecker) und Bier.

Für den nächsten Tag hatten wir uns etwas ausgesucht, dass dem Wort nach für mich nicht zuzuordnen war, aber spannend klang: Canopying. Um  8:30 holte uns ein alter Unimog ab und schaukelte uns in die nahe gelegene Finca „Filadelfia“. Das ist ein Anwesen, wie man es sich als Stammsitz einer Kaffeebarondynastie vor 100 Jahren aus Groschenromanen vorstellen kann. Der Unimog schaukelte uns durch Kaffeeplantagen mit herrlichem Blick auf die umliegenden Vulkane steil bergauf. Oben angekommen schnallte man uns Klettergeschirre an. Das war der Moment, wo Rene und mich das Muffensausen, äh die prickelnde Vorfreude  auf der Bevorstehende erfasste. Es stellte sich heraus, dass Canopying bedeutet, in ein Seil eingehängt über ein 140m tiefes Tal zu sausen. Boah, war das geil. Ssssssummmmm durch die Bäume, die auf einmal tief unten im Tal stehen, mit Blick auf die Vulkane und 50 Sachen durch die Luft zu fliegen. Unbeschreiblich! Und dann das Ganze wieder zurück. Auch Fliegen kann nicht schöner sein. Nur viel zu kurz.


Unser Bus durch das Hochland nach Norden ging erst um 14:00. Deswegen sahen wir uns noch etwas um in Antigua und landeten in einer Ausstellung in der lokalen Volkshochschule. Sie zeigte verstörende Fotografien aus dem zu manchen Zeiten brutalen Leben der Guatemalteken, die gerne verschwiegen werden. Menschen, die sich selbst Mineros (Minenarbeiter) nennen und auf den Müllkippen der Stadt nach Metallen suchen, wie andere Gold, exhumierte Massengräber aus der Zeit des Bürgerkriegs in den 80ern, in dem die Regierung es für eine gute Idee hielt, den Guerrilleros die Unterstützung in der Landbevölkerung dadurch zu entziehen, dass sie die meinst indianische Dorfbevölkerung einfach ausradiert und ganz Dörfer auslöscht und im Boden verscharrt, ebenso wie die hochkriminellen Drogengangs der heutigen Zeit, wo es passieren kann, dass eine Gruppe Grundschüler einem gerade erschossenen Mann auf der Straße beim Ausbluten zusehen muss. Die Guatemalteken haben einen beeindruckenden Stoizismus entwickelt, um mit der immer währenden Gewalt der letzten Jahrhunderte umzugehen und ihr Leben weiter führen zu können. 
Wieder an der Sonne holten wir unser Gepäck aus dem Hostel uns ließen uns vom Minibus aufsammeln, der uns nach Lanquín bringen sollte. Doch davon erzähl ich euch beim nächsten Mal.

Ich hoffe, es geht euch gut und wünsche euch ein erfolgreiches neues Jahr mit vielen interessanten Begegnungen und dass alles anders und besser kommt, als ihr es euch vorstellt. Liebe Grüße aus der Mitte des amerikanischen Kontinents.

Euer Stefan

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