Liebe Freunde,

am 21.12.12 ging die Welt ein weiteres Mal nicht unter. Es
gab viele enttäuschte Gesichter unter denen, die ihr Leben unerträglich fanden
und endlich von Außerirdischen oder Männern mit Jacken mit langen Ärmeln abholt
werden wollten. Einige unter denen aber, die ihr Leben mit Genuss erlebten,
machten sich daher auf die heilige Mission, herauszufinden, wer denn diese
Mayas eigentlich waren, die sich vor knapp 1000 Jahren diesen angeblichen
Weltuntergang erst ausgedacht hatten. Und so stachen die Helden dieser
Geschichte – René der Beherzte, Geheimrat Jimmy von Eisenach und Stefan derer
von Klugscheiß – in See, ähh in Luft, schwer bepackt mit enorm wichtig aussehenden
Ausrüstungsgegenständen, mit allen Wassern gewaschen und frohgemut. Dieses ist
ihre Geschichte
- übertragen aus dem
Tagebuch eines der Abenteurer:

Als der Wecker klingelte, hätte ich ihn am liebsten direkt
an die Wand geschmissen. Nur hätte das bedeutet, dass ich das Bett hätte
verlassen müssen. 3:15 ist eine Zeit, zu der man ins Bett geht, aber nicht aufsteht.
Auch Bäcker drehen sich da noch einmal rum. Es war Silvestermorgen anno domini
2012 und die ganze Stadt träumte von der bevorstehenden Party zum
Jahreswechsel. Nur wir drei versuchten, einen Flieger um 6:00 von Tegel zu
bekommen. Der erste Flug führte uns nach Schipol. Dort hatten wir gut 3 Stunden
Aufenthalt und verbrachten sie mit Frühstück und einem Streifzug durch die
holländische Kunst des ausgehenden 17. Jahrhunderts. Nein, ihr habt richtig
gelesen. Wer würde nicht vermuten, dass das holländische Rijksmuseum einen Teil
seiner Gemälde in einer Außenstelle im Amsterdamer Flughafen betreibt. Nach
5-10 Windmühlen und Adligen in schimmernder Rüstung wurde endlich unser Gate
geöffnet und nach einigem Passvorzeigen, Bordkarte wiederfinden, Hosentaschen
leeren, Nacktscannen, zu lauten Pieptönen, Schuhe ausziehen, Gürtel ablegen und
mit rutschender Hose seine Siebensachen vom Fließband retten, ging es

dann
endlich rein in den großen Flieger. Es war das erste Mal für mich, den
Langstreckenflug am Tag zu haben. Zwar kommt einem dadurch die Zeit unendlich
lang vor, aber so hatte ich die Zeit 2 Filme zu schauen, zu lesen und zu
schlafen. Jimmy fraß erfahrungsgemäß die Flugzeugbar leer
und lernte einen
anderen Deutschen kennen, der durch Guatemala reisen wollte: Michael. Nach
unserer Landung in Panama-City stießen wir vier auf das in Deutschland
inzwischen anbrechende neue Jahr 2013 mit einer Flasche gutem Sekt vom Duty
free und geklauten Bechern von KLM an. Auf ein erfolgreiches 2013 und eine
spannende Reise!

Gegen 20:30 Ortszeit (3:30 deutscher Zeit) landeten wir
schließlich am Ziel unserer Reise: Guatemala-City. Trotz unseres bereits
grenzdebilen, übernächtigten Lächelns ließ man uns in Land. Michael wurde von
Arturo abgeholt, den er durch Couchsurfing kennengelernt hatte und Arturo war
es auch, der uns ein Taxi zu unserer ersten Unterkunft organisierte. Die „Villa
Toscana“ war weder eine Villa, noch stand sie in der Toskana. Um genau zu sein,
hätte man den Kilometer bis zur „Villa“ auch laufen können, doch der Weg
dorthin verriet uns einiges über die Sicherheitslage in Guatemala-City. Nicht
nur das Hotel hatte vergitterte Fenster und Türen, war komplett mit einer Mauer
inklusive Nato-Stacheldraht von außen in eine

Festung verwandelt worden,
sondern das ganze Viertel war umzäunt und von Wachmännern mit Pumpgun bewacht
und nur mit Ausweis zugängig. Und wir wohnten nicht einmal in einem exklusiven
Viertel! Von innen hatte die „Villa Toscana“ aber durchaus einen mediterranen
Charme. Nach dem Einchecken lud uns die Dame des Hauses zu traditionalen
Tamales (Maispolenta mit Hühnchen und Tomatensauce in Blättern gebacken) und
einer heißen Schokolade ein.
Ich nahm
die Einladung gerne an und schwatzte mit den Damen des Hauses. Aber ganz bis
Mitternacht habe ich es nicht geschafft. Um 23Uhr hat es mich dahingerafft, nur
um zum Jahreswechsel von etwas geweckt zu werden, dass meiner Vorstellung des
Bombenangriffs auf Dresden recht nahe kam. Zu sehen gab es praktisch nichts,
aber die Scheiben drohten unter den Böllern der Nachbarschaft aus ihren
Halterungen gedrückt zu werden.

Am ersten Morgen des neuen Jahres nahmen wir den
Touri-Minibus nach Antigua, der alten Hauptstadt von Guatemala.
Antigua liegt herrlich in einem Tal zwischen
drei der höchsten Vulkane – Fuego, Agua und Acatenango und wurde im ausgehenden
18.Jahrhundert aufgrund der vielen Erdbeben verlassen. Die Straßen von Antigua
sind quadratisch angeordnet und die Altstadt besteht aus ein- bis zweistöckigen,
bunt gefärbten Kolonialgebäuden, in denen ebenso viele langhaarige,
zottelbärtige, in Pluderhosen mit farbigen Hippiemotiven gekleidete
Pseudoaussteigertouristen ein und aus gingen, wie Guatemalteken. Das kann auch
an Neujahr gelegen haben, denn die Straßen waren nahezu ausgestorben und mit
den vielen Ruinen von Kirchen, Konventen und Klöstern vermittelte den Eindruck,
als wäre sie gerade erst verlassen worden. Aber gegen Abend kamen alle aus
ihren Häusern und entspannten auf der mit schattigen Bäumen bestandenen Plaza
Mayor, auf deren Bänken am Springbrunnen es sich herrlich über den neusten
Tratsch der Nachbarn oder entfernteren Verwandten austauschen ließ. Dort trafen
wir auch Arturo und Michael wieder, die durch die goldene Abendsonne
spazierten. Und dann begann das Spektakel: Eine Prozession mit Monstranz,
Bischof und Blaskapelle verließ die Kathedrale und bewegte sich in langsamen,
würdigem Schritt um die Plaza. Vor ihnen

wurden rote Schnüre ausgerollt, die in
Länge und Erscheinung an Feuerwehrschläuche erinnerten. Einige Wagemutige
ließen sich neben den Schläuchen fotografieren, bevor ein von einigen
Verbrennungen Gezeichneter die Zündschnur anzündete. Das folgende Böllergetöse
pustete die Zuschauermenge buchstäblich hinweg und die Knaller waren als
Schläge auf die Brust spürbar. Polenböller sind Knallfrösche dagegen. Ich bin
mir sicher, dass mit diesem Pandemonium alle bösen Geister bis weit über die
Stadtgrenzen erfolgreich hinaus vertrieben wurden. Zumindest die Vögel der Stadt
(die ein Herzinfarkt nicht direkt dahingerafft hatte) beschlossen spontan, ohne
die Haustür abzuschließen, sofort in ein anderes Land umzusiedeln. Nachdem das
Fiepen auf den Ohren soweit nachgelassen hatte, dass wir uns wieder ohne
Zeichensprache verständigen konnten, holten wir uns ein paar Sandwiches auf dem
Markt vor der Kirche „La Merced“ und setzten uns mit diesen, Bier und einem
Skatspiel bewaffnet auf die Dachterrasse unseres Hotels und genossen
vereinzeltes Feuerwerk über der Stadt und die Stimmung der uns umgebenden
Vulkane.

Der zweite Tag des Jahres begann für uns noch vor
Sonnenaufgang – aufgrund des Jetlags kein Problem. Um 6:00 holte uns ein
Minibus ab, der uns an den 70km entfernten Vulkan Pacaya brachte (alle anderen
Vulkane der Gegend sind derzeit aufgrund prekärer Sicherheitslage gesperrt). Am
Fuß des Berges erwartete uns ein organisiertes Schutzgebiet mit Eintritt, gut
gelauntem Guide und vielen Erklärungen zu Vulkanismus und Natur in den Bergen.
Die noch nicht erwachte Truppe wurde langsam aber sicher den Berg hinauf
geleitet, voran unser Guide und hinter uns 3 Pferde mit ihren Reitern, die uns
mit einem freundlichen, aber nervigen „Taxi, Taxi“ vor sich her trieben. Der
Gipfel lag noch im Nebel, als wir die Lavafelder früherer Ausbrüche und den
lokalen Schmuckvertrieb „Lava Art“ erreichten. Leider lernten wir erst hier,
dass ein Aufstieg z

um Kraterrand des noch immer aktiven Schichtvulkans derzeit
nicht möglich war. Dafür rösteten wir Marshmallows in den noch immer heißen
Löchern der erkalteten Lava und mümmelten unsere Sandwiches bei Aussicht über
Guatemala-City und die Vulkankette Zentralamerikas. Nach einer unbequemen
Rückfahrt im die Berge hinaufkeuchenden Minibus machten Rene und ich es uns auf
der Dachterrasse einer Posada –
eines kolonialen Anwesens in der Stadt mit
altem Innenhof voller Holzschnitzereien, Bougainvillea und einer Combo mit
Marimbamusik – bequem und genossen den Nachmittag bei in ganz Mittel- und
Südamerika erhältlichen frischen Säften (mmh, lecker) und Bier.

Für den nächsten Tag hatten wir uns etwas ausgesucht, dass
dem Wort nach für mich nicht zuzuordnen war, aber spannend klang: Canopying.
Um
8:30 holte uns ein alter Unimog ab
und schaukelte uns in die nahe gelegene Finca „Filadelfia“. Das ist ein
Anwesen, wie man es sich als Stammsitz einer Kaffeebarondynastie vor 100 Jahren
aus Groschenromanen vorstellen kann. Der Unimog schaukelte uns durch
Kaffeeplantagen mit herrlichem Blick auf die umliegenden Vulkane steil bergauf.
Oben angekommen schnallte man uns Klettergeschirre an.

Das war der Moment, wo
Rene und mich das Muffensausen, äh die prickelnde Vorfreude
auf der Bevorstehende erfasste. Es stellte
sich heraus, dass Canopying bedeutet, in ein Seil eingehängt über ein 140m
tiefes Tal zu sausen. Boah, war das geil. Ssssssummmmm durch die Bäume, die auf
einmal tief unten im Tal stehen, mit Blick auf die Vulkane und 50 Sachen durch
die Luft zu fliegen. Unbeschreiblich! Und dann das Ganze wieder zurück. Auch
Fliegen kann nicht schöner sein. Nur viel zu kurz.

Unser Bus durch das Hochland nach Norden ging erst um 14:00.
Deswegen sahen wir uns noch etwas um in Antigua und landeten in einer
Ausstellung in der lokalen Volkshochschule. Sie zeigte verstörende Fotografien
aus dem zu manchen Zeiten brutalen Leben der Guatemalteken, die gerne
verschwiegen werden. Menschen, die sich selbst Mineros (Minenarbeiter) nennen
und auf den Müllkippen der Stadt nach Metallen suchen, wie andere Gold,
exhumierte Massengräber aus der Zeit des Bürgerkriegs in den 80ern, in dem die
Regierung es für eine gute Idee hielt, den Guerrilleros die

Unterstützung in
der Landbevölkerung dadurch zu entziehen, dass sie die meinst indianische
Dorfbevölkerung einfach ausradiert und ganz Dörfer auslöscht und im Boden
verscharrt, ebenso wie die hochkriminellen Drogengangs der heutigen Zeit, wo es
passieren kann, dass eine Gruppe Grundschüler einem gerade erschossenen Mann
auf der Straße beim Ausbluten zusehen muss. Die Guatemalteken haben einen
beeindruckenden Stoizismus entwickelt, um mit der immer währenden Gewalt der
letzten Jahrhunderte umzugehen und ihr Leben weiter führen zu können.
Wieder an der Sonne holten wir unser Gepäck aus dem Hostel
uns ließen uns vom Minibus aufsammeln, der uns nach Lanquín bringen sollte.
Doch davon erzähl ich euch beim nächsten Mal.

Ich hoffe, es geht euch gut und wünsche euch ein
erfolgreiches neues Jahr mit vielen interessanten Begegnungen und dass alles
anders und besser kommt, als ihr es euch vorstellt. Liebe Grüße aus der Mitte
des amerikanischen Kontinents.
Euer Stefan
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