Morz und wie er die Welt sah...

Dienstag, Oktober 06, 2009

Ecuador - Quito

Liebe Freunde,

ich bin es wieder. Nach so kurzer Zeit. Heute befinde ich mich in den kleinen Staedtchen Latacunga 2 Stunden suedlich von Quito. Die Buergersteige sind vorsorglich schon einmal hochgeklappt und die Strassen sind leer. Es ist ja auch schon fast 20Uhr hier. Aber eigentlich moechte ich euch nicht von Latacunga erzaehlen sondern von Ecuadors Hauptstadt: Quito.

Aber fangen wir an der Grenze Kolumbien-Ecuador an ... und mit einer Enttaeuschung ... denn hier gibt es keine echten Grenzstempel mehr - stattdessen wird der Pass schlimm verknautscht und verbogen, um in einen Drucker zu passen, der die Aus- bzw. Einreise dokumentiert. Noch so ein paar Grenzen und mein Pass sieht aus wie Jimmies roter Reisedokumentelappen. Na gut, wir waren in Ecuador und unsere erste Station hiess Tulcán. Auch sie war keine Ausnahme von der Tradition haesslicher Grenzstaedte, aber besass einen Busbahnhof mit einem Bus, der uns nach Quito bringen sollte. Mehr musste sie uns auch nicht bieten. Wie versprochen fuhr der Bus 5 Minuten spaeter los und wie auch in Kolumbien ueblich hiess das, wir fahren 3m aus der Busbahnhof raus und warten, bis der Reisebus voll wird. Muss sich ja lohnen, so eine Fahrt. Aber anscheinend wollten viele Ecuadorianer Onkel und Tante in der Hauptstadt besuchen, so dass es ziemlich zuegig losging. "Ziemlich zuegig" trifft auch auf den Fahrstil des Busfahrers zu, zumindest manchmal; andere Male schlich er gemaess dem Motto "Blumen pfluecken waehrend der Fahrt verboten" durch die Gegend. Warum, weiss nur er. Und im businternen Fernseher lief fuer uns Passagiere dann "Fast and Furios" Teil 1 & 2. Quasi als Ausgleich und Ansporn. Vor Sonnenuntergang erreichten wir schliesslich Quito und teilten uns mit einem kanadischen Paerchen das Taxi in die Altstadt, schmissen unsere Sachen in unser Zimmer und machten uns auf in die Stadt. Und die beeindruckte mich sofort. Im Gegensatz zu Bogotá, dass mehr haessliche als schoene Ecken hat, besitzt Quitos Altstadt Charme. Und der kommt zu einem grossen Anteil aus seiner Topografie. Quito liegt auf 2850m Hoehe und ist damit die hoechstgelegene Hauptstadt dieser Erde, aber die Strassen interessiert diese Zahl ueberhaupt nicht. Sie schlaengeln sich teilweise im 45 Gradwinkel entlang der Flanken der umliegenden Vulkane und erheben damit manche Haeuser fuer die ganze Stadt sichtbar und lassen andere verschwinden. Abends setzten wir uns dann noch auf die Dachterrasse (ja, so etwas hatte unser Hotel) und liessen uns vom Flimmern der Lichter des ganzen Tals Quitos beeindrucken.

Der naechste Morgen begann wieder auf der Dachterrasse, mit Ruehrei, Croissant und Tee. So konnte man es sich gut gehen lassen. Das koennte ich jeden Tag so haben. Danach stand ein laengerer Stadtrundgang auf dem Plan. Dieser fuehrte uns zuerst zu der auf einem Felsruecken ueber der Stadt thronenden Basilica del Voto Nacional. Im Inneren ist sie schlicht und wirkt durch ihre aufstrebenden Saeulen und herrlich vielen bunten Glasfenster mit Szenen aus dem Neuen Testament. Darueberhinaus hat Jimmy und mich gewundert, dass kein einziges Kreuz zu sehen war. Stattdessen besitzt sie ein in Fahnen eingerahmtes Portrait von Jesus, dass dem eines Staatsmannes gleicht. Das Highlight der Basilika sind aber ihre Tuerme, die man besteigen kann. Das erste Level fuehrt einen direkt unter das Mittelschiffdach mit seiner viel zu kleinen Orgel und seiner dafuer umso groesseren Buntglasrosette. Bunt und schoen. Dann steigt man weiter hinaus und befindet sich gefuehlt kurz unter der Spitze auf einmal in einem Souvenirshop, in dem eine in Decken eingepackte Frau gelangweilt in die Runde schaut. Ein paar Stufen hoeher taucht dann ein Nobelrestaurant mit mit Tuch ueberzogenen Stuehlen und einer noch gelangweilteren Bedienung auf. Das war der Zeitpunkt, an dem man anfaengt zu raten, was als naechstes kommt. Moenche? Seiltaenzer? Pizza fuer Jonas Wagner? Alle verloren, ein Klo kam noch, natuerlich abgeschlossen und das Dach des Kirchenschiffes. Unter diesen gingen wir ueber das Gewoelbe zum "kleinen", sich ueber dem Altar befindenden Turm, dem Torre del Condor. Man steigt dann unter dem Dach hervor und erklimmt dann eine fast senkrecht stehende Metalleiter um den Turm mit seiner niedrigen Steinbruestung zu betreten. Und hat einen atemberaubenden Blick von hier oben ueber die Stadt. Natuerlich brauch ich nicht erwaehnen, dass dieser Turm in Deutschland gesperrt gewesen waere. Nicht nur dass man haette herumfallen koennen, aber auch Selbstmord und Pinkeln aus grosser Hoehe um 100m bergen ihre Gefahren fuer unschuldige, erdgebundene Kirchgaenger. Nach einem Beweisfotos stiegen wir wieder hinab ins Gebaelk und begannen unseren Aufstieg in den Glockenturm. Den kann man ebenfalls bis einige Meter unter dem Kreuz besteigen. Und mir rutschte das Herz gehoerig in die Hose, als Jimmy und ich Beweisfotos unter der Turmspitze schossen und auf einmal ein Maedchen durch ein Loch im Turm vom 100m hoch gelegen Sims zurueck ins Innere des Turms kletterte. Ich hatte ja schon drinnen im Turm Muffensausen. Aber ihr ging es gut, mir auch bald wieder und so begingen wir unseren Abstieg.

Mit Hunger im Bauch schlenderten wir die Strasse von der Basilika herab zur Plaza Grande, dem wohl schoensten Platz Quitos. Hier stehen seit 300 Jahren Erzbischofspalais, Kathedrale, Justizpalast und Praesidentensitz weiss getuencht und eintraechtig bei einander, alte Herren lassen sich die Schuhe putzen und fliegende Haendler wollen dir ihren Kram andrehen. Uns
verschlug es dann in das ebenfalls in Kolonialstil gebaute Kulturzentrum in einer Ecke des Platzes mit seinen mit Araukarien bepflanzten Innenhoefen. Aber nicht nur die Innenhoefe waren betrachteswert, sondern auch ausgestellte Gemaelde des beruehmten ecuadorianischen Malers Joerg Immendorff, die gerade in den dunklen Saelen weilten. Okay, es war mehr ein Hab-ich-auch-mal-ein-paar-andere-Bilder-von-dem-gesehen-als-nur-das-Schroederportrait. Aber interessant und unverstaendlich.

..................................jetzt ist es schon wieder 4 Tage spaeter, aber ich schreib mal so weiter, als ob nichts gewesen waere......................................

Nach dem Mittagessen nahe des Kulturhauses bestiegen wir die Jungfrau von Quito. Aehm ... schlechter Anfang ... aehm ... anders: In der Mitte des Tals, in dem Quito liegt, erhebt sich mutterseelenallein der Panecillo. Er ist sowas wie der Hausberg der Stadt und man kann ihn von jedem Teil Quitos sehen. Auf seiner Spitze steht, der Freiheitsstatue gleich, die Virgen del Quito. Und ebendiese kann man betreten. Der Ausblick ist toll! Man sieht, wie gross Quito eigentlich ist und wie es von Vulkanen eingerahmt wird. Da die Luft hier duenner und klarer ist, kann man auch muehelos die richtig hohen, schneebedeckten Vulkane hinter der lokalen Kette sehen, den Cotopaxi (5897m), den Antisana (5704m) und den Cayambe (5790m); alle zwischen 50-80km entfernt. Nach einem Picknick mit Affenschnitzel, wie Jimmy die Bananen nennt, ging es wieder bergab in die Altstadt. Dort besuchten wir am Nachmittag noch den aeltesten Bau Quitos, ein Franziskanerkloster aus dem Jahr 1534 mit herrlichen Innenhoefen und einem Museum ueber religioese Kunst, insbesondere ueber die Quitoer Schule. Von Kultur und Eindruecken geschafft, schleppten wir uns zurueck zum Hotel und liessen den Tag gemuetlich ausklingen.

Am Donnerstag stand eigentlich die Fahrt nach Latacunga auf dem Plan. Der wurde aber schnell geaendert, als das kanadische Paerchen Jimmy beim Fruehstueck auf der Dachterrasse (die Dachterrasse darf nicht unerwaehnt bleiben, nur um euch neidisch zu machen) das nahe gelegene Aequatormonument in den schoensten Farben beschrieb. Wir wuerden also ein paar Kilometer nach Norden fahren, um uns eine virtuelle Linie anzuschauen, die quasi die Taillenweite der Erde beschreibt. Na gut. Aber zuerst ging es hoch hinauf. Mit dem Taxi fuhren wir zur Talstation der neu gebauten Seilbahn. Diese war gross wie ein Flugzeugterminal, teuer wie ein Inlandsflug und man musste einzeln auf lustigen kleinen gelben Flecken auf dem Boden stehen, damit man auch ja einzeln und unfallfrei in die im Schneckentempo vorbeikriechende Gondel einsteigen konnte. Im Inneren waren wir vor allem sicher, da auch noch 2 Polizisten mit in der Gondel sassen und uns von den Vegetationszonen am Rucu Pichincha, Quitos Hausvulkan, berichteten. Oben angekommen, warnte uns ein Schild, dass wir uns nun auf 4100m Hoehe befinden, und das Kinder unter 1 Jahr und Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht hier herauf fahren duerften. Ein bisschen spaet diese Info, oder? Uns jedenfalls ging es gut und wir wanderten ein bisschen auf der Bergkuppe entlang den Gipfel des Berges entgegen. Jimmy schoss jede Menge Fotos waehrend ich mit einer aus Ljubljana (Slowenien) angereisten Theatergruppe quatschte, die am morgigen Tag "Schneewittchen" in einer Gothikversion auffuehren wuerden. Neben einer tollen Schlucht wurde uns der Anstieg dann doch zu steil und wir setzten uns wieder, einzeln und auf Kreisen stehend, in die Gondel zurueck in Tal.

Unten angekommen krallten wir uns einen Bus, der uns zur Mitte der Welt, La Mitad del Mundo, brachte. Dort gab es erstmal lecker Mittag, und dann schossen wir viele Photos auf der ach so beruehmten Linie. Mit einem Rasensprenger vollzog ich an Jimmy die Aequatortaufe, der schliesslich das erste Mal den Aequator zu Fuss ueberquerte und er raechte sich in gleicher Manier. Selbst Bill Clinton war schon einmal hier gewesen, wie man ueberall, auf Basecaps, T-Shirts und Postern, lesen konnte. Uns verschlug es, dem Reisefuehrer folgend, ein paar Meter die Strasse runter in das Museum Inti Ñan. Es sah gar nicht wie ein Museum aus, sondern eher wie ein Freilicht-Kuriositaetenkabinett. So begruesste man uns auch auf der englischen Tour mit der Aussage, die Leute, die das 30m hohe Aequatormonument errichtet haben, hatten sich verrechnet und ein amerikanisches GPS haette die Wahrheit ans Licht gebracht: der Aequator verlaeuft 250m noerdlicher, genau durch das Museum. Unsere Fuehrerin hatte nur 45 Minuten Zeit fuer uns, also ging es im Eiltempo durch die wichtigsten Themen den Aequator und Ecuador betreffend: dass Eingeborene jeden Weissen ohne Besuchsschein sofort toeten, wie Anacondas Menschen attakieren, wie man Schrumpfkoepfe herstellt, wie gross Vogelspinnen werden und wie giftig sie sind und dass man diese traditionellen Handteppiche auch im museumseigenen Souvenirshop kaeuflich erwerben kann. Danach kam mein Lieblingsteil der Fuehrung: das Waschbecken. Stellt man es genau auf den Aequator, fliesst das Wasser ohne Strudel ab. Dass 1 Meter noerdlich und suedlich des Aequators das Wasser gegen bzw. im Uhrzeigersinn abfliesst, demonstrierte sie uns stante pede. Ich stand nur schmunzelnd in der Ecke und dachte mir meinen Teil. Aber es kam noch besser: Am Aequator laesst sich, wegen der ausgleichenden gravitativen Kraefte (?), ein rohes Ei besser auf einen Nagelkopf stellen. Ausserdem lassen sich wegen der geringeren Anziehungskraft auf dem Aequator (auch ein blindes Huhn trinkt mal ein Korn) ausgestreckte Arme einfacher nach unter druecken. *prust* (oder fuer die Internetgeneration *rofl*). Naja, das ganze Museum hatte die Allueren eines Hollywoodfilms: den Tiefgang einer Pfuetze, den intellektuellen Aufbau einer Verkehrsregel, aber trotzdem unterhaltsam.

Auf der Heimfahrt gesellte sich noch eine weitgereiste Hollaenderin zu uns, die in Quito einen Sprachkurs macht und frisch von den Galapagosinseln zurueckgekommen war. Sie meinte, sie muesste in 4 Jahren mal wieder etwas arbeiten, sonst wuerde ich dann das Geld zum Reisen ausgehen. Man, das kann deprimieren.

Der folgende Tag fuehrte uns abschliessend in das schoen gemachte Museum ueber die Geschichte Quitos, welches mich sogar noch als Student eintreten liess, obwohl ich doch seit ein paar Tagen nach 10 Jahren wieder normalsterblicher Buerger bin. Schade, dass sonst keine Besucher drin waren. Es begann mit den 4 Elementen und (Ur-)Menschen, die im Dschungel lebten, ihren Graebern und Grabbeigaben, um dann schwupps bei Franziskanermoenchen und dem Leben in der Kolonie weiterzumachen. Es waren viele Alltagsgegenstaende zu sehen, alte Ruestungen und einer 3x3m grossen Holzfussbodenintarsienarbeit der Besiedelung Quitos. Ein anderer Teil des Museums widmete sich noch der Politik, den Arbeiteraufstaenden und den Karikaturen ueber die Regierung vergangener Zeiten. Und wen das alles nicht interessierte, der konnte in den wiederum schoenen Innenhoefen sich die Sonne auf den Pelz brennen lassen.

Nach einem ausgiebigen Mittagessen bei Roberto (Insiderwitz) schnappten wir unsere Rucksaecke und fuhren zu dem naechsten Ziel unsere Reise: Latacunga. Aber davon erzaehl ich euch ein andermal. Ich wuensch euch noch ne schoene Zeit und bis bald. Carpe diem,

Stefan