Morz und wie er die Welt sah...

Freitag, Oktober 02, 2009

Kolumbien - Popayán oder Der Weg ist das Ziel

Liebe Freunde,

eben hab ich mal ein bisschen Zeit am Internetrechner des Hostels hier ergattert und hoffe, euch nun so viel wie moeglich ueber meine weitere Reise berichten zu koennen.

Wo war ich stehen geblieben? Achja, San Águstin. Von dort aus hatte ich euch von unserer ersten Reitstunde, in landschaftlich kaum zu ueberbietendem Ambiente erzaehlt. Der Abend brachte dann auch nicht viel mehr Ereignisse mit sich, ausser einem kleinen Mopedunfall, bei dem ich einem Einheimischen half, wieder auf die Beine kommen und sein Moped zum Laufen zu kriegen, und einer wundervollen Nachtwanderung unter funkelndem Sternenzelt, nur ab und zu von sexuell uebereifrigen Gluehwuermchen unterbrochen, zurueck in unser schickes Hostel vorm Dorf. Wir hatten uns entschieden, gleich am naechsten Morgen den Bus nach Popayán zu nehmen, um dort noch bei Tageslicht anzukommen.

Das klappte auch ganz gut. 7 Uhr aus der Koje, ein Schwangerenfruehstueck aus unseren Resten verzehrt (Brot mit Thunfisch und Ananasmarmelade, dazu heisses Wasser mit Zucker, da der Tee weg war) und runter zur Busgesellschaft. Als die schnuckelige Touri-Office-Dame uns die Tickets fuer den Bus fuer 28.000 Pesos verkaufen wollte, probierten wir es einfach und sagten, ihr Kollege gestern Abend haette 25.000 Pesos gesagt - und trafen voll ins Schwarze. Das sei ungewoehnlich, aber okay, dann fuer 25.000. Dieser Tag war der letzte Sonntag. Wahlsonntag in Deutschland. Aber auch in Kolumbien. Neben Regionalwahlen standen auch Praesidentschaftsvorwahlen auf dem Programm. Das hatte zur Folge, das Dorf -und Stadtzentren fuer den Verkehr gesperrt waren und uebermaessig viele Militaerkontrollen durchgefuehrt wurden. Daher sollte unser Bus etwa eine Stunde spaeter eintreffen. Also schlenderten wir noch gemuetlich ueber den Markt von San Águstin, beobachteten die Fruechte der Obstfrauen und die Fleischer, die versuchten, die Marktkoeter vom frisch geschlachteten Pansen fernzuhalten, die Schuhputzer, die versuchten, wieder etwas Glanz auf Bauers Schuhwerk zu zaubern, ebenso wie die stumm kauenden Pferde der 1Ps-Taxis vor den Tueren des Marktes.

Um 10 Uhr war der Bus schliesslich da und irgendwie schaffte es der Beifahrer unseres kleinen Busses, die Rucksaecke von 5 Travellern und mehrere Kisten Einheimischer in den winzigen Stauraum unter der Heckklappe zu zwaengen. Neben uns waren noch 3 Australier an Bord, ein Paar um die 60 und ein 23-jaehriger, der gestern eine spirituelle Erfahrung mit einem Schamanen und ausgekotztem Wurzelgebraeu gemacht hatte (na viel Spass). Die Strasse fuehrte uns zuerst nach Isnos, einem anderen Dorf in der Naehe. Einige Passagiere stiegen aus, andere ein und unser Bus fuhr zu einem Mechaniker. Der steckte 2 komische Draehte in einen Metallkasten, legte sich dann unter den Bus und schweisste an der Achse herum. Wir hofften nur, was immer er da tat, wuerde bis Popayán halten.

Kurz nach Isnos hoerte der Asphalt auf, eigentlich die Zivilisation. Rechts und links der Strasse, soweit man diese als solche bezeichnen kann, reckten sich Viertausender empor, oder tiefe, atemberaubende Schluchten. Nur ab und zu zuckelte ein LKW ueber die Schotterpiste. Nur wir zuckelten nicht, wir rasten. Jimmy und ich hatten zwar Platz, weil wir die letzte Sitzreihe gewaehlt hatte, flogen deswegen aber auch regelmaessig gegen die Busdecke, wenn der Bus eines der Schlagloecher fand, aus denen der 130km lange Feldweg bestand. Auf der Haelfte der Strecke, nach 4 Stunden Fahrt, hielt der Bus dann erneut. Die Bremsfluessigkeit war diesmal der Grund. Eigentlich das Loch in der Leitung der Bremsfluessigkeit. Heroisch-stolz anmutend zog der Beifahrer/Packer/Mechaniker sein Hemd aus, legte sich erneut unter den Bus und begann an der Leitung herumzufummeln. Anscheinend hat er dort etwas Sinnvolles hinbekommen, denn schon bald ging die Fahrt weiter. Und fuehrte uns schliesslich in den Páramo. Das ist die Landschaft, die in den Anden auf Hochebenen zu finden ist: trockene Grassteppe, deren Grasbueschel der Wind wie die Wellen des Meers bewegt. Hier gab es auch wieder einzelne Hoefe, denen wir bzw. der Bus Post und Pakete brachten. Nach 7 Stunden erreichten wir endlich wieder etwas, dass Europaeer als Strasse bezeichnen wuerden und mit untergehender Sonne stiegen wir im Terminal von Popayán aus.

Unser Hostel hatte sich wohl seit 30 Jahren nicht mehr geaendert, aber es gab ein sauberes Bett in einem Dorm und sogar eine warme Dusche. Wir schmissen nur die Sachen hin und machten uns auf, vor der Nacht noch "die weisse Stadt" zu erkunden. Der Lonely Planet sie als die schoenste Kolonialstadt nach Cartagena. Es dauerte eine Weile, aber am Ende konnten wir den Charme der Stadt erkennen. Die Innenstadt besteht aus vielen langen Strassenzuegen alter, identischer Haeuser mit armdicken Waenden, die von geschwungenen Strassenlaternen geleuchtet werden. Hier und da taucht eine ebenso weisse Kapelle an der Ecke auf und in der Mitte liegt ein grosser Platz, der zur Abwechlung mal nicht Plaza de Bolívar heisst. Unsere erste Sorge galt der Nahrung. Doch trotz grosser Bemuehungen fanden wir nicht ausser einem Crepes-Laden und das ist ja wohl nichts Herzhaftes. Nicht einmal viele Menschen waren auf der Strasse. Als wir die Suche schon aufgeben und uns in eine hungrige Nacht ergeben wollten, entdeckten wir, dass gegenueber unserem Hostel eine kleine Ein-Frau-Pizzeria ihr Dasein fristete; nur hatten wir nicht erkannt, dass der Laden offen war, denn aus Sicherheitsgruenden war der Eingang vergittert. Wohlgesaettigt liessen wir uns dann auf unsere Betten nieder und lernte unsere heutigen Zimmergenossen kennen. 2 Briten aus London und Birmingham und Ulf aus Dresden. Wieder einmal bestaetigte sich, dass Jimmy und ich mit unseren 2 bzw. 4 Monaten Reisezeit mit Abstand die Kurzreisenden hier in Suedamerika sind. Viele reisen 1 Jahr oder 2 oder komplett unbegrenzt. Da werd ich immer total neidisch.

Der Montagmorgen begann fuer uns und die Briten sehr frueh, denn wir wollten zusehen, dass wir Land gewinnen. Sprich, soviel wie moeglich Strecke zu machen. Der erste Bus brachte uns zurueck auf die Panamerikana, mit Ziel Pasto. Die Pastusos sind so etwas wie die Ostfriesen Kolumbiens. Zwar koennen sie nichts dafuer, aber sie sind Hauptbestandteil der Haelfte aller kolumbianischer Witze. Ansonsten stellen sie einjen der wenigen geniessbaren Kaese dieses Landes her und wohnen in kargen, aber beeindruckenden Bergen. Wenn man durch die Berge 30-100km noerdlich faehrt, versteht man auch ohne Blick in den Himmel, wie unbedeutend der Mensch ist. Diese sanften, majestaetischen Berge formen tiefe, fast vegetationslose Schluchten, die ich in ihrer Groesse noch nicht zuvor gesehen habe. Und an diesen Haengen schlagelte sich der Bus entlang. Bis Pasto, wo wir in einen Van wechselten, der uns durch beginnenden Regen nach Ipiales, der kolumbisch-ecuadorianischen Grenzstadt, brachte. Ich glaube, es gibt in keiner Sprache die Redewendung "Schoen wie eine Grenzstadt" und auch ohne Regen erzeugt Ipiales kein Entzuecken im Auge des Betrachters. Erschwerend kam hinzu, dass Jimmies vom Reiten und der 8-Stunden-Buckelpiste vom Vortag geschundene Hintern uns zur Aufgabe unserer Plaene, Kolumbien noch heute zu verlassen, zwang. Der Tag war noch nicht vorbei und so stellten wir unsere Sachen in das zugegebenermassen nicht haessliche Zimmer im haesslichen Hotel an der haesslichen Hauptstrasse des haesslichen Busterminals des haesslichen Ipiales ab und erkundeten die Gegend. Der Reisefuehrer gab erstaunlicherweise eine, sich vermutliche per Zufall hierhin verlaufene, Sehenswuerdigkeit an: das Sanctuario Las Lajas. Ein Collectivo, das ein aus unerfindlichen Gruenden tiefergelegtes Taxi mit Heckspoiler war, brachte uns in das nahe gelegene Dorf in dem sich das Heiligtum befindet. Und wir stiegen langsam, dem Pilgerweg und den Dankesplaketten folgend hinab in ein Tal und ... und trauten unseren Augen nicht. Das steht auf einer Bruecke hoch ueber einer Schlucht eine neugotische, prunkvolle Kirche mitten im Nichts und das kam so: Wir schreiben das mittlere 18. Jahrhundert. Bauer Weissichnicht Gomez Martinez steht vermutlich mit seinem Vieh an der Schlucht und erblickt an einer 45m hohen Steilwand ueber der Schlucht die Jungfrau Maria. Die Sichtung wird als offiziell anerkannt und nun steht man vor dem Problem, wie man so eine im Gegensatz zu Lourdes oder Fatima bloed zugaenglichen Stelle wie einer senkrechten Felswand den Pilgern zugaenglich macht. Mmmh, dann baut man eine Bruecke ueber die Schlucht, haengt eine Krypta unter die Bruecke in die Luft und zimmert darauf eine Kirche, derem Altarraum ein Felsen ist. Zugegeben etwas skurril, aber durchaus sehenswert in seiner etwas kitschigen, aber imposant und erhabenen Art.

Der naechste Morgen begann wieder frueh und fuehrte uns schliesslich zur Grenze des Landes, in dem ich fast 2 1/2 Monate verbracht hatte, eine neue Sprache lernte, neue Freunde gewann, Buckelwalen und Schiedenmotorraedern zum ersten Mal begegnete, auf Bergen fror und am Meer schwitzte und vieler andere Erfahrungen machte. Als der Zoellner mich fragte, ob ich nach Ecuador ausreisen moechte, schwankte ich fuer den Bruchteil einer Sekunde zwischen "weiss nicht" und "Na, nach Panama komm ich hier wohl nicht" und entschied mich dann fuer ein bescheidenes "Sí!".

Was das neue Land fuer Ueberraschungen und Erfahrungen fuer uns bereit hielt und haelt, davon berichte ich euch dann beim naechsten Mal. Alles Liebe an euch,

der Stefan

1 Comments:

  • Keine Sorge Stefan, auch wenn hier fast keine Kommentare stehen... Wir lesen ALLE mit!!!

    Gruß, anomün

    By Anonymous anomün, at 13:57  

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