Morz und wie er die Welt sah...

Donnerstag, Oktober 15, 2009

Peru - Der lange Weg nach Sueden

Liebe Freunde,
an unserem letzten Abend in Ecuador ist nicht mehr viel Spektakulaeres passiert. Es regnete den ganzen Tag und das verwehrte uns die Moeglichkeit, schliesslich kurz vor Verlassen von Ecuador noch eine seiner typischsten Spezialitaeten zu probieren: gegrilltes Meerschwein. Aber ich hoerte, dieses Nagetier isst man ebenso in Peru. Wir werden sehen. Ansonsten rannte ich auch waehrend des Emailschreibens nur zwischen Hotelklo und Internetcafé hin und her, und hatte eigentlich gar keinen Hunger. Und so klang der Abend in Stille aus.

Dienstag - Loja -> Piura

Der Dienstag begann sehr frueh...mit dem 7-Uhr-Bus von Loja nach Piura. Das ist die erste groessere Stadt auf der perunaischen Seite der Grenze. Bis zur Grenze genoss ich die Landschaft und hoerte mein vorletztes Horspiel: "Der Kontrabass" von Patrick Suesskind. Bei Abfahrt hatten wir unsere letzten 40 Cent in Lollies umgesetzt und mit dem mp3-Player auf den Ohren und nem Lolli im Mund, sieht die Welt sehr entspannt aus.

Einige Male auf der Strecke trafen wir auf meinen heutigen (ersten) Lieblingsberuf der Woche: Das Siga-Maennchen. Wir nennen das Maennchen so, weil dieses Maennchen gerne auf einsamen Strassen herumsteht und ein Schild in der Hand haelt, auf dem "Siga" (weiterfahren) steht. Doch bekommt das Siga-Maennchen eine Ansage ueber das Funkgeraet, verwandelt es sich ganz schnell in ein Pare-Maennchen (anhalten). Diese Ampelmaennchen sind in ganz Suedamerika keine seltene Tierart und werden von verantwortungsloses Strassenbauunternehmen bei einspuriger Strassenfuehrung einfach in die pralle Sonne gestellt, meist in gottverlassener Pampa viele Kilometer vom naechsten Ort, ohne das man ihnen ab und zu ein kuehlendes Getraenk reicht. Bedauernswerte Spezies.

Gegen 12 Uhr erreichten wir den Grenzort. "Schoen, wie ein Grenzort"... ihr wisst schon. Und ausserdem forderte der gestresste Verdauungstrakt sein Recht. Zu allem Uebel fragte die Klofrau mich freundlich aber bestimmt nach 10 Cent und keine Diskussion und Dringlichkeit konnte sie davon abbringen. Mist, und wir hatten kein Geld mehr. Da blieb mir leider nichts uebrig, als ihr einen meiner Lollis anzubieten. Sie sagte, sie wuerde nur auf den Deal eingehen, wenn ich Erdbeergeschmack dabei haette. Und ich haette. Puh. Zehn Minuten spaeter schlenderte ein zufiedener Stefan an einer Lolli lutschenden Klofrau zurueck zum Reisebus.

Die Einreise nach Peru verlief problemfrei. Sogar einen Stempel gabs. Nur der bloede ecuadorianische Grenzbeamte muesste wieder meinen Pass verknautschen, um ihn in einen Drucker zu bekommen. Mein erster Eindruck von Peru war nicht der allerbeste. Wir hatten die Anden verlassen und fuhren nun in der Naehe der Kueste durch verdorrtes Land. Trauriges, langweiliges, totes, verdorrtes Land. Aber dafuer kann ja Peru nichts. Aber fuer die Tonnen an Wasserflaschen und Plastiktueten, Autoreifen und Verpackungen die ununterbrochen links und rechts am Strassenrand lagen und weswegen die gesamte Landschaft stank. Der Gestank minderte sich, als wir Piura erreichten, die erste groessere Stadt auf der peruanischen Seite der Grenze. Hier herrschte zwar Verkehrchaos, doch die Strassen waren sauberer als die Landschaft vor dem Ort. Wir quartierten uns in ein Hotel mit den schoenen Namen "Los Jardines" ein, nur habe ich keinen gefunden. Das Zimmer war karg, aber gross, und der Hinterhof keine Pracht. Dafuer lag es in einer besseren, ganz schicken Gegend. Fuer den Abend entschieden wir uns fuer Kino, "The Taking of Metro 123" mit Travolta, Washington und Turturro gabs. Gar nicht schlecht. Dann haben wir uns noch die oertliche Kirche angeschaut und bald ins Bett begeben.

Mittwoch Piura -> Lima

Der Morgen begann mit Ausschlafen und einem leckeren Fruehstueck am Hauptplatz des Ortes, auf dem gerade Rettungsdienst, Polizei und Armee einen Grosseinsatz uebten. Das Ruehrei war lecker, nur die Sirenen stoerten ein wenig. Beim anschliessenden Stadtrundgang entdeckten wir meinen zweiten Beruf der Woche: Strassenbuchhalter. Am Strassenrand sitzen ca. 10 Menschen nebeneinander aufgereiht und jeder hat auf einer Kiste oder Tisch eine Schreibmaschine vor sich. Was macht man, wenn man keinen Computer oder eine Schreibmaschine besitzt und auf einen formellen Brief reagieren muss? Man geht zum Strassenbuchhalter des Vertrauens! Der setzt einem den Brief an den Rechtsanwalt, die Stadtverwaltung oder die Steuererklaerung auf. Und das Ganze fuer ein paar Cents. Ich finde, dass sollten wir in Deutschland einfuehren. Dann wuerden Buchhalter nur Geld verdienen, wenn sie sich bewegen.

Gegen Mittag schnappten wir unsere Klamotten und bestiegen eine Motorradrikscha. In Asien heissen die Tuktuks. Das kleine Ding keuchte ganz schoen, als es die ueber 200 Kilo von mir, Jimmy und unserem Gepaeck ueber die Bruecke zum Flughafen transportieren musste. Flughafen? Ja, wir beide hatten beschlossen, nach 2 Tagen Busfahrt auf weitere 18 Stunden Fahrt nach Lima zu verzichten und stattdessen dem Flugzeug den Vortritt zu geben. Man goennt sich ja sonst nichts. Und ausserdem ist es viel angenehmer ein Kaltgetraenk von einer schicken Stewardess gereicht zu bekommen (nicht wahr Sonja?), als sich den Sitz fuer 18 Stunden mit dem schwitzenden Bauer Gomez Martinez zu teilen.

In Lima angekommen, nahmen wir uns ein Taxi zu dem Hostel, das wir uns aus dem Lonely Planet gefischt hatten: das Hostal de España. Und das war ein totaler Gluecksgriff, denn ich wage es zu behaupten, dass es das schoenste Hostel ist, in dem ich bisher geschlafen habe. Sogar toller als das in San Águstin! Ich bin immer noch hin und weg. Warum? Weil es ein Museum ist. Naja, zumindest kommt es so daher. Ueberall stehen Buesten der wichtigsten altgriechischen Persoenlichkeiten, haengen 2x3m grosse Spiegel mit Goldrahmen neben alten Gemaelden an der Wand und selbst ueber den Betten haengen antike Nachttischleuchten. Und das ist noch nicht alles. Betritt man die Dachterrasse, steht man in einem Dschungel aus Pflanzen in deren Mitte sich ein kleines Fruestuecksrestaurant und viele weitere Statuen befinden. Zu den Zimmern oben auf der Terrasse kommt man durch ueberwachsene Veranden, Balkone, manchmal ganze Laubengaenge. Und dann hat man noch einen schoenen Blick auf die angeleuchtete Kirche nebenan und die naechstgelegene Bergkette. Grandios. Ich warte jetzt schon auf das morgige Fruehstueck dort oben.

So, aber jetzt gibt es erst einmal Abendbrot. Und so verabschiede ich mich vorerst und wuensche euch allen eine gute Nacht. Ich werd gut schlafen zwischen der Mona Lisa und der Venus von Milo. Gehabt euch wohl und carpe diem,

Euer Stefan