Morz und wie er die Welt sah...

Dienstag, Januar 30, 2007

Die General Conference in Lissabon (17.01.07 - 26.01.07) Teil 2

Montag 22.01.07

Der Tag ging für mich wieder früh los, denn die Conference Session war für morgens angesetzt. Mein Mitbewohner kam allerdings gegen 7 Uhr nach Hause, so daß ich keinen Wecker brauchte. Um 8.30 gings dann los und diesmal war auch nicht so viel zu tun, denn es standen keine Wahlen an. Thema war vorwiegend der Activity Report 2006, also eine Auswertung des gesamten IAESTE Programms, worauf sich Diskussionen anschlossen, ob es wichtiger wäre, mehr Jobs zu Verfügung zu stellen / zu werben, oder die vorhandenen Angebote besser zu vermitteln, also die unused offers zu verringern. Das andere große Thema vor der Kaffeepause war das Logo. Goran schlug vor, das Logo zu ändern, um ihm mehr Bedeutung zu verleihen. Die General Conference erkannte das Logo zwar als relativ nichtssagend an, betrachtete es aber als so etabliert, daß eine Änderung abgeschmettert wurde. Übrigens kam selbst hier die Frage, wie zum Teufel man eigentlich IAESTE ausspricht. Nach der Kaffeepause stellten sich die Verantwortlichen der Arbeitsgruppen, nämlich SID (Seminar of IAESTE Development), FoIn (Friends of IAESTE Network) und das IDT (Internet Development team), mit ihrem Ergebnissen vor.

Da ich mit der Exchange Sessions nach dem Mittag nichts zu tun hatte, begab ich mich zuerst zu einem IDT Workshop. Hier wurde uns die Benutzung des Intrawebs erklärt. Danach nutzte ich die freie Zeit, um ein drittes Mal in die Pension in Lissabon zu flitzen. Weil ich davon ausging, hier ein paar Nächte zu verbringen, hatte ich nach meiner Ankunft dem Flughafen das Hostel als Adresse angegeben und so wurde mein vermißter Schlafsack auch dorthin geliefert. Da die Sonne gerade so schön tief stand, bin ich noch durch die engen Gassen zurück zum Rossio Platz geschlendert, um mich dann mit der Metro in den El Corte Ingles (die größten Supermärkte der iberischen Halbinsel) zu bewegen. Heute Abend stand der „International Evening“ auf dem Programm und für meine rote Grütze benötigte ich noch eine Schüssel, da die leider nicht vom Hotel gestellt werden konnte. Nach einigem Suchen fand ich auch eine nicht zu häßliche, billige im 7.Stock, das Geschenkpapier für Karin im 3.Stock, die Zahnpasta für Sandy im ersten und die Batterien und das Flensburger für Heiko im Erdgeschoß. Da „International Evenings“ in der Regel mit viel Alkohol in Verbindung gebracht werden, genehmigte ich mir noch ein Baguette, um vor dem Startschuß wenigstens schon etwas im Magen zu haben. Zurück im Hotel wollte ich die bestellten Sachen abliefern, doch wer öffnete die Tür? Eine Truppe Gartenzwerge ohne Mütze! Sehr geil. Die deutschen Jungs hatten sich grüne Latzhosen ausm Karnevalsshop zugelegt und sahen damit richtig schön scheiße klischeedeutsch aus. Vor der Fahrt in die Uni, wo der Abend stattfinden würde, wurde noch lautstark der bayrische Akzent geübt ("Oazapft is", "Oans, zwoa, gsuffa"), um ja authentisch zu klingen (war ja kein Bayer dabei, ... okay einer, aber der war ja heute Armenier). Sandy hatte ein Dirndl an, das ihr sogar ausgesprochen gut stand. Und ich hatte nichts Passendes dabei. Also Standard-Schwarz-schlumper-Look und los gings mit dem Bus. Der Raum war lang und schmal und jedes Land hatte verdammt wenig Platz auf den bereit gestellten Tischen. Wir präsentierten natürlich Jägermeister, guten Wein, Pumpernickel, Schmelzkäse, aber auch Gummibärchen, rote Grütze mit Vanillesoße, Stollen und Gewürzgurken. Heiko drehte außerdem jedem Ahoibrause an. Die meistens tranken sie tapfer. Manchen kam sie durch die Nase wieder raus. Aber auch die anderen Länder waren nicht ohne. Die Österreicher hatten wieder ihre Nasenhaarentferner dabei (Mozartkugel in Strohrum tunken, anzünden und brennend essen) und per DHL (!, die haben’s ja) sich ne Kiste Bier zuschicken lassen. Bei den Briten war alles zum Thema James Bond arrangiert und die Polen hatten sogar extra eine IAESTE-Torte backen lassen. Womit die Brasilianer kamen ist doch klar, oder? Ne Badewanne voll Caipirinha! Und selbst die arabischen Länder hatten Alhokol dabei, wie die Syrer mit ihrem Arak. Zum Essen gabs bei jedem etwas, zum Beispiel Datteln bei den Tunesiern, getrocknete Fische bei den Thailändern und „alles-vom-Schaf“ in Aspik bei den Isländern. Manchmal wollte man nicht unbedingt nicht wissen, was man da aß. Aber der gefährlich Teil des Abends bestand darin, daß es in jedem Tisch mindestens eine Sorte Alkohol gab. Kein Abendbrot und Schlaf- und Alkoholdefizit der letzten Tage taten ihr übriges und so waren manche nach einer Stunde Naschen schon hinüber. Den Rest kümmerte das wenig. Man tauschte Kuhhornhelme gegen Leprechaun-Mützen, T-Shirts gegen halbvolle Flaschen Schnaps oder Tanzpartner. Am begehrtesten war der tschechische IAESTE-Tanga, welcher schon sehr früh vergriffen war. Ach ja, und getanzt wurde auch: Vom (offiziellen) IAESTE-Tanz, der sehr an Macarena erinnert, bis zur internationalen Polonaise war alles dabei. Auf deutsch: der Kessel brodelte. Die einzige, die das alles anscheinend nicht ganz so witzig fand, war Graça. Denn sie hatte sich in den Kopf gesetzt, daß alle um Mitternacht die Uni wieder verlassen haben sollten und drehte daher gegen 23.15 die Musik ab. Der Party tat das natürlich keinen Abbruch und die Ex-Jugoslawen, inkl. Goran, stellte auf ihr berüchtigtes im-Kreis-hüpfen-und-sich-dabei-alte-Yugo-Schlager-ins-Ohr-brüllen um. Aus Erfahrung wußte ich, die würden das, und wenn es nur aus Protest ist, mühelos bis 6 Uhr morgens durchhalten.

Irgendwie schaffte es Graça aber doch, alle restlichen party people in die letzten zwei Busse zu pferchen. Dann ging die aus Nachtbussen schon wohl bekannte Diskussion „Flaschen draußen lassen“ mit dem Fahrer los, die dadurch jäh beendet wurde, daß jemand aus den vorderen Reihen demostrativ in den Bus kotzte. Da verstand auch der Busfahrer, das seine einzige Chance darin bestand, die Meute so schnell wie möglich dort abzuliefern, wo sie hin wollten.

Zurück im Hotel soff die Menge noch in der Hotelbar weiter (was oft schlecht für den Fußboden der Bar ausging), doch ich ging mit leichter Schlagseite gegen 1.30 ins Bett.


Dienstag 23.01.07


Der nächste Tag begann wieder viel zu früh. Kurz nach 8:00 schleppte ich mich in die Conference Session, welche um 8:30 beginnen sollte. Gegen 9:00 waren dann auch genug Delegierte angetreten, um von einer Konferenz sprechen zu können. Der Präsident sah etwas lädiert aus (und hatte nach meinem Einschätzen selbst nicht mehr als 3-4 Stunden Schlaf abbekommen), Lettland hatte Probleme, nicht sofort wieder einzuschlafen und Finnland befand sich noch in ihrem Zimmer im Koma. Irgendjemand hatte Bilder von ihr gemacht, als sie auf der Couch der Hotelbar eingeschlafen war. Nur die Russen waren clever genug gewesen, ihr Mandat an Pulat Pulatov aus Tadjikistan zu übergeben, da der wegen der nun folgenden Wahl zum Board Member ja anwesend sein mußte. Aber zuerst kam das spannende Thema Finanzen aufs Tapet. Ich fand den Zeitpunkt gut gewählt, denn als Pauline als wahrscheinlich einzige nicht Kopfweh geplagte des Saales mit dem Vortrag und den Erläuterungen über den Haushalt 2006 und die Prognose 2007 fertig war, gabs nicht den geringsten Protest. Auch nicht zu ihrer Gehaltserhöhung. (Der Delegierte aus Kolumbien hätte auch unmöglich wiedersprechen können, denn er besaß seit dem Vorabend keine Stimme mehr). Nach Abnicken des 2007er Etats, trat der Ombudsmann der IAESTE, Bernardo Herold, vor. Dieser Mann ist eine echte Institution innerhalb der IAESTE. Warmherzig, offen, geht auf neue interessiert zu und spricht mindestens 5 Sprachen. Darüberhinaus ist er Professor und seit 1953(!) bei der IAESTE! Bei ihm können sich Studenten über ihr Praktikum und die Organisation beschweren. Für 2006 hatte er nur 9 Fälle vorzuweisen, die auch noch alle, bis auf einen, auf schlechtes Lesen der O-Form zurückzuführen seien.

Danach standen wieder Wahlen an. Zuerst die der General Secretary. Da nur Pauline kandidierte und auch jeder mit ihrer Arbeit zufrieden war, ging das reibungslos über die Bühne. Als letzter Programmpunkt stand die Wahl zu einem der 3 auf 3 Jahre angesetzten Board Member Plätze, sowie auf die 1 Jahr Board Member Stelle für Studenten an. Für erste kandidierten Javier Yarza aus Mexico und Pulat Pulatov aus Tadjikistan. Mexico hatte sich bisher mit wohlüberlegten und fundierten Aussagen bei den Diskussionen hervorgetan, Tadjikistan durch übermäßigen Vodkaausschank auf dem International Evening und einer bewegenden Kandidaturrede. Am Ende siegte Javier (knapp). Als studentischer Boardmitglied überzeugte unangefochten Thomas Faultner. Er ist einfach zu bekannt und opfert sehr viel Zeit für die IAESTE (auch als SID Coordinator), so daß Anne-Cathrine aus Norwegen keine Chance hatte.

Beim Mittagessen versuchte der Großteil der Leute, feste Nahrung zu sich zu nehmen. Aber die Spargelcremesuppe war der Renner. Laverne kam zu mir an den Tisch, um ihre Erinnerungen vom gestrigen Abend etwas aufzufrischen und insgesamt herrschte vergleichsweise Stille im Saal. Dafür hatte der Nachmittag gemütlich Erfreuliches zu bieten: Eine Stadtrundfahrt. Die fünf gecharterten Busse fuhren gestaffelt los und unser, das Wort „okay“ über alles liebender Guide, erzählte uns auf dem Weg nach Belém dies und das Wissenswerte über jenes Aquädukt dort und dieses Stadion da links. In Belém angekommen, war der Regen vorbei und eine herrlich tiefstehende Sonne strahlte das berühmte Mosteiro dos Jerónimos an. Ein Gebäude von der Größe eines Hauptbahnhofes, aber majestetisch wie Notre Dame und 500 Jahre alt. Überall im manuelinischen Stil verziert steht es zu Recht unter dem Schutz des UNESCO Weltkulturerbes. Für etwa eine Stunde bewunderten wir die Kalksteinsäulen und verspielt wirkenden Ornamente des Kreuzganges und der Kirche, bevor wir weiter in Richtung Kutschenmuseum fuhren. Ich habe nie in meinem Leben das Bedürfnis verspürt, ein Kutschenmuseum zu besuchen. Ich muß aber zugeben, daß wenn man mit einem Fahrzeugtechnik studierenden Menschen vor so einem Gefährt steht, es durch interessante Seiten offenbaren kann. Zum Beispiel hatte ich nicht gewußt, daß die meisten Fahrgastkabinen von Kutschen durch Lederbänder (wie Reisengürtel) in dem eigentlichen Fahrgestell hängen. Da wird man bestimmt schnell seekrank. Deswegen, oder wegen der langen Reisen: Es gab auch eine Kutsche mit eingebauter Toilette. Die meisten zeugten aber von Verschwendungssucht, mit aufwendig geschnitzten Skulpturen und samtüberzogenen Karosserieteilen. Nur das mit dem zweitmeist besuchtem Museum Europas (nach dem Louvre) glaub ich nicht. Wieder zurück im Bus, fuhren wir etwa 500m (laufen hätte uns gut getan) zum Torre de Belém, dem wohlberühmtesten Wachtturm der iberischen Halbinsel. Zwar wurde er zur Bewachung der Tejomündung und damit des Hafens von Lissabon gebaut (und später als Gefängnis eingesetzt), doch hielt es die Erbauer nicht davon ab, ihn ebenso reich zu verzieren wie das nahestehende Kloster. Letzter Stop in Belém war das Entdeckermonument, ein riesiger Kalksteinblock, auf dem Reliefs von berühmten Entdeckern der See entgegen streben. Als ich hoffte, jetzt würde der spannende Teil der Stadtrundfahrt mit der Altstadt Lissabons, Chiado, Baixa, Barrio Alto und Alfama kommen, hatte ich mich geschnitten. Es wurde inzwischen schon dunkel und so fuhren wir nur kurz durch die Stadt, dann am industriellen Hafengelände entlang zum „modernen“ Lissabon: dem EXPO’98-Gelände mit dazugehörigem Einkaufszentrum. Glücklicherweise fanden das Neil (IRL) und Kristina (EST) genauso ernüchternd wie ich, so daß wir uns in die Metro zurück in die Innenstadt setzten. Nach einem nicht zu guten Essen beim Chinesen, rundeten wir noch den Tag mit einem mehrstündigen Spaziergang durch die engen Gassen Alfamas bis hinauf zur Burg Sao Jorge (die Schweine verlangen jetzt Eintritt und schließen deswegen nachts die Tore der Burg, mmmpf!) ab. Von hier gabs immer wieder herrliche Blicke auf die des Nachts erleuchtete Stadt. Nachdem wie wieder zurück zum Rossioplatz geschlendert waren (und bei herannahenden Straßenbahnen in Hauseingänge geflüchtet waren, ist halt eng in Alfama), gings mit der Metro zurück im Hotel. Die anderen beiden verabschiedeten sich und ich setzte mich noch ein bißchen zu den Briten und Slowenen in die Bar. Gegen Mitternacht brach bei uns am Tisch die Hungersnot aus und so steuerte jeder die noch vorhandenen Überreste des Vorabends oder andere Nahrungsmittel zu. So hatten wir alsbald ein Mahl aus Leibnizkeksen mit Vanillesoße, Schinken, Baumkuchen, Schafskäse und Salzstangen. Lecker. Irgendwann trollte ich mich dann…

Mittwoch 24.01.07

Da für den Morgen eine weitere Exchange Session anberaumt war, konnte ich zum Glück etwas ausschlafen. Nicht einmal mein Mitbewohner platzte nach seinen nächtlichen Streifzügen rein. Zum Kaffee um 10.30 traf ich Kristina und später Graça, um herauszufinden, ob ich am folgenden Donnerstag noch etwas (Abbau etc.) zu tun habe, was sie erfreulicherweise verneinte. Nach dem Mittag ging’s dann wieder in die Conference Session. Die hoffentlich letzte, wenn wir den Zeitplan weiter so aufholten. Sonst würde das Abendprogramm ausfallen….

Als ersten Tagesordnungspunkt stellten sich China mit Shanghai und Polen mit Warschau vor, um sich als Austragungsstätte für die GC 2009 anzubieten. Fanfan gab sich alle Mühe und auch die Polen fuhren mit allen Präsentationen auf, die sie aufbieten konnten. Zu meinem persönlichen Bedauern stimmte die GC knapp für Polen, so daß China ein zweites Mal auf dieser Konferenz geknickt den Raum verließ. Danach stellte sich Ungarn mit Budapest als Gastgeber der nächsten SID-Konferenz vor (nicht halb so gut wie die beiden davor) und schließlich gab es wieder ein Diskussionsthema auf der Agenda: Kranken- und Haftpflichtversicherungen der/für Praktikanten. Allgemein wurde das deutsche System der DAAD-Versicherung für alle unzureichend versicherten Incomer sehr gelobt. Es wurde jedoch auch ein globales Versicherungsangebot angedacht.

Nach der Mittagspause wurde kommentarlos der Businessplan von Jan (CZ) angehört, die weltweite Registrierung des IAESTE-Logos durch das Board beschlossen und darüber diskutiert, ob IAESTE eine Zusammenarbeit mit ISIC anstrebt, um eine für IAESTE-Praktis gemeinsame internationale Studentenkarte (billiger) herauszugeben.

Am Ende brach eine Diskusion über den Entscheidungsbereich des Boards aus. Anscheinend waren in dem Jahr, seitdem IAESTE ein Verein ist, die Länder daran noch nicht gewöhnt, daß sie und welche Befügnisse sie an das Board abgegeben haben. Letzte Amtshandlung war dann noch die Vorstellung der zum nächsten Jahr wechselnden National Secretaries und dann wurde die General Conference geschlossen. Gerade rechtzeitig, um sich zum anstehenden Galadinner noch umziehen zu können. Wenn man Galadinnerklamotten dabei gehabt hätte. Aber mein(e) Anzug(e) hing gelangweilt zu Hause in Schrank rum. Was für ein Glück, daß Thomas Faultner einen Jacket- und Schlips-Kauf-Tick hat und auch zufällig noch meine Konfektionsgröße. Er lieh mir freundlicherweise sein schwarzes Boss-Jacket und einen roten Schlips dazu. Meine Aufgabe bestand damit nur noch darin, das relativ sauberste, zum Schlips passende Hemd zu finden und von meinen ausgelatschten braunen Schuhen abzulenken. Um 19Uhr standen alle aufpoliert und abfahrbereit im Foyer und sprangen in die Busse. Die Fahrt führte uns allerdings unerwartet weit raus aus der Stadt, so daß viele in einen tiefen Dornröschenschlaf fielen. Als ich wieder erwachte, traf mein erster Blick die Uhr. Nach der vergangenen Zeit müßten wie uns irgendwo in Spanien befinden, wahrscheinlich zwischen Madrid und Valencia. Dann schaute ich aus dem Fenster und erblickte… ...Wald. Erste Meinungen über Galapicknick mit Kerzenlicht in Katalonien wurden laut. Als wir uns darauf geeinigt hatten, daß das gar keine so schlechte Idee war, erschien ein Licht am Horizont. Könnte das ein Haus sein? Das war es. Und zwar die „Quinta do Roseiral“. Nach dem Aussteigen flüchteten die meisten sofort unter die aufgestellten Heizstrahler des überdachten Rasens/Vorgartens, denn es war ungewöhnlich kalt geworden in Portugal. Dort offerierten uns Kellner Häppchen von Fischpastete auf Weißbrot, leckere frühlingsrollenähnliche Gebilde, gewürzte Hackfleischröllchen und Drinks. Die schon dargebotene Performance bemerkten wir erst gar nicht. Aus der Menge traten 6 Mädels einer Uni Lissabons und bewegten sich tänzerisch auf dem Rasen. Und wie die sich bewegten… Dann verschwanden sie wieder, verloren sich in der Menge, um an anderer Stelle wieder aufzutauchen. Diesmal ließen sie Mäntel, Hute, Handschuhe u.ä. fallen, zogen sie an oder übergaben sie an ihre Kolleginnen und währenddessen schritten sie mal grazil, mal majestätisch durcheinander. Dann verschwanden sie wieder. Danach wurden wir dann von einer Tanzenden angebrüllt. Leider auf portugiesisch, sonst hätte man wenigstens zurückbrüllen können. Wie mich ein Portugiese später aufklärte, rezitierte sie ein berühmtes Liebesgedicht. Für mich hörte sich das mehr nach verärgerter Hausfrau an. Doch die Tanz- und Bewegungsperformances waren sehr ästhetisch und sehenswert. Schön. Dann wurden die Tore zur Quinta geöffnet und die Menge strömte herein. Und setzte sich an die vorbereiteten Tische. James aus Sierra Leone sprach mich an, ob wir nicht zusammen sitzen wollten, doch an dem Tisch, wo ich mich niederlassen wollte, war nur noch ein Platz frei. Also zogen wir weiter zum türkischen Tisch. Doch kaum hatte ich mich gesetzt, sprach mich Gabriela aus Budapest an, daß wir Staffleute einen extra vorbereiteten Tisch hatten. Ich versteh bis heute nicht, was die Idee hinter dem Gruppieren des Staffs war. Wahrscheinlich wollte sich sonst keiner an den Tisch direkt neben den Boxen setzen.

Jetzt kam der Moment, wo man sich wieder daran erinnern mußte, wie man all dieses Metall oben, links und rechts neben dem Teller benutzte. Man, ich bin in meiner Kindheit auf solche Galadinner nicht vorbereitet worden. Also: Vorspeisen und Hauptgänge das Besteck von außen nach innen, ab dem Dessert von oben nach unten. Okay. Und wie zum Teufel benutzte man nochmal ein Fischmesser? Abgucken! Darf man in Portugal die Garnelen mit den Fingern öffnen? Oder gibt’s da alternative Techniken? In Irland ißt man Huhn ja auch mit Messer und Gabel… Das waren so die weltbewegenden Fragen, die mich während des Essens beschäftigten. Und dann fiel mir beim nach-dem-Weinglas-langen fast der Schlips in die Vorspeise. Bei der spontanen Rettungsbewegung rammte ich meinem Tischnachbarn das Rotweinglas zwischen die Zähne. Zähne heil, Glas heil, keine Weinflecken. Puhh! Erstmal aufs Klo und sich ordnen. Das dort aus den Lautsprechern flötende Vogelgezwitscher tat gut. Okay, zurück zum Tisch. Ab dann ging alles glatt und ich war in der Lage, die Garnelen in Blätterteig, den Fisch und die anderen unzähligen Gänge standesgemäß zu verspeisen. Nach dem Hauptgang trat Pauline auf die Bühne und bedankte sich bei verschiedenen Personen für das gute Gelingen der Konferenz. Dann traf die Keyboardmusik und der Livegesang aus der 2m neben mir stehenden Box wieder voll mein Ohr. Nach dem Essen wurde getanzt. Von Salsa über Walzer und IAESTE-Macarena war alles dabei. Da mein Film voll war, borgte ich mir Karins Kamera aus und schoß ein paar Fotos. Dann gesellte ich mich zu Neil, der noch ein größerer Tanzmuffel ist als ich und wir übten uns in Bewegungsanalyse. Unter den von der Decke hängenden Leuchtern herrschte eine gelöste ausgelassene Stimmung. Doch bald viel mir auf, daß die Menschen immer weniger wurden. Und dann entdeckte ich Graça, die jedem sagte, wie sollten so schnell wie möglich zu den letzten Bussen gehen, sonst müßten wir hier bleiben; irgendwo im Nirgendwo. Eilig schnappte ich mir „mein“ Jacket und den Fotoknips und vergaß in der Eile Karins. Damn shite! Dummerweise fiel mir das erst auf dem halben Weg zurück nach Lissabon ein. Na, aber ändern kann man daran nichts mehr. Nur hoffen, daß er morgen noch da ist…

Zurück im Hotel konnte irgendwer den schon ziemlich angefressen Busfahrer überzeugen, uns junge Meute noch in einen Szeneclub in der Stadt zu fahren. Der hieß „W“ und war voll mit Püppchen und Gigolos, die viel Zeit damit verbracht hatten, sich im Tussentoaster das Hirn wegzubraten. Der Eintritt betrug 12€ und ohne die vielen Mädels im Schlepptau wäre die Hälfte von uns Jungs wohl auch nicht reingekommen. Immerhin gabs für die 12€ zwei Drinks umsonst (für die Mädels 4, Lady’s Night) und die Barkeeperin machte gefährliche 50:50 Vodka-Coke-Mischungen. Und so wurde die Stimmung heißer, jede(r) tanzte mal mit jedem/r und alle gaben ihr Bestes zu House und Techno. Trotzdem war ich recht froh, als mich Nina gegen 4:30 fragte, ob wir nicht zum Hotel zurück fahren wollten…


Donnerstag 25.01.07, Óbidos

Aber um kurz nach 8 Uhr war die Nacht schon wieder vorbei und ich muß zugeben, selten stärker darüber nachgedacht zu haben, mich einfach wieder rumzudrehen und den Matrazenhorchdienst zu Ende zu bringen. Warum ich so früh raus mußte, hatte 2 Gründe. Einerseits war ich um 9.30 verabredet und andererseits war mein Zimmer nur bis heute bezahlt. Ich mußte also vorher auschecken und daher: Sachen packen. Ich schleppte mich also ins Bad, rollte meine Tränensäcke ein und schaute in den Spiegel. Schlechte Idee. Aber immerhin war ich nach dem Schreck jetzt wach. 20min warme Dusche später, war ich wieder soweit ein menschliches Wesen, um mit dem Einpacken beginnen zu können. Als ich alles feinsäuberlich auf mein Bett gelegt hatte, einen Berg Dreckwäsche, kam auch Tomek wieder „nach Hause“ um sein Zeug zusammen zu räumen. Irgendwie bekam ich alles in meinen Rucksack gequetscht (auf der Hintour hatte ich noch einen kleinen zusätzlichen Rucksack, da nicht alles paßte), sogar das Horn von einem Plaste-Wikingerhelm, welches immer noch nach Vodka roch, zusätzliche T-Shirts und meinen Fotoapparat, als mir auffiel, daß ich irgendwo einen Pullover liegen gelassen hatte. Nach auch egal. Das Jacket und den Schlips von Thomas hab ich im Sekretariat bei Graça hinterlegt, da er noch schlief. Exakt 9.30 stand ich dann an der Rezeption, checkte aus und war erstaunt, daß bis auf die Slowenen die gesamte verabredete Truppe schon angetreten war. Wenige sahen besser aus, als ich mich fühlte, und manche sind gestern erst gegen 6Uhr aus dem club gekommen, aber sie waren da. Der Plan war nämlich folgender. Patricia (LIT) und Inga (LIT) hatten sich ein Auto gemietet und Raimund (München/Armenien), Nina (SLO) und David (SLO) überredet, mit ihnen an das Südwestkap Europas, Cabo Sao Vicente, an der Algarve zu fahren. Duarte (P) und ich (D) konnten ihnen das zum Glück am Vorabend im Club, unter Zuhilfenahme mehrerer alkoholische Getränke, ausreden, da wir beide wußte, daß pro Tour 350km Minimum anstanden und das Kap selbst nicht sehr beeindruckend ist. Nun mußten wir beide aber auch mit nem Gegenvorschlag kommen. Alles war erlaubt. Nur der Atlantik mußte drin vorkommen. Nach kurzer Beratung stand die Route dann auch fest: Zuerst über die mit 17km knapp zweitlängste Brücke (Ponte Vasco da Gama) Europas, dann nach kurzem Abstecher zum „Christo-Rei“ über die andere große Brücke Lissabons, der Ponte 25 de Abril, von Almada wieder zurück nach Lissabon und von dort nach Norden, nach Óbidos. Am Nachmittag, wenn die Sonne tiefer im Westen steht, zum Seebad Nazaré und ab dann weitersehen, was wir machen. Gesagt, getan. Außer o.g. Personen saßen noch Laverne (IRL) , PJ (ZA) in Duartes Auto und los ging’s.

Duarte holte noch schnell seine zu Hause vergessenen Papiere und Raimund nutzte die Zeit, um die Motorhaube mal hochzuklappen und Öl, Wischwasser u.ä. zu überprüfen. Man, deutscher geht’s gar nicht. An nem Mietwagen! Naja, das durfte er sich den Rest des Tages anhören. Als Duarte wieder da war gings ab in Richtung Oriente, dem „neuen“ Teil Lissabons. Von dort auf die Ponte Vasco da Gama (die Brücke zwischen Dänemark und Schweden ist glaub ich 200m länger) und am ersten Kreisverkehr hinter der Brücke hatte wir Raimunds Auto verloren. Ab dann war mir klar, daß sich meine Januarhandyrechnung wohl etwas erhöhen würde. Duarte beschrieb ihnen an meinem Telefon den Weg zurück und wir trafen uns an der Mautstelle für die Autobahn nach Norden wieder. Trotzdem schafften wir es irgendwie, sie sofort nach der Maut wieder zu verlieren. Also spielten wir Verkehrshindernis und ich muß echt die Geduld der portugiesischen Brummifahrer loben. Nach 10min war klar, die können uns nicht überholt haben, sondern sind schon wieder irgenwo abgebogen. Nach der SMS von Nina waren sie irgendwo am Zoo abgefahren. Wir schickten ne SMS „Bleibt wo ihr seid!“ zurück, doch am Zoo angekommen erreichte uns ein Anruf, daß sie inzwischen am Olympiastadion sind. Da wir kein Abschleppseil für den Rest der Strecke verwenden wollten, beschrieb Duarte Raimund für den Notfall den Weg, was genauso gut half. Frisch auf der Autobahn nach Norden malten Laverne und ihr erstmal ein „Looser“-Schild, um unser Begleitfahrzeug zu motivieren. Wir ernteten ein Überholmanöver mit Ärschen an den uns zugewandten Autoscheiben. Als wir wieder überholten, tat ich so, als ob ich ihnen einen Schuh aufs Auto werfen wollte, aber einige Minuten später reichten wir Raimund als Friedensangebot ein paar Kekse rüber. Und so verging die Zeit nach Óbidos sehr schnell. Man konnte die Stadt auch schon herrlich von der Autobahn aus sehen. Óbidos hat was von Rothenburg o.d. Tauber. Als heute kleines Städchen ist es vollständig von einer hohen mittelalterlichen Stadtmauer umgeben. Drinnen stehen weißgekalkte, alte Häuschen (kein einziges häßliches Hotel oder so), die der Stadt einen so angenehmen Charakter geben. Ein Ruhepol Portugals. Duarte schien hier häufiger mit Praktis aufzuschlagen und erzählte uns vom alljährlich im November stattfindenden Schokoladenfest. Außerdem ging er mit uns in einen der Souvenirläden und arrangierte eine kostenlose Probe von Likören für uns (in Schnapsgläsern aus Schokolade natürlich). Ich bedankte mich mit dem Kauf einer Flasche Alvarinhos, den schon vorher sehr mochte. Nachdem wir ein bißchen durch die kleinen Gäßchen gestreift waren, kletterten wir hinauf zur Stadtmauer und umliefen die halbe Stadt noch einmal mit einem schönen Blick von oben. Der Blick in die umgebende Landschaft ist aber auch nicht zu verachten. Nur das Überholen auf der Burgmauer ist nicht immer einfach. Ich möchte nicht wissen, wie die Stadt aussieht, wenn im Sommer die Touristen in Busladungen hierher gekarrt werden. Aber im Moment waren wir die einzigen Ausländer, die über die alten krumm und schiefen Dächer und die Früchte tragenden Orangenbäumchen blickten. Auf dem Weg zurück zu den Autos lief uns ein Mensch entgegen, der mir merkwürdig bekannt vorkam. Ach ja, der Guide von der Stadtrundfahrt. Und schwups waren sie alle da. Die halbe Konferenz. Zu jeder GC gibt es nämlich eine Post-Conference-Tour, die 2 Tage dauert und ein Schweinegeld kostet. Mit dem innerlichen Lächeln der Gewißheit, daß wir heute nur 15€ für Maut und Sprit ausgeben würden, verabschiedeten wir uns von den anderen nach kurzen Plausch und fuhren der Westküste zu, dem Fischerort Nazaré entgegen. Dieses besteht erwartungsgemäß aus einer langen Promenade, den Sandstrand entlang, aber unerwartet schönen Felsformationen den Strand umfassend. Es war ein vergleichsweise kalter Tag im Januar, so daß sich außer uns nur ein paar Möwen und die wärmenden Strahlen der untergehenden Sonne auf dem Strand spielten. Patricia setzte sich etwas abseits und genoß die laut brandende Stille. Raimund dagegen zog die Schuhe aus und watete etwas im Wasser. Da es aber durchaus windig war und er die Welle falsch einschätze, wurde aus der knöcheltiefen Erfahrung schnell eine schrittiefe. Seeluft macht hungrig und so entschieden wir uns für ein niedliches Fischrestaurant mit Meerblick. Nur die beiden Lettinnen nicht. Weiß nicht, warum. Wir anderen waren froh über die Fischsuppe und den anschließenden 4-Personen-Seeteufel. (Okay, PJ aß, das Klischee des Südafrikaners befolgend, das größte im Haus zu findende Steak, natürlich blutig.). Gesättigt und zufrieden mit dem bisherigen Tagesablauf, strichen wir die Idee, noch nach Coimbra zu fahren und begaben uns zurück in Richtung Süden. Als Ausgleich für die Letten und Slowenen, die ja nicht den ersehnten südwestlichsten Punkt Europas gesehen haben, fuhren wir die Küste entlang zum Cabo da Roca: Dem (festland-)westlichsten Punkt Europas. Einer der lichtstärksten Leuchttürme der Welt erhellte zwar im Sekundentakt die rauen Klippen, aber ein unerträglich kalter Westwind macht die Besichtigung des Kaps sehr ungemütlich. Da hatte Laverne die Idee, uns ein paar Grundschritte Irish Set Dance beizubringen. Und einige Drehungen links rum und auf-das-andere-Bein-Hüpfer später war uns allen sehr warm. Das Stoboskoplicht des Leuchturms brachte etwas Diskofeeling und so tanzten wir noch eine Weile auf dem Kap, bis die meisten außer Puste waren. Ich zumindest. Im warmen Auto zurück ging es weiter die Küste entlang, an Bill Clintons Lieblingsrestaurant in Portugal vorbei (der Seeteufel wär hier an die 60 Euro pro Person gekommen) bis zu dem Nobelseebad Cascais. Wir schlenderten ein bißchen durch die von Menschen und Müll leer gefegten Straßen und fanden uns eine halbe Stunde und einige Frostbeulen später in einem von einem Engländer geführten Irish Pub wieder. Manche tranken Guiness, andere Kaffee (die Farbe, Konsitenz und Gesundheitsschädigung ist ähnlich) und gegen Mitternacht waren wir wieder zurück im Hotel. Duarte verabschiedete sich und der Rest zog sich auf die Zimmer zurück.

Ich versucht die nächste halbe Stunde, Graça zu erreichen, umherauszubekommen, was aus dem Jacket und der Digitalkamera geworden ist, aber die Organisatoren der Konferenz waren schon ausgezogen. Und an der Rezeption hatte niemand ihre Nummer. Goran konnte sie mir dann schließlich geben, so daß ich ihr wenigstens eine SMS schicken konnte, die bis heute noch nicht beantwortet wurde.

Den Rest des Abends beschlossen Nina, David, Raimund, PJ und ich in PJ’s Zimmer (bis auf Raimund hatten wir anderen schon auschecken müssen. Überraschenderweise hat niemand komisch geguckt, als ich meine im Gepäckraum verstaute Habe mitsamt Schlafsack von dort wieder Richtung Fahrstuhl schleppte.) mit einer Pyjamaparty. Ares (Armenien) schaute noch vorbei, verteilte seinen Arak unter den Leuten und verzog sich wieder, eh wir Prost sagen konnten. Außer dem Arak tranken wir nichts und ich muß zugeben, daß ich heilfroh war, als Raimund gegen 2.30 Uhr das Zimmer verließ, denn nun konnte ich tot in das freie Bett im Zimmer fallen und die letzten Stunden Schlaf vollends genießen……Schnarch……

Freitag, 26.01.07, der Heimweg

Mein Flug ging so gegen 12Uhr, so daß ich das Airportshuttle um 10Uhr nehmen wollte. Also aufstehen um 9 Uhr und mit der Gewissheit durch den Tag gehen, daß das akkumulierte Schlafdefizit auch nicht mit einem 2 Stunden-Flug nach Stuttgart ausgeglichen werden konnte. Als ich mich gegen 9.30 beim Frühstück einschlich, um noch ein paar Stullen (Schnitten, Scheiben, Brote oder Bemmen für die Außerbrandenburger) für den Flug zu schmieren, winkte mich Karin zu ihr und überbrachte mir die schlechte Nachricht: Ihre Kamera gabs nicht mehr. Scheiße! Ich verabschiedete mich von ihr mit dem Versprechen, ihr sie zu ersetzen. Außerdem verabschiedete ich mich noch von allen im Foyer befindlichen Personen. Doch ich mußte nicht allein zum Flughafen fahren. Kristina, die Finnen und Raimund hatten ähnliche Abflugzeiten. Doch als der Busfahrer 10.15 immer noch nicht an seinem Shuttlebus erschien und Raimund noch gemütlich sein Frühstück mümmelte, hatten Kristina und ich genug Hummeln im Hintern, um mit dem Taxi zum Flughafen zu fahren (sind ja nur 5 Euro). Und wir hatten richtig getan, denn wir hatten beide an unseren Schaltern eine von heimreisenden Deutschen verursachte Wartezeit von etwa 45 Minuten. Bei mir dauerte es etwas länger als bei ihr und so verloren wir uns aus den Augen. Dafür traf ich auf dem Weg zum Gate noch die „Armenier“ Raimund und Ares und die Polen wieder. Außer, daß mein Flug im Endeffekt 40 Minuten zu spät abhob und ich daher noch die Möglichkeit hatte, mein letztes Bargeld in noch eine Flasche grünen Wein umzusetzen, verlief der Nachmittag reibungslos: Abheben -> schöner Ausblick -> schnarch, schnarch, mmmpf wer ist mir da grad vors Schienbein getreten -> schnarch -> oh, schon in Stuttgart! Der Blick aus dem Bullauge sagte mir, daß die Schwaben nach dem bisher frostfreien Winter gut daran getan hatten, den Flughafen aufgrund Schneechaos’ vor zwei Tagen zu sperren. Die Landebahn hatte was von einer Landstraße in Norwegen. Und da waren wir grad gelandet? Nicht drüber nachdenken. Wieder festen Boden unter den Füßen begab ich mich zum dba-Schalter, um mein, besser gesagt Sonjas Ticket einzulösen, durch die Sicherheitskontrolle zu gehen und zu versuchen, beim Warten auf den Flug nach Berlin die Augen offen zu halten. Der letzte Flug des Tages bestand auch vorwiegend aus an-der-Lehne-horchen, nur unterbrochen von gelegentlichen Ansagen und dem Gelaber nahe sitzender Mitreisender. Spätestens als ich auf dem viel zu kalten S-Bahnhof Jungfernheide frierend auf die Bahn wartete, machte sich wieder diese melacholische Stimmung in mir breit, die ich schon aus Slowenien kannte. Ich hatte viele tolle Leute kennengelernt. Alle mit mir sehr ähnlicher Weltanschauung und Ideen. Und die Hälfte von ihnen werde ich wohl nie wieder sehen. Schön schade!

Als ich in meine kalte Wohnung kam, stellte ich meinen Rucksack in die Ecke und schmiß durchgefroren den Ofen an. So kalt war es gar nicht. Nur im Vergleich zu Portugal. Zum Glück überwand ich mich noch, zu Rica’s Geburtstagsparty in die Holzmarktstraße zu gehen, denn einerseits war es dort geheizt und andererseits geht doch nichts drüber, von guten Freunden in der Heimat willkommen geheißen zu werden, oder…….?

Allen an dieser Stelle noch wachen Personen wünsche ich hiermit eine gute Nacht und viele interessante Menschen auf allen Wegen. Carpe diem!


Euer Stefan