Morz und wie er die Welt sah...

Freitag, Oktober 30, 2009

Peru - Titicacsee

Hallo liebe Freunde,

ich hoffe, alle Komplikationen in meiner WG sind vorerst geloest und so versuche ich nun, euch ein bisschen von den vergangenen Tagen zu erzaehlen.

Cuzco

Unser letzter Abend in Cuzco fuehrte uns auf Wunsch eines einzelnen Herren in das Folkloretheater der Stadt. Dort wurden traditionelle Taenze dargeboten. Da Jimmy eingeborener Ossi ist, hiess das Argument: “Is umsonst, also schauen wir es uns an!” Nun gut. Ich muss ja zugeben, dass die Taenze aufgrund einiger Fehltritte ab und zu erfrischend unprofessionell und erheiternd waren. Die Maennerstimmen waren sonor, die der Frauen erinnerten an ein Meerschwein, auf das gerade getreten wurde. Das Orchester, welches die Taenzer begleitete, bestand aus 4 Gitarren, 1 Keyboard, 1 Geige, 2 Lauten und 3 Floeten, wobei die erste Gitarre, erste Geige, erste Keyboard und erste Laute zusammen etwa 300 Jahre auf dem Buckel hatten und waehrend der Darbietung oefter einmal wegnickten.

Zum Abschluss des Abends besuchten wir noch ein Restaurant, welches sich auf Meerschweinchen spezialisiert hatte. Wir koennen ja nicht wochenlang durch kulinarisches Meerschweinchengebiet fahren, ohne es mal zu kosten. Also gab es cuy al horno. Ich muss sagen, auf den ersten Blick kann man gebratenes Cuy nicht von einer Ratte ohne Schwanz unterscheiden. Vielleicht war es ja auch Ratte. Aber dann hat sie gut geschmeckt. Nur viel Fleisch ist nicht dran. Satt wird man von den Kartoffeln.

Puno

Am naechsten Tag passierte nicht viel. Am Morgen nahmen wir den Bus nach Puno und fuhren sechs Stunden nach Suedosten. Irgendwo hinter Cuzco fing der Altiplano an. Diese Hochebene, die sich von hier bis zur anderen Seite von Bolivien erstreckt, ist flach wie ein Blatt Papier. Nur in der Ferne erheben sich die Berge einer Kordillerenkette. Am Himmel haengen dicke volle Schaefchenwolken und Schafe weiden am Strassenrand, ohne sich in das Oedland vorzutrauen. 70km vor Puno dann standen ein paar Flamingos in einer flachen Lache. Dann erreichen wir Juliaca. Vielleicht die haesslichste Stadt Perus. Hier moechte ich wirklich nicht tot ueberm Zaun haengen. Nur verdreckte Betonbauten. Der Fahrer nimmt den kurzen Halt zum Anlass, einen Reifen zu wechseln und so trauen wir uns doch zaghaft aus dem Bus. Der Hunger draengte uns. Und so gab es Empanadas und Bananen.

Eine Stunde spaeter erreichten wir endlich den strahlend blauen Titicacasee, an dessen Ufer Puno liegt. Der stroemende Regen begann erst, als wir den Bus verlassen hatten und uns auf die Suche nach einer Unterkunft machten. Unsere nassen Fuesse zwangen uns zu der Wahl eines zellenaehnlichen Zimmers, bei dem man uns versicherte, morgen liefe auch das Wasser. Sogar warm. Ich zog mich um und wir sprangen in ein Tuktuk, um uns die fuer uns beide einzige Sehenswuerdigkeit der Stadt anzusehen: die Yavari.

Die Yavari ist ein altes Dampfschiff, welches seit 1870 in der Naehe von Puno liegt. Das ist an sich ja noch nichts besonderes, aber hoert euch einmal seine Geschichte an: Die Yavari wurde, genau wie ihr Schwesterschiff, die Yapura, in England 1862 gefertigt. Dann hat man beide Schiffe durch den Atlantik und den suedlichen Pazifik bis zum heute chilenischen Hafen Arica geschippert. Von dort fuhr es der erste Zug Suedamerikas ins wenige Kilometer entfernte Tacna. Weder Zug noch Strassen fuehrten weiter. „Was nun?“, sprach Zeus. Zerlegen! Genau. Man zerlegte das schoene Schiff in 2766 handliche Teile, lud diese auf Esel und Lamas und brachte diese durch die weglose Landschaft der Westanden (mit Paessen bis 4600m hoch) in sechs Jahren bis zum einige hundert Kilometer entfernten Titicacasee. Dort schweissten kleine einarmige Waisenkinder im Mondschein das Schiff wieder zusammen und liessen es zu Wasser, denn auf dem See sollte es die Grenze mit Bolivien beschuetzen. Nur gab es nie Grenzstreitigkeiten mit Bolivien. Nur mit Chile. Gefahren ist die Yavari trotzdem. Nur gibt es in Peru keine Kohle. Also fuetterte man die Dampfmaschine ueber Jahrzehnte mit Lama- und Alpakadung. Brennt auch. Bis sie ausser Dienst gestellt wurde. 1970 entdeckte schliesslich eine Britin das vor sich hin rostende Schiff, baute es wieder auf und machte daraus ein Museum. Das sahen wir uns an, bzw. fuer eine kleine Spende wurden wir von einem freundlichen Herren durchgefuehrt, bekamen die alte Dampfmaschine genauso zu sehen, wie den originalen, mit Kerzen beleuchteten Kompass und die Kapitaensmesse. Bald soll sie wieder Touristen ueber den See schippern koennen. Nur ihr Schwesterschiff verrottet noch nebenan. Also falls jemand von euch handwerklich begabt ist...

Die schwimmenden Inseln

Der Dienstag begann kalt. Puno liegt auf 3830 Metern und da wird es ueber Nacht empfindlich kalt. Was macht man da nach dem Aufstehen? Genau, warm duschen! Mmh, die Frau vom Hostel hatte zwar recht mit dem Wasser gehabt, nur nicht mit der Temperatur. Und da wir uns nicht wesentliche Teile abfrieren wollten, schnappten wir uns unsere Handtuecher und 10 Soles und duschten im Hostel nebenan. Wir schleppten gleich auch noch unseren anderen Kram rueber und schwupps hatten wir ein Zimmer mit Warmwasser.

Um 6.45 holte uns ein Minibus ab, um uns zum Hafen zu bringen. Dort sprangen wir auf das naechstbeste Boot (das falsche, wie sich spaeter herausstellen sollte), welches uns zu den beruehmten schwimmenden Inseln der Uros brachte. Schwimmende Inseln? Gabs das nicht schonmal? Ja, in Kambodscha auf dem Tonlé Sap. Dort sind das Vietnamesen, die keinen kambodschanischen Boden betreten duerfen. Bei den Uros verhielt es sich aehnlich. Als kleines Volk flohen sie vor den herrschenden Aymara und Inka gegen 1200 auf den See. Dort fanden sie Totora-Schilf, welches im 4-6m tiefen Wasser waechst. Erst baut man daraus eine unter Wasser treibende, 2m starke Plattform aus den Wurzen des Schilfes, welche man zusammen bindet, und deckt dann weitere 1-2m so mit dem Schilfrohr ab, bis man eine treibende Insel erhaelt. Auf einer solchen Insel von vielleicht 300 Quadratmetern leben dann 4-6 Familien in ihren Huetten, fast wie in einem normalem Dorf. Nur schwimmt die Nahrung direkt unter der Wohnung lang.

Die Uros, oder durch Heirat heute vorwiegend Aymaras, weigern sich bis heute, auf peruanisches Festland umsiedeln zu lassen. Dafuer haben sie den Tourismus entdeckt. Und so legte unser Boot an einer der Inseln an, wie andere 10 Boote an zum verwechseln gleichen Inseln. Wir wurden begruesst, wie andere Touris synchron auf 10 weiteren Inseln auch, mit einem Poster und den Eckdaten des Titicacasees. Dann fuehrte man uns den Bau einer Insel en miniture vor und schliesslich durfte man Souvenirs kaufen. Entfernte sich man einmal vom Souvenirstand, konnte man sehen, wie interessant das Leben hier auf der Insel eigentlich ist. Da werden Reiher und Ibisse zum Verzehr gezogen und innerhalb der Insel wurde noch ein Fischteich angelegt, in dem kleine Fische zu stolzen Mahlzeiten heranwachsen. Der Sechsjaehrige vom Inselchef uebt hier schonmal, die Netze auszuwerfen. Ausserdem gibt es auf 3 der Inseln Schulen fuer die Kinder. Immerhin leben ja 2000 Menschen auf den Inseln.

Um von Insel zu Insel zu kommen, haben sich die Uros wieder einmal des Schilfes bedient und doppelruempfige Schilfboote gebaut. Thor Heyerdahl laesst gruessen. In diesem sitzend, ruderten Raúl, der Inselchef, und ich einmal um die Insel und als dann spaeter unser motorisiertes Boot wieder ablegte, sangen die Frauen der Insel zum Abschied beruehmte peruanische Volkslieder wie „Alouette“, „Row row row your boat gently down the stream“ oder „vamos a la playa“ im Kanon mit den anderen Inseln.

Als die schwimmenden Inseln hinter uns und der weite See vor uns lagen, machten wir an Deck erst einmal Fruehstueckspause. Es gab den Rest Mangomarmelade mit Butter und Brot, und Trinkjoghurt. Hier oben von dem wegen des kalten Fahrtwindes immer leerer werdenden Deck aus, konnte man die ganze Pracht des Titicacasees auf sich wirken lassen. Die Atmosphere hier ist so duenn und klar, dass man muehelos ueber 70km hinweg die bolivianische Kueste sehen konnte. Die Stratocirrus wirken zum Greifen nah und die vereinzelten Schaefchenwolken darunter wie mit Photoshop eingefuegt. Die Sicht ist so gut, dass sogar die Kuestenlinien am Fuss der begrenzenden Berge verschwinden. Wegen der Erdkruemmung. Das hab ich so noch nie gesehen.

Gegen 11.30 erreichten wir die Insel Taquile. Hier leben zur Abwechslung wieder Quechua. Kein Baum steht auf der Insel, nur Steinmauern und einige Felder. Auch sonst erinnert es sehr an griechische Inseln. Vor allem wegen des unuebertroffenen blauen Wassers des Sees. Die Touris wurden brav ins naechste Restaurant gefuehrt. Jimmy und ich hingegen suchten uns die Stelle mit der besten Aussicht, packten wieder unser Brot, Tomaten, Thunfisch und Corned Beef aus und genossen die Stimmung. Hinter uns versuchten Einheimische gestrickte Lamas und Muetzen, bei denen sie manchmal vergessen hatten, den „Made in China“-Schnipsel abzunehmen, an den Touri zu bringen und beobachteten uns beim Essen.

Eine schoene Treppe hinunter ging es zurueck zum Boot, welches uns in der Abendsonne wieder heim nach Puno brachte. Am Abend assen wir zur Abwechslung mal chinesisch, mit einer schicken Franzoesin, die wir an Bord kennengelernt hatten.

Und jetzt geht bald mein Bus nach Arequipa. Von meinen weiteren Erlebnissen hier am Titicacasee erzaehl ich euch ein andermal. Macht es gut und bis bald.

Carpe diem,

Euer Stefan