Morz und wie er die Welt sah...

Montag, September 21, 2009

Kolumnbien - Cartagena

Liebe Freunde,

seit letztem Mittwoch bin ich kein Wahlkolumbianer mehr, sondern Tourist und Gringo. Zwei Gringos, um genau zu sein, denn der Jimmy hat sich ja zu mir gesellt. Zwei Gringos mit der Idee, Suedamerika zu erkunden. Und angefangen haben wir mit Bogotá...

...und einem Rundgang durch La Candelaria. Wir schlenderten durch die Gassen mit den kleinen schiefen Haeusern, an den kleinen Laeden vorbei und in die gar nicht kleine Kirche Nuestra Señora del Carmen. Diese trohnt hoch ueber den niedrigen Daechern und besticht durch ihre rot-weiss gestreiften Backsteine und farbigen Glasfenster, die ueberwachsene Gaerten darstellen. Ich finde: Bogotás schoenste Kirche. Danach schlenderten wir noch an einem Kloster und dem Justizpalast vorbei zur obligatorischen Plaza de Bolívar, auf der himmlische Heerscharen von Tauben ihr Unwesen trieben. Gluecklicheweise ist Jimmy aehnlich unmaekelig bei der kolumbianischen Kueche wie ich, so dass uns unser erstes Mittag in eine kleine Butze verschlug, in der Kolumbianer essen, aber keine Gringos. Der Wellensittich quakte und das Menue bestand aus "con carne o con pollo". Es gab Plátanosuppe (Kochbanane) und eine Bandeja (Reis, eine Scheibe Tomate, gekochte Bohnen oder Spaghetti und gebratenes Rindfleisch). Typischer geht es nicht.

Den Nachmittag verbrachte Jimmy im Goldmuseum der Hauptstadt, waehrend ich euch den letzten Reisebericht schrieb. Langsam aber sicher geht mir meine englischsprachige Lektuere aus. Im Moment lese ich zwar noch "Three Men in a Boat" von Jerome K. Jerome, aber sie sind schon kurz vor Reading auf der Themse, also Zeit fuer was Neues. Mein Spanischlehrer hatte mir einen guten internationalen Buchladen etwas noerdlich vom Zentrum empfohlen, aber dessen internationale Buecher gab es nur auf spanisch. So tingelten wieder zurueck in die Altstadt und bestaunten in einer Stippvisite das Boteromuseum ebenso wie die nationale Muenzpraegeanstalt. Inzwischen war die Nacht auf Bogotá gefallen und wir wandelten furchtlos auf gewundenen Pfaden durch ein nicht so sicheres Viertel hinauf zur Bodenstation des Cerro de Montserrat. Die Seilbahn hinauf auf den Hausberg fuhr noch und die Szenerie des riesigen Meeres aus Lichtern, welches Bogotá darstellte, bot eine atemberaubenden Anblick. Atemberaubend war auch die Temperatur: Gefuehlte 10 Grad unter Null. Also betraten wir nach kurzer Fotosession die inzwischen leere Kirche des gefallenen Jesus. Verklaerte, fast mystische Stimmung herrschte hier. Man stelle sich das so vor: In der Ferne ist ein hingefallener Jesus beleuchtet, alles andere ist dunkel und menschenleer, und von ueberall in der Kirche erklingt Panfloetenentspannungsmusik wie beim Physioterapeuten oder Friseur, waehrend draussen der unwirtliche Wind pfeift. Entrueckt, wuerde ich sagen. Wir genehmigten uns noch ein Agua Panela (heisses Rohrzuckerwasser) und glitten mit der Seilbahn zurueck auf den Boden der Tatsachen. Dort wartete schon Néstor auf uns, den ich aus Ibagué und Manizales kannte. Und zusammen mit ihm, einer Franzoesin und Filipe, der mir ebenfalls in Ibagué begegenet war, zogen wir uns in eine kleine Kneipe nahe unseres Hotels zurueck. Die Kneipe bestand aus kleinen Separees und servierte Cocktails. Komische Cocktails. Cocktails ohne Zitrone, so dass ich mich auch an die alkoholischen Mischgetraenke wagen konnte. Meiner hiess cerveza azul, war quietschblau und bestand aus Vodka, Bier und Aguardiente. Da reicht einer fuer den Abend. Die drei derzeitigen Bogotábewohner berichteten uns von ihrer Lebenssituation und von der allgegenwaertigen Gewalt in den suedlichen Vierteln der Stadt und wo man hingehen darf und wo nicht. Aber nicht nur Gewalt bestimte unsere Gespraeche, sondern auch die Liebe. Genauergesagt die Liebe eines Paerchens, die dazu fuehrte, dass das Maennerklo leider dauerhaft besetzt war. Gegen Mitternacht wurden wir aus der Kneipe gekehrt und trollten uns in Richtung Hotel.

Freitag

Der Flieger nach Cartegena war fuer 10 Uhr anberaumt und da man uns mehrfach vor dem Stau gewarnt hatte, verliessen wir um 7 Uhr das Hotel. Die Busse zum Flughafen waren wegen der rush hour so ueberfuellt, dass kein Fahrer 2 Gringos mit Rucksaecken im Wert von noch 2 Gringos an Bord haben wollte. Und so blieb uns nur noch das Taxi. Am Flughafen blieb uns dann genug Zeit fuer ein gemuetliches Fruehstueck und um 10 Uhr hob dann die Boeing mit Ziel Cartagena ab. Einen kurzen Huepfer spaeter erschlug uns dann die heisse Luft der Karibik. Der Bus, der uns dann in Richtung Stadtzentrum transportierte, war wohl einem Film entsprungen, Cool Runnings vielleicht. Gross, bunt, voller laessiger Mucke und schwarzer Menschen! Ich war begeistert. Allerdings nicht von den gefuehlten 45 Grad im Schatten, die ich seit meiner letzten Thailandreise nicht mehr gewohnt war. Insbesondere mit zwei Rucksaecken vorne und hinten in praller Sonne. Doch so erreichten wir, dem Lonely Planet folgend, das Casa Viena: ein typisches Backpackerhostel mit Internet, Kueche, Buchtausch und Moskitonetzen. Nur hatten die Backpacker inzwischen aufgeruestet. Im Nachbarzimmer stand eine Amerikanerin, das Netbook wie ein Tablett haltend, vor der Webcam und erstattete per WLAN und Internet einen Livebericht in die Heimat. Wir schmissen stattdessen unser Zeug ins Zimmer und machten uns auf in die Stadt. Unsere heutige Bandeja um die Ecke brachte uns eine Ich-will-nicht-wissen-was-da-alles-drin-schwimmt-Fischsuppe und der Pescado bestand nur aus einem Fischkopp. Aber lecker wars trotzdem.

Die als UNESCO-Weltkulturerbe deklarierte Altstadt Cartagenas ist schon recht beeindruckend. Wenn man mal die ganzen fliegenden Haendler mit Zigarren, Getraenken und Smaragden rausrechnet, hat man schoene schmale Strassen, mit balkonierten Koloinialhaeusern, die einen in der Zeit zurueckversetzen. Mittendrin liegt die kleine Plaza Bolívar mit grossen Baeumen, schattigen Baenken und alten Einheimischen, die sich anschauen, was die Touris wohl so machen. 2 Kuppeln ueberragen die Stadt: Die der Kathedrale und die des Klosters Pedro Claver. Und wenn man echter Touri sein will, kann man sich in einer alten Pferdekutsche durch die Altstadt ziehen lassen. Die ganze Altstadt Cartagenas ist von einer kanonenbewehrten Stadtmauer umgeben, die einst wegen Sir Francis Drake errichtet wurde, der die Stadt in 17.Jhd. bombardierte, da von hier die spanischen Goldtransporte starteten. Leider war meine Kamera bockig und kam zu dem Entschluss, die Batterien waren alle. Auf der Suche nach neuen Batterien und weil die Strassenhaendler Jimmies Reizpotential ausgeschoepft hatten, verliessen wir wieder die Altstadt und machten uns auf die Suche nach Kaffee und Batterien. Auch nach 2 Sets frischer Batterien beharrte meine Kamera auf ihrer gewerkschaftlich vereinbarten Pause und ich hab sie seitdem nicht mehr zur Arbeit ueberreden koennen. Statt eines Kaffees fanden wir einen Friseurstand auf dem Markt, der mich schliesslich von ueberzaehliger Wolle befreite. Danach gab es Abendbrot und einen weiteren Rundgang, diesmal in Richtung Hafenmole. Melanie befand sich ebenso in der Stadt und so verabredeten wir uns auf morgen zu einer Fahrt zur Isla del Rosario. Sie muesse mir nur noch die Namen ihrer Begleitung per SMS schicken. Nach der Tourplanung bei Wasser und Miefquirl in unserer Butze war immer noch keine Meldung von Melanie auf dem Telefonknochen und so machte ich mich noch mal auf, einen Minutero zu finden. Und fand bruehwarm heraus, warum der Lonely Planet vor naechtlichen Spaziergaengen in unserem Viertel gewarnt hatte: Ich fand naemlich keinen Minutero mehr, sondern nur Menschen, die mir Kokain oder Sex anboten und am Horizont waren schon die Menschen zu sehen, die mein Geld auch ohne Gegenleistung nehmen wuerden. Also wieder zurueck ins vergitterte Hostel und die Tour nur fuer Jimmy und mich gebucht.

Samstag

Die Tour sollte um 8 Uhr an der Touristenmole losgehen. Also begaben wir uns um 7 Uhr ins Gato Negro, ein von Oesterreichern gefuehrtes Café und begannen unseren Tag zur Abwechslung mal mit Omelette, Joghurt und Muesli. An der Mole warteten schon Melanie (aus Jena) und Sarah (aus der Stadt mit den 3 "O") auf uns, wir kauften noch 2 Tickets hier, und ab ging es aufs Schiff. Und wieder einmal zeigte sich, dass unter Tourismus in Kolumbien vorwiegend einheimischer Tourismus verstanden wird. Der Ansager am Mikro erklaerte, wie der heutige Tag ablaufen werde und wechselte dann kurzerhand sein Berufsbild zum Animateur, teilte das Oberdeck in 2 Gruppen auf, die bárbaros und die increíbles, und testete erstmal, wer lauter schreien konnte. Sarah versuchte erfolglos, ihren noch immer rumgetraenkten Schaedel vom Vorabend zu retten, aber ergab sich spaeter dem Schauspiel. Und das begann erst. 2 alte Herren wurden ausgewaehlt und sammelten dann auf Zeit soviele Huete wie moeglich aus dem, in unserem Falle unfreiwilligem, Publikum ein. Das wurde dann fuer Handtuecher/Tuecher, T-Shirts und BHs wiederholt, bis sich fast alle Klamotten des Decks in Stapeln auf dem Vorderdeck befanden. Es stand unentschieden, leider, und so mussten die teilweise zahnlosen und hochgradig unansehnlichen Ehefrauen der alten Herren ein Poledancing vollfuehren. Der optische Laerm fand dann seinen Hoehepunkt, als die alten Herren dies in den zusammengetragenen Tuechern und BHs das wiederholten. "Eine haessliche Dame mit Bauchfell", wie Jimmy meinte. Fuer die Kolumbianer war eher der Weg das Ziel, doch wir waren froh, endlich die kleine, einem Reisekatalog entsprungene, korallenberiffte Karibikinsel erreicht zu haben. Unser erster Aufenthalt beinhaltete ein Aquarium. Aeh, Aquarium, Fische hinter Glas, dachten Melanie und Sarah und spielten Strandnixen im herrlichen Wasser. Ich dachte ebenso, aber Jimmy ueberzeugte mich, doch ins Aquarium zu gehen. Kaum war ich drin, war ich hin und weg, denn es gab keine Tiere hinter Glas, sondern viele tolle Tiere, die unter unseren Stegen schwammen. Grosse Schildkroeten, noch groessere Haie, Rochen und sogar ein Saegefisch hauten mich einfach um. Dazu kamen mehrere Pelikane, die sich also Rampensaeue hervortaten und spaetestens bei der Delfinshow blutete mir das Herz, weil mein bloeder Fotoapparat den Geist aufgegeben hatte. Ich weiss, Delfinshows sind schlecht fuer die Delfine. Aber wenn dadurch 100 Kolumbianer aufhoeren, ihre Plastiktueten ins Meer und in die Fluesse zu schmeissen und ihren Kindern dafuer von den wunderschoenen Tieren zu erzaehlen, hat sich das Ganze gelohnt. Ich war auf jeden Fall beeindruckt, von den kraftvollen Delfinen ebenso wie von dem Reiher, der dem Hai den Fisch vor der Nase wegschnappte, der uralten Morla, die majestaetisch durchs Wasser flog und all den anderen grossen und kleinen Meeresbewohnern. Doch jetzt hatte ich Hunger. Das Mittagessen fuehrte uns auf eine Bacardi-Rum-Werbungsinsel in der Naehe und da Jimmy und ich heute respektvoll auf Fisch verzichteten, mussten wir ewig warten, bis das Huhn in das siedende Oel gewandert war. Danach stand baden, Palmen anschauen und Meeresluft atmen auf dem Programm. Unsere zwei Nixen tummelten sich wieder im badewannenwarmen Nass, ich schaute ihnen gerne dabei zu und Jimmy lief den Strand entlang. Gegen 16Uhr ging es dann zurueck aufs Schiff, mit einem Landungsboot, das mich an die Landung in der Normandie oder eine Packung Oelsardinen erinnerte. Der Animateur liess auch schon bei der Landung auf der Insel vor 2 Stunden denn Brueller los: "An alle kubanischen Mitbuerger unter ihnen: Wenn sie festen Boden unter den Fuessen haben, rennen sie, was sie koennen!" Die Rueckfahrt verlief still, da fast alle Kolumbianer total fertig auf den Baenken lagen.

Zurueck in Cartagena assen Jimmy und ich Pferd zum Abendbrot und bewegten uns dann noch einmal in die Innenstadt, um den letzten Abend bei einem kuehlen Bier auf der Plaza Bolívar ausklingen zu lassen. Ein Truppe afrikanischstaemmiger Taenzer hatte gluecklicherweise dieselbe Idee (mit Wasser statt Bier) und so kamen wir in den Genuss einer erstklassigen Vorfuehrung von Cumbia, schneller Taenze der ehemaligen Sklaven an der Karibikkueste, die uns mit schnellen akrobatischen Bewegungen bezauberten. Ab und zu ging ein Hut rum und kleine Kinder schnappten sich eine unbesetzte Trommel unf trommelten mit.

Sonntag

Am naechsten Morgen befanden wir uns wieder auf der Plaza Bolívar, ohne Taenzer, Bier und angenehm-kuehler Brise. Wir besuchten das Museum ueber die spanische Inquisition in einem der aeltesten Kolonialhaeuser direkt am Platz. Wenn man nicht staendig Leute foltern und toeten haette muessen, haette ich mir einen Job in dieser Branche vor 400 Jahren durchaus vorstellen koennen; bei dem tollen Garten. Galgen und Guillotine einmal weggedacht. In den oberen Geschossen erklaerten Vitrinen in wohlgekuehlten Raeumen die Geschichte der Besiedelung Catagena, den Belagerungen durch die Piraten und der heroische Schritt in die Unabhaengigkeit vor 200 Jahren. Am Nachmittag dann machten wir uns dann auf in das Fischerdorf Taganga, in der Naehe von Santa Marta, 200km oestlich von Cartagena. Der Lonely Planet veranschlagte dafuer 4 Stunden, wir brauchten 8, in unklimatisierten Bussen, deren Sitz- und nichtvorhandene Stehplaetze vollstaendig ausgebucht waren. So einen Bus, der an jeder Milchkanne haelt, nennt man auch in Kolumbien Lechero. Um 22 Uhr erreichten wir schliesslich unser Ziel - aber davon erzaehl ich euch das naechste Mal.

Ich wuensche euch alles Gute und bis bald. Carpe diem,

Stefan

1 Comments:

  • Hi Stefan,

    Ich könnte mir vorstellen, dass du in Südamerika eigentlich Spannenderes unternehmen könntest, als immer dieses blog zu befüllen. Darum: Vielen Dank für dieses "Opfer"!!

    anomün

    By Anonymous Anonym, at 22:48  

Kommentar veröffentlichen

<< Home