Morz und wie er die Welt sah...

Donnerstag, November 16, 2006

Die Central European Convention (CEC) in Kranjska Gora

Liebe Freunde,

und hier folgt der zweite Bericht meiner Reise unterwegs in Sachen Völkerverständigung:

……. Es war zwar schon 12.30, aber wir dachten, bis 22Uhr müßte es ja wohl nach Kranjska Gora zu schaffen sein. Also immer in Richtung Würzburg und München fahren und gib ihm… Aber als aus der A49 die A45 wurde und langsam das Hanauer Kreuz angezeigt war, wurde ich stutzig. Also ich weiß nicht, welche grenzdebilen Schimpansen die Verkehrsführung in Deutschland machen, aber der kürzeste Weg von Kassel nach München führt definitiv nicht über Frankfurt. Scheiße! Also die A3 nach Würzburg, Nürnberg und dann die A9 nach München. Kurz vor München fing es an, komisch zu riechen. Beim Boxenstop stellten wie fest, daß ein Corsa doch nicht zu dauerhafter Fahrt bei 160km/h ausgelegt war. Motortemperatur, Öl und alles waren okay, aber die Plasteteile rund um den Motorblock rochen zu heiß. Gut, ab jetzt nicht mehr über 120km/h. Markus übernahm jetzt den Fahrersitz und wir tuckelten Salzburg entgegen. Unsere voraussichtliche Ankunftszeit verschob sich von 22Uhr auf 23Uhr auf Mitternacht. Letzte Verzögerung war der Karawankentunnel (9km), der zurzeit einspurig mit Baustellenampel funktioniert. Da kann man warten. Einmal in den Wald zum Pullern und zurück und immer noch Rot.

Gut, aber kurz nach Mitternacht erreichten wir Kranjska Gora und stürmten gleich ins Porentov Dom. Ich erkannte das Hostel sofort wieder. Hier hatte ich doch schon im Spätsommer 2003 schlaflose Nächte verbracht. Im ersten Stockwerk saßen die Gänge voll mit gut angeheiterten Slowaken, von denen uns nach vielsprachigem Überreden einer erklärte, daß die Anmeldung in einem anderen Gebäude sei. Dort eingetreten fiel mir meine slowenische Lieblings-Nina um den Hals. 3 Jahre hatten wir uns nicht gesehen. Auch Gregor Novak, seines Zeichens National Secretary in Slowenien saß dort. Wir schrieben uns kurz ein, bezahlten, schmissen unsere Sachen ins Zimmer, krallten sich jeder ein Bier und hinein ins Getümmel. Das Wiedersehen nahm gar kein Ende: Primoz war da, Andrej und Alenka ebenfalls, das ganze LC Leoben, das ich im Sommer in Irland kennengelernt hatte und die schöne Nikolina aus Zagreb. Das wurde ne Party, mit grünem Wein, den Andrej und Alenka extra mitgebracht hatten, Black Sun, den Nina anläßlich ihres heutigen Geburtstags ausschenkte und 120 anderen Menschen, die es kennenzulernen galt. Ich muß wohl gegen 5 Uhr im Bett gewesen sein. Sogar meinem eigenen.

Das Aufstehen um 9 war nicht eines meiner leichtesten Übungen. Aber das nicht Vorhandensein warmen Wassers in der Dusche half da sehr. Frühstück lief wie eh und je im Porentov Dom: Eine gierige Schar übermüdeter Studenten wartet auf die einzeln hereingetragenen Bestandteile einer ausgewogenen Morgenmahlzeit. Ohne Teamwork geht da nichts. Primoz konnte Brot ergattern, ich Wurst, Markus Tee und irgendwoher konnten wir uns Butter gegen Wurst ertauschen. Um 10Uhr sollten die Arbeitsgruppen ihren Betrieb aufnehmen, doch als ich halb 11 schon herausgefunden hatte, wo meine AG saß, hatte die noch nicht angefangen. Nach meiner Pleite bei der GC-Wahl wechselte ich spontan von der AG GC-Vorbereitung zu Summer Reception. Ich glaube, wir waren die multinationalste Gruppe überhaupt mit Vertretern aus Österreich, Bosnien, Kroatien, Serbien, Deutschland, Slowakei, Tschechien, Lettland, Norwegen und Australien. Ich würde Australien und Norwegen nicht mehr wirklich zu Central Europe rechnen (CEC = Central European Convention), aber je mehr Austausch, desto besser. Agneta, die Lettin, stellte uns komische philosophische Fragen, wie „Warum existiert die Summer Reception überhaupt?“, „Was wollen wir erreichen?“ und „Was sind unsere Ideale?“, die wir in Gruppen zu sechst erörterten. Irgendwie fiel unsere Gruppe aus der Reihe, denn als wir ca. 2 A4 Blätter zusammengetragen hatten, erklärte uns Agneta, das passe ja gar nicht auf das hübsche Plakat für die Auswertung morgen und wir sollen alles auf ein Wort(!) reduzieren. Da stiegen wir geschlossen aus der Arbeitsgruppe zwecks Oberflächlichkeit aus. Die meisten anderen Gruppen hatten als Antwort auf die Fragen „Bier!“ gefunden. Na egal, trinken hatten wir alle bei IAESTE gelernt. Von den anderen AG’s hörte ich durchaus viel Positives. Markus erkundigte sich bei „Company Fairs“, da es die bei IAESTE Deutschland nicht gibt, „CEC Development“ brachte ebenfalls interessante Ergebnisse und das von Nikolina geführte Marketingseminar war auch erfolgreich. Nach klassisch slowenischem Mittagessen „Brühnudeln“ und „Nudelpamps“ folgte ein activity program. Ungefähr zeitgleich erfuhren Markus und ich, daß heute Abend eine International Party stattfinden würde und wir als einzige noch nicht gesagt haben, was wir machen. Nach kurzer Recherche bei den anderen Ländern entschieden wir uns für Eierkuchen (Pfannkuchen für die Südländer). Das Problem war die Kochstelle. Also fuhr ich ins Dorf zum örtlichen Mercator und schaute mich nach einem Kartuschenkocher um. Gab keinen. Ich fragte die Wurstfrau, tschuldigung, Fleichereifachverkäuferin, aber ein Mann bei der Flaschenannhame antwortete mir. Wenn ich ihm kurz beim Reintragen seiner Bierkästen helfen würde, zeige er mir den Campingladen im Dorf. Gesagt, getan. Nach der Menge der Kästen muß wohl das halbe Dorf mitgefeiert haben, aber irgendwann waren alle Flaschen abgegeben. Der Mann kaufte sich vom Erlös zwei Stangen Marlboro und ich fuhr im zum Fachgeschäft für Campingartikel nach. Leider war der schon zu, als wir ankamen. Seit 15Uhr. Blick auf die Uhr: 15.10. War ja klar. Der Mann meinte, er hätte noch einen Kartuschenkocher, den er mir borgen würde, aber keine Kartusche. Also zur nächsten Tanke, aber Fehlanzeige. Daraufhin bot er mir an, von seinem Großvater einen großen Kocher zu holen, der mit einer Gasbombe betrieben wurde. Ich müsse nur die Bombe an der Tanke kaufen und schon könnte ich die nächste Woche kochen. Ich dankte ihm freundlich, sagte Nein und fuhr wieder zurück zum Mercator. Und was sahen meine entzündeten Augen neben dem Supermarkt? Einen Intersport! Gerade als ich den Kartuschenkocher bezahlen wollte, erreichte mich Katja vom slowenischen Orga-Team und sagte mir, daß wir die Küche des Hostels benutzen dürften, allerdings schon um 17Uhr. Ich also wieder raus aus dem Intersport, in den Mercator gesprintet, Mehl, Milch, Eier, Zucker, Honig, Nutella und 3 Marmeladensorten gekauft und zum Hostel zurückgeheizt. Primoz half mir in der Küche und Markus und Dimitar (der dritte „Deutsche“ aus Stuttgart) kamen auch bald. In einer Kinderbadewanne rührten wir den Teig an und schäkerten mit der Küchen- und Barfrau Elisa. Am Ende kamen 13kg Teig bei raus. Mit alter Schülercafé Erfahrung, 4 Kochstellen und Pfannen brieten wir zu dritt die nächsten 3 Stunden, bis uns am Ende stolze 200 goldbraune Eierkuchen anlachten. Die anderen hatten im Nachbarhaus schon ihre Tische vorbereitet und dann ging sie los, die International Party:

Kroation fuhr mit Ayvar und aller Sorten Schnaps auf, Ungarn hatte diese leckere Paprika-Knoblauch-Frischkäse-Mischung im Angebot, die Slowakei geräucherten Käse und Speck mit Kräuterschnaps. Österreich kredenzte im 80%igen Rum getauchte Mozartkugeln, die man brennend aß (Aus Erfahrung die beste Möglichkeit, sich lästiger Nasenhaare zu entledigen!), bei den Letten trank man Balsam (also weich war der nicht) mit Schokolade und die Tschechen hatten aus Gläsern mit Erdbeer-Vodka, Pflaumen-Vodka und normalem Vodka ihre Nationalflagge nachgebildet, um nur einiges zu nennen. Unsere Eierkuchen gingen weg wie warme Semmeln. Markus beging den Fehler, sich durch Osteuropa zu trinken. Ich stellte nach dem ersten Becherovka wieder fest, das Kräuter und Aquavite nichts für mich sind und hielt mich an die Dezimierung der Bierpyramiden. Aber wir haben nicht nur getrunken! Auch getanzt. Ich zum Beispiel mit Nina. Und die Bosnier, Serben und Kroaten zelebrierten wieder in altbekannter Weise ihre Völkerverständigung: Mit in großen Kreisen gesungenen, nach einigen Stunden nur noch gebrüllten yugoslawischen Schlagern aus den 80ern. Für diese Kondition bewundere ich ja die Ex-Yugos. Markus lernte eine Österreicherin näher kennen, die ihn am nächsten Tag nicht mehr kannte und ich quatschte mit den Slowenen über alte Zeiten. Nur eines hatte ich vergessen: Harte Währung mit auf die CEC zu nehmen, sprich IAESTE T-Shirts. Wenigstens besaß ich eines der seltensten: das IAESTE Ireland Shirt. Mit Claudia aus Östereich tauschte ich es immerhin gegen 3 österreichische Shirts.

Diesmal verabschiedete ich mich etwas früher und fiel wahrscheinlich so gegen 3 ins Bett. Am nächsten Morgen erwartete mich wieder eine eiskalte Dusche und zwei noch schlimmer aussehende Zimmerkumpanen. Wir wohnten unterm Dach und hatten daher wenigstens ein warmes Zimmer gehabt. Beim Abstieg in die tieferen Stockwerke verstärkte sich in jeder Etage der penetrante Geruch ausgekippten Alkohols und die Schnapsleichen, die sich mühsam in irgendwelche Zimmer geschleppt hatten, traten ebenfalls vermehrt auf. Der Partykeller war ernsthaft nicht betretbar. Auf der Suche nach den letzten Eierkuchen des gestrigen Abends, entdeckten wir eine feine, aber durchgängige Zuckerspur auf dem Teppich, die uns zielgenau zurück in den zweiten Stock und zu den zerfetzten Überresten ebendieser Eierkuchen führte. Wir entrissen die wieder abzugebenen Buffetplatten der Umklammerung eines menschlichen Körpers und machten uns auf den Weg zum Frühstück im Nachbargebäude. Man, können Leute scheiße aussehen. Manche versuchten, nicht über dem Kaffee wieder einzuschlafen, andere kämpften mit fester Nahrung. Mir ging es verhältnismäßig gut. Die Auswertung der Konferenz wurde wegen übermäßiger Kontamination des Partyraums in den Speisesaal verlegt und jeder hielt sich so kurz wie möglich. Und die meisten rückten sofort in Richtung Heimat ab.

Markus, Primoz und ich halfen den Slowenen noch etwas bei der Desinfektion unserer gestrigen Wirkungsstätte und fuhren dann nach dem Mittag mit einem Norweger nach Ljubljana. Die anderen 3 entschieden sich für einen Mittagsschlaf in Primoz’ Gästezimmer und ich fuhr weiter zu Andrej. Wir holten Alenka ab und schlenderten ein bißchen durch die Stadt. Ich war erstaunt, wie wenig sich verändert hatte. Selbst die schöne Beleuchtung der Stadt in Wintermonaten war noch dieselbe. Und mein Lieblingscafé Makalonca! Beim traditionellen Verzehr eines Horse Burgers stieß Miha zu uns und wir setzen uns wie in alten Zeiten ins Zlata Ladjica. Später stießen noch Primoz, Markus und der Norweger zu uns. Leider war Andreja (die mich eine Woche zuvor in Potsdam besucht hatte) noch auf dem Weg von La Spezia nach Ljubljana, so daß sie es nicht schaffte vorbeizukommen. Und Nina schlief den Schlaf der Gerechten. Andrej und ich verabschiedeten uns früh, denn ermußte arbeiten und ich hatte noch eine lange Fahrt vor mir.

Am nächsten Morgen stieg ich mit ziemlich schwerem Herzen ins Auto und holte Luka, meinen Mitfahrer in der Stadt ab (Markus wollte noch etwas in Slowenien und Kroatien bleiben). Diesmal durchkreuzten wir die schneebedeckten Berge Kärntens bei Tageslicht und erreichten gegen 13 Uhr Salzburg, wo schon ein Südtiroler auf uns wartete. In München stieg noch ein Berliner zu und in Nürnberg tauschte dann Long mit Luka den Platz. Im nördlichen Bayern war ich dann fertig und wir machten eine lange Pause im „Frankenwald“. Die Reststrecke ging dann glatt und ich setzte die verbliebenen Mitfahrer in Wannsee ab. Zu Hause angekommen, schlenderte ich, immernoch mit von Erinnerungen angefülltem Kopf, noch zur Geburtstagsparty von Thomas S., mußte aber nach einem Bier feststellen, daß ich Thomas’ Schwänken aus seiner Jugend nicht mehr folgen konnte und begab mich wieder nach Hause.

Da merkt man, daß manche Momente nicht wiederkommen, man aber trotzdem mit glücklich melancholischem Gemüt zurückblicken kann und lächelt. Schön war’s und ich werde’s wieder tun.