Morz und wie er die Welt sah...

Samstag, Januar 27, 2007

Die General Conference in Lissabon (17.01.07 – 26.01.07)

Gestern Abend bin ich aus Portugal wieder zu Hause reingeschneit (im wahrsten Sinne des Wortes). Jetzt sitze mit einer heißen Schokolade am Fenster, schaue auf die verschneite Straße hinaus und lasse die letzte Woche noch einmal Revue passieren. Schön war’s und stressig. Aber beginnen wir am besten bei der

Vorgeschichte

Auf der langen Autofahrt von Slowenien zurück nach Potsdam (s.u.) holte mich diese süß-melancholische Stimmung ein, die daherrührte, daß ich ein großartiges Wochenende mit Menschen ähnlicher Weltanschauung, aber völlig verschiedener Herkunft verbracht hatte. Und wenn man kapiert, daß man so nie wieder zusammenkommt, versucht man, das zu ändern. Als entschied ich mich, nachdem es mit der Wahl für ein Ticket zur General Conference 2007 in Lissabon nicht geklappt hatte (s. ganz u.), mal in Portugal anzufragen, ob sie für die Konferenz nicht noch Helfer bräuchten. Ein paar Tage später erhielt ich als Antwort: Sehr gerne, nur können wir weder für deinen Flug, noch für die Unterkunft aufkommen. Na, gut. Nach einigen Mails, was eigentlich so zu tun wäre, entschied ich mich zuzusagen und einen Flug zu buchen. Leider galt das Billigfliegerangebot von Germanwings nur ab Stuttgart (oder Köln/Bonn), aber so hätte ich mal die einmalige Chance, den Scherer besuchen zu können. Sonja tat mir darüberhinaus noch einen Riesengefallen und gab mir einen ihren Fluggutscheine, so daß ich billig von Berlin nach Stuttgart fliegen konnte. Nach einigen Tagen erreichten mich dann aber komische Emails aus Portugal, wie „Warum hast du die Anmeldegebühr von 335€ noch nicht bezahlt?“ (warum sollte ich, ich arbeite doch auf der Konferenz) und „Du brauchst ein offizielles Schreiben von IAESTE Deutschland, daß du in Lissabon auch erwünscht bist, sonst darfst du nicht kommen!“. Dank Karin aus Bonn bekam ich dann 2 Tage vor Abflug die Mail “Okay, komm vorbei. Den Rest besprechen wir im Hotel in Lissabon!“ Und so gings dann am Mittwoch los:

Berlin – Stuttgart (17.01.07)

Leider mußte ich am Mittwoch noch schuften gehen und es gab so viel zu tun, daß ich mich erst eine Stunde, bevor ich das Haus verlassen mußte, mit dem Einpacken beschäftigen konnte. Zum Glück fand ich noch genug Klamotten, die den Status sauber bis bedingt sauber erhalten hatten. Sogar an meine Zahnbürste hab ich gedacht. Nur mein Handtuch und irgendwelche CD’s für meinen Discman vergaß ich mitzunehmen. Nun noch ein bißchen auf dem Rucksack rumspringen, bis alles rein paßt und zur Straßenbahn flitzen (ja, auch ich renne manchmal zu öffentlichen Verkehrsmitteln). Ab dann ging alles glatt: Tram, Regionalzug, Bus nach Tegel, Ticket am dba-Schalter abholen, einchecken, beim Einsteigen in den Flieger von einer fröhlich lächelnden Sonja begrüßt zu werden. Mir fiel auf, daß ich anscheinend neben meinem Ticket noch dringend einen Anzug und Schlips benötigt hätte, um als vollwertiger Fluggast anerkannt zu werden. Als ich nach der Sicherheitsvorführung und leckerem Rosmaringebäck dann gerade wegdöste, waren wir schon da. Das Gepäck war sogar schneller als die Passagiere am baggage claim und Sonja stand einige Minuten später auch neben mir. Wir fuhren zuerst in ihre Wohnung in Filderstadt, um die Sachen abzuladen und ihre selbstgemachten Kunstwerke vergangener Zeiten zu bewundern. Die watschelnde Rennente am Stock fand ich sehr klasse. Da fuhren wir noch nach Stuttgart rein, um uns mit der Nicki (Menschen haben in Süddeutschland immer Artikel) zu treffen. Die saß nämlich mit Kollegen von der Tourismusmesse in Stuttgart in einer baumarkt-gut-bürgerlich ausschauenden Kneipe am Feuersee genannten Löschteich Stuttgarts und trank Wein. Als die Sonja und ich eintraten, bemerkten wir, daß der Promillevorsprung der Truppe für uns schon uneinholbar war, amüsierten uns aber trotzdem gut. Nachdem die Nicki und die Sonja sich zu einem Südostasien-Bilder-Erzähl-Abend verabredet hatten, zug die Meute weiter in Richtung nächster Bar. Da gabs nur noch Flaschenbier, da die Bar schon zu war und die Sonja und ich verabschiedeten uns. Nach kurzer Stadtrundfahrt bei Nacht und schönen Ausblicken auf Stuttgart von den umgebenden Hügeln gings zurück nach Filderstadt..

Stuttgart am Tag, als Kyrill kam (18.01.07)

Am nächsten Morgen frühstückten wir erstmal gemütlich mit lecker frischen Brötchen und herrlich stinkendem Bergkäse (und da sagen andere, daß Füße riechen). Sonja versuchte mir anhand der Morki ihres Vaters zu zeigen, daß ich ja unmöglich ein Messi sein könne und ich schmiß noch die nur mit dem Prädikat „bedingt sauber“ deklarierten Sachen in die Waschmaschine. Besagte Klamotten wechselten noch ihre Position hin zum Trockner und Sonja und ich machten uns auf; sie in Richtung Flughafen zur Arbeit und ich nach Stuttgart. Der Scherer traf mich in der Stadtmitte und im „Deli“ saßen schon die Nicki (hatte heute einen Tag frei genommen) und die Laura (besuchte gerade den Scherer und die Nicki). Als Scherer sich nach leckeren Canneloni zu seinem Seminar aufmachte, gingen wir drei anderen durch die Königsstraße auf der Suche nach einer Apotheke, um Nickis Ohrenschmerzen zu besänftigen. Danach trennten wir uns. Die Mädels brauchten dringend Schuhe; ich eine Internetverbindung (um Hostels in Lissabon zu checken und herauszubekommen, ob sich jemand auf meine Anfrage auf Übernachtung beim Hospitality Club zurück gemeldet hatte). Eine Stunde später trafen wir uns wieder. Aus dem Wind waren inzwischen Sturmböen geworden, was uns aber nicht davon abhielt, gemütlich durch den Schloßpark zu schlendern. Ab und zu erhielten wir Anrufe (Dave bei Laura, ihr Freund bei Nicki, Mama bei mir), um uns vor dem herannahenden Orkan zu warnen. Wir nahmen das alles gelassen und flanierten weiter durch den Park. Etwas später ließen wir uns in einer gemütlichen Shakes-/Sandwich-/Saftbar nieder und erwarteten den Scherer zurück. Das Seminar hatte aufgrund des Orkans früher geendet. Nachdem ein leckerer Mangolassi meinen Gaumen heruntergepurzelt war, machten wir uns wieder auf den Weg. Mir zeigten sie das alte Schloß und die kleineren Gassen der Altstadt (es gibt schönere Städte als Stuttgart, aber die Altstadt ist schon ganz schick) und wenig später ließen wir uns im „Reiskorn“ nieder. Das ist ein chilliges asiatisches Restaurant mit Loungeatmosphäre, süßer Kellnerin und extrem leckeren Essen. Wie flezten uns in die Kissen des Séparées und fingen unser 3-Stunden-Mahl mit Mango-, Jasmin- oder Ingwertee an. Darauf folgten Dim Sum, Frühlingsrollen oder Tom Kha Gai. Auch beim Hauptgericht wurde die Multinationalität Asiens gewahrt. Ich hatte mich für mongolisches Rind, Scherer für rotes Thai-Curry, Laura für ein Erdnuß-Kokos-Hühnchen und Nicki für Honig-Meerettich-Hühnchen aus Vietnam entschieden. (So, ich hoffe, dir ist jetzt das Wasser im Mund zusammen gelaufen.) Runtergespült wurde alles noch mit Hollerblütenschorle oder weiterem Tee. Gegen halb Zehn verabschiedete sich die Nicki ins Hotel und wie rollten vollgefressen und zufrieden zum Bahnhof, um herauszufinden, ob die Prophezeiungen eingetroffen sind. Leider bewahrheiteten sich die weiteren Anrufe, die wir während des Essen ignoriert hatten, daß in ganz BW kein Zug mehr geht, und das, obwohl kein Lüftchen wehte. Noch während wir knobelten, ob das die Ruhe vor oder nach dem Sturm sei, verteilte die Bahn Wasser und Kaffee. Da weder Scherer nach Tübingen noch die Laura nach Augsburg fahren konnte, entschieden wir uns, alle bei Sonja unterzukommen. Es fuhr aber auch keine S-Bahn mehr und das Taxi hätte mehr als 30€ gekostet. „Was nun!“, sprach Zeus. Da entdeckten wir, daß jemand vergessen hatte, der U-Bahn den Strom abzudrehen und so setzten wir uns, nachdem Scherer ein paar Bier organisiert und Laura sich mit den örtlichen Punks angefreundet hatte, in die nächste Bahn nach Leinfelden. Von dort fuhren sogar noch Busse! Da der Bus allerdings ca. 1 Stunde für die 10km nach Filderstadt brauchte, lasen wir uns reihum gegenseitig aus Milan Kunderas „Identität“, quasi als Gute-Nacht-Geschichte, vor. In Sonjas Wohnung angekommen, sammelte ich meine Wäsche aus dem Trockner. Wir nuckelten noch etwas gelangweilt an unseren Bieren und schauten uns auf N24 gespannt die Orkanberichte und den „Sturz“ von Stoiber an.

Stuttgart – Lissabon (19.01.07)

„Beim nächsten Piep ist es genau 7Uhr. Gefühlte Zeit 4:38!“ So etwa ging der Tag los. Schnell duschen, Handtuch von Sonja borgen, wohlbekanntes auf dem Rucksack rumspringen und dann um 8.04 in die wieder den Betrieb aufgenommen habende S-Bahn. Auf der Station zum Flughafen hab ich mich noch vom Scherer und der Laura verabschiedet. Am Check-in-Schalter der Germanwings stand niemand und so hatte ich schon um 8.15 eine heiße Schokolade in der Hand und überlegte, wie ich die nächste anderthalb Stunde bis zum Abflug verbringen würde (wenn ich das vorher gewußt hätte, hätte ich noch ne Stunde geschlafen). Den Reiseführer von Lissabon lesen…..bis mir die Augen zufielen. Ich schaffte trotzdem noch meinen Flieger, frühstückte dort (6,50€ für ein Baguette + 1 Glas Apfelsaft) und genoß den atemberaubenden Blick beim Anflug auf die Stadt und die Bilderbuchlandung in Lissabon. Beim Ausstieg grüßte mich jemand, der mir irgendwie bekannt vorkam, den ich aber nicht einordnen konnte. Bei den Worten „Na, auf dem Weg zur GC?“ machte es klick und ich erkannte Oli vom LC Stuttgart. Er wollte eine Woche mit seiner Freundin in Portugal ausspannen und war nur zufällig zur selben Zeit wie die GC in Lissabon. Am baggage claim angekommen ging das unerwartete Wiedersehen weiter: Raimund vom LC München stand da am benachbarten Gepäckband und auch bei ihm brauchte ich eine Weile, um ihn zu erkennen. Dann fielen mir wieder die spontanen Besuche in Berlin/Potsdam mit Trainees, insbesondere Primoz, ein. Doch ebenso wie ich, gehörte er nicht zur deutschen Delegation. Aber zur armenischen (!), wie er mit erzählte. Ein alter Freund, der National Secretary von Armenien hatte ihn gefragt, ob er nicht mit zur GC möchte… Leider wurde meine Wiedersehensfreude etwas durch die Tatsache gedämpft, daß ich zwar meinen Rucksack auf dem Gepäckband gefunden hatte, nicht aber meinen Schlafsack. „Wird wohl noch irgendwo in Stuttgart rumliegen. Sowas kommt öfter vor.“ lauteten die beruhigenden Worte der „Lost and Found“-Schalterdame. Da ich auf dem Formular die Unterkunftsadresse erst einmal frei lassen mußte, nahm ich mir vor, das als erstes zu ändern. Im Internet hatte ich eine schöne neue Herberge im alten Teil Lissabons gefunden und machte mich nun mit dem Flughafenbus in diese Richtung auf. Ich muß sagen, trotz meiner Kenntnis des entsprechenden Ortsteils war besagte „Albergo Olisipo“ das bestversteckteste Hostel meines Lebens. Nur der mit Bleistift unter dem Klingelknopf geschriebene Name einer Dritter-Stock-links-Klingel am Ende einer entvölkerten Gasse offenbarte mir nach einigem Suchen (und der Hilfe eines netten Friseurs aus der Nachbargasse) die tatsächliche Existenz o.g. Unterkunft. Nach dem Drücken der entsprechenden Klingel, klang ein „Was’n los“ aus dem ebenfalls versteckten Lautsprecher, so daß ich mich kaum zu fragen traute, ob noch ein Zimmer frei wäre. Als Antwort summte der Türöffner und die altersschwache Tür öffnete sich quietschend einen Spalt. Nachdem ich 3 Stockwerke hochgeschnauft war, erwartete mich allerdings ein ganz anderes Bild: Neue, saubere Zimmer mit herrlicher Aussicht über die Stadt, eine große Küche, ein gemütlicher Gemeinschaftsraum mit Internet und Großbildfernseher, sowie Frederico (Fredge) und seine Schwester, beides Brasilianer um die 25, die das Hostel führten. Mit 18€ die Nacht, war es nicht einmal teuer. Wunderbar: Bett gebucht, Sachen in einen Spind gequetscht und gleich weiter ins Konferenzhotel. An der Metrostation hab ich mir noch eine Wochenkarte für das gesamte Nahverkehrssystem gekauft (ein Fehler, wie sich später herausstellen sollte) und ab ich Richtung SANA Metropolitain Park wasweißichnoch Hotel.

Dieses Hotel schaffte es doch tatsächlich fernab jeden öffentlichen Verkehrsmittels zu liegen und ich kam etwas verschwitzt von der letzten verstaubten Avenue um die Ecke zum Eingang als ich meinen Namen hörte. Als ich mich umdrehte, umarmte mich auch schon meine slowenische Lieblings-Nina. David, den ich auf der CEC schon getroffen hatte, war auch mit dabei. Wow, da hatte ja keiner mit gerechnet. Trotzdem mußte ich erstmal ins Hotel eilen, um mich Graça vorstellen (die Organisatorin der GC, mit der ich Emailkontakt hatte). Im Foyer saß Thomas Faultner, seines Zeichens SID-Koordinator (also einer der studentischen Oberindianer) hinterm Empfangstisch, den ich auch aus Slowenien kannte. Er schickte mich in den ersten Stock ins Sekretariat. Ab da lief alles chaotisch, aber problemfrei. Graça konnte sich nicht an einen komplizierten Mailverkehr erinnern und drückte mir ein „Staff“-T-shirt und meine Erkennungsmarke in die Hand. Und schon hatte ich nichts mehr zu tun. Keine Ahnung von Tuten und Blasen, begab ich mich zurück ins Foyer, um Thomas über alles auszuquetschen, was mir zur GC einfiel. Er erwies sich als redselig und er war es auch, der mir gegen 15.30Uhr mitteilte, daß ich anscheinend ein Hotelzimmer hatte. Nur die an der Rezeption wußten davon nichts. Die Rückfrage bei Graça ergab, daß sie ca. 10 Leute von ihren Zimmern in andere verschoben hatte, ohne der Rezeption was mitzuteilen. Nachdem ich das mehr oder minder erfolgreich der Rezeption vermittelt hatte, besaß ich einen Schlüssel zum Zimmer 1130, einen Zimmergefährten namens Tomek aus Polen und einen ungetrübten Ausblick auf die Baustelle des Hotels gegenüber. Leider hatte ich nun nur noch 40 Minuten Zeit vor der ersten offiziellen Veranstaltung, dem Meet and Greet, um mein Gepäck aus der Pension zu holen. Die Verbindung klappte super, so daß ich 20min später komplett durchgeschwitzt auf dem Berg stand, wo sich auch meine Pension befand. Ich hatte ja schon 2 Nächte gebucht und bereitete mich seelisch darauf vor, Fredge und seine Schwester auf eine Nacht runterzuhandeln. Diese meinten aber nur: „Schade, daß du nicht hier bleibst. Geld wollen wir nicht, denn du hast ja hier nicht geschlafen! Komm aber ruhig das nächste Mal, wenn du in Lissabon bist, wieder bei uns vorbei!“ Danke, das werde ich. So. Nur noch 10 Minuten Zeit. Also schnell ein Taxi finden. Die gab's in rauher Menge, nur wollte keines anhalten! 15 Minuten später erklärte mir der Fahrer eines warteten Taxis die Bedeutung der vielen lustigen Lämpchen neben dem Taxischild und daß man um diese Uhrzeit unmöglich ein freies Taxi bekommt. Just in diesem Moment stieg eine Frau mit enormem Hut (Sombrero?) aus einem Taxi direkt vor mir aus; ich sprang unverfroren hinein und schon war ich kaum zu spät im Hotel. Das Meet & Greet bestand aus Kaffeetasse in der linken Hand halten, leckeres Gebäck in der rechten und alle Leute ansprechen, die sich im Raum befinden. Ich quatschte mit Somen aus Indien, der mir schon im zweiten Satz Praktikumsplätze andrehen wollte, ein paar Mazedoniern und dem ewig lächelnden Delegierten der Tunesier. Der Mann des Abends war allerdings ein Chinese. Man stelle sich einen schmächtigen aufgeweckten Studenten Anfang 20 vor, der einem knapp bis zur Taille reicht. Aber der Name reißt’s raus: Ranbo! Nur hatte dieser noch nie von seinem muskelbepackten Fast-Namensvetter gehört, so daß er nicht verstand, warum alle blöde grinsten, wenn er sich vorstellte.

Kurz danach gab es Abendessen. Ein opulentes Buffet mit Kabeljau in Sahnesoße, leckeren kalten und warmen Gemüsen und viel zu viel süßen Desserts (Crème brulée, mmmh…). Außerdem ging das Meet & Greet praktisch weiter. Ich traf Laverne und Neil aus Irland wieder. Lernte Kristina aus Estland, PJ aus Südafrika und Gorata aus Botswana kennen. Es war eine sehr entspannte Atmosphäre und beim Wein Trinken ließ es sich herrlich small talk betreiben. Nina tauchte kurz zum Essen auf und schnell wieder ab, Raimund erzählte mir, wie es dazu kam, daß er zur armenischen Delegation gehörte und selbst Sergej und Sandy von der deutschen Delegation erkannten mich schließlich. Gegen 23Uhr kam Graça noch auf Tomek und mich mit unserer ersten Aufgabe zu: Die Technik für die Eröffnungsveranstaltung zu überprüfen und zu justieren. Etwa eine Stunde später entsprach alles den Wünschen Paulines (der aus Nordirland stammenden General Secretary, also praktisch Chefin, von IAESTE). Der Abend klang ruhig gegen Mitternacht aus und ich fiel zufrieden nach dem langen Tag in mein Bett.

Konferenzeröffnung, Samstag 20.01.07

Als mein Wecker am nächsten Morgen gegen 8 Uhr klingelte, war Tomek schon wieder unterwegs. Später fand ich heraus, daß er gerade seit 8 Monaten in Japan lebt und er schaffte es auch bis zum Ende der Konferenz nie, seine Schlafphase auf die portugiesische Nacht umzujustieren. Beim Frühstück bemerkte ich, daß ich schon viel zu spät für das Einführungsseminar war, das für alle Ersties gedacht war. Ich sprintete die Treppe rauf und kam noch gerade rechtzeitig, um Jackie und … (einem ca. 70jährigen Ehepaar aus Australien) bei der Erklärung des Tauschs vom Praktikumsplätzen zu lauschen, was sie anhand eines in einem Buschdorf im Outback gelegenen Praktikumsplatzes zur Herstellung GPS-gesteuerter Boomerangs erklärten. Sehr geil. Danach kam die Eröffnungsveranstaltung. Er wurde jeder von Rang und Namen vorgestellt, Portugal erzählte, wie sie es geschafft hatten, durch an-Land-ziehen eines Investors ihre Praktikumsplatzangebote (i.f. offers) auf über 100 zu verdoppeln, Jubiläen wurden beklatscht und Pauline stellte ihre Arbeit des vergangenen Jahres mit einem emotionalen Video vor. Als sie zu der Musik von Westlife auch noch zu singen anfing, schieden sich die Geister (zwischen kollegialem Mitweinen und Nach-dem-MP3-Player-kramen). Als letzter Programmteil der Eröffnungsveranstaltung trat eine Reihe schwarz beumhangter Studenten aus Porto ein; mit Trommeln und die Gitarren im Mariachistil haltend. Und ihre Vorstellung war ne Wucht! Etwa 10 Musikern spielten im Halbkreis dem Publikum zugewandt. Einer sang von der guten und schönen Studentenzeit und zwei sprangen, sich im Rhythmus mit Schellen ausgestatteten Tambourins auf die Schuhspitzen, Ellebogen oder Nase hauend, akrobatisch in einer Mischung aus Schuhplatteln, Kasatschok und Breakdance herum. Nachdem Auszug der Truppe machte sich eine gewisse kreative Unruhe in der Menge breit; ähnlich einem Bienenstock! Es dauerte eine Weile, bis ich verstand, daß jetzt der Zeitpunkt gekommen war, an dem sich jeder mit jedem zum Praktikumsplatztausch verabredete. Dementsprechend viel los war bei uns Deutschen. Ich verließ fluchtartig den Raum (da mich zwar viele ansprachen, ich aber nicht zur Delegation gehörte und folglich auch keine Termine machen konnte) und traf unerwartet wieder auf die Truppe aus Porto, die etwas abseits des Trubels zwei Mädels mit ihren schwarzen Umhängen bestückt in einen Kreis eingeschlossen hatten und sie nun nach Herzenslust traditionell musikalisch becircen konnten. Das kam anscheinend bei den Mädels auch sehr gut an, denn sie zogen gemeinsam in Richtung Mittagessen davon.

Nach dem Mittag stand die erste Exchange Session an. Man stelle sich einen sehr großen Raum vor mit ca. 80 Tischen darin.An jedem Tisch sind mindestens ein Vertreter des jeweiligen Landes und nun geht das Bäumchen-wechsle-dich-Spielchen los. Ghana besucht Griechenland und der Oman geht in die Mongolei. Man prüft die Angebote der anderen Länder sorgfältig, checkt, ob der Platz von einem einheimischen Studenten besetzbar ist, überläßt dem anderen Land ein gewünschtes Angebot zur Prüfung und schüttelt sich nach beendetem Feilschen die Hand. Es werden auch kleine Geschenke getauscht. Ich hab sogar ganze Chichas über den Tisch gehen sehen. Und so geht das den ganzen Nachmittag (eigentlich bis zum Ende der Konferenz in 5 Tagen). Am Ende weiß man definitiv, wen man zum Pokern einladen würde und wen man besser der Konkurrenz empfiehlt.

Das Abendessen war außerhalb des Hotels geplant. Und so quetschten sich alle Konferenzteilnehmer in 5 Busse und fuhren zur Gestüt „Lezíria Grand Riding School“ aufs Land. Nach einer kleinen Stärkung an Choriço, Käse und Weißbrot wurden uns die Künste der Dressurreitschule in einer Show vorgeführt. Es sieht ja ganz anmutig aus, doch ich weiß bei so etwas immer nie, ob die Pferde da auch ihren Spaß dran haben, oder nur die Reiter. Nachdem sich der Staub in der Manege wieder etwas gelegt hatte und das große Karussel vorbei war, wurden wir ins ebenfalls auf dem Gestüt gelegen Restaurant geführt und mehrgängig bespeist. Das Essen war sehr lecker, doch den meisten von uns machte die Müdigkeit zu schaffen. So war es auch nicht sehr verwunderlich, daß an meinem Tisch bei der folgenden Darbietung wunderbaren Fados (gesungene, sehr melodiöse, melancholische Musik und DIE typische Musik Portugals. Ich sag nur Amalia Rodrigues….), die meisten aus dem Gähnen nicht mehr herauskamen. Gegen Mitternacht ging es dann zufrieden und gut gesättigt zurück ins Hotel.

Dort angekommen entschieden sich Raimund, Laverne, Duarte (der einzige portugiesische Helfer) und ich, dem Kneipenviertel Lissabons, dem Barrio Alto, noch einen Besuch abzustatten. Laverne war so clever, Stöckelschuhe anzuziehen, so daß sie alle drei Schritte im Kopfsteinpflaster der Altstadt steckenblieb. Die Menschen feierten hier auf der Straße, tranken Bier, sangen Lieder und tauschten den Tratsch von gestern aus, wie sie es seit jeher taten (ein Grund, warum ich Lissabon früher schon lieben gelernt hatte). Wir trafen noch ein paar Tunesier und ein irisches Pärchen (vielleicht der Keim eines LC Dublin) und versackten einige Superbock’s (1€/Glas) später in einer Karaokebar. Als die Bar um 4 Uhr schloß, hatte sich unser Repertoire an portugiesischen Liedern beträchtlich erweitert und wir fuhren heiser mit dem Taxi wieder zurück zum Hotel.

Sonntag 21.01.07

Als ich um 10Uhr den Konferenzsaal betrat, war ich gerade richtig, ihn mit Tomek (PL), Elisabeth (A) und Duarte (P) für die folgenden Conference Sessions vorzubereiten. Schilder mit den Ländern mußten, sorgfältig sortiert nach full members, associated members und cooperating institutes, ausgelegt werden, Papier und Jahresberichte, sowie die Agenda dazugelegt werden, die Technik überprüft und alles nocmal umsortiert werden. Nach dem Mittag ging dann der ganze Spaß los. Nachdem Goran Radnovic, z.Z. Präsident der IAESTE, die Konferenz seinerseits eröffnet hatte, trat jedes wahlberechtigte Land vor, gab ein Mandat bei ihm ab und klebte ein IAESTE-Sticker auf die Weltkarte, um sein Land zu repräsentieren. Danach standen hauptsächlich Wahlen an. Länder, die „befördert“ werden wollten, stellten sich und ihre Arbeit im Land kurz vor, verließen den Raum und traten kurze Zeit später als associated members oder full members wieder ein. Die letzte Wahl war besonders: Bisher gab es IAESTE China, IAESTE Hongkong, IAESTE Macao und IAESTE Taiwan. Diese wollten sich nun zu einem IAESTE Nationalkomitee zusammenschließen. Das mußte ebenfalls per Anerkennungswahl durch die anderen Länder passieren. Nur dummerweise spielte IAESTE Taiwan aus politischen Gründen nicht mit. Kaum hatten die Betreffenden den Raum verlassen, entbrannte die Diskussion. Wir Helfer flitzten mit Mikros vor und zurück und am Ende war klar, daß durch eine positive Entscheidung bzgl. des Zusammenschluß’ von Hongkong, Macao und (Rest-)China, Taiwan aus der IAESTE ausgeschlossen werden müßte. Die darauffolgende Wahl war davon gekennzeichnet und die notwendige Zweidrittelmehrheit scheiterte an einer Stimme. Die chinesische Delegation war mehr als geknickt, als sie zur Kaffeepause ging und Pauline saß heulend auf dem Podium (war doch ein Großteil ihrer Bestrebungen des letzten Jahres in diesen Zusammenschluß geflossen). Doch nach der Kaffeepause brach das Chaos aus: Als erstes explodierte ein Anschiß des Präsidenten in der versammelten Menge. Grund: Manche Länder hatten nicht verstanden, daß die IAESTE seit einem Jahr ein rechtmäßiger Verein ist, daher Wahlberechtigung an Mandate u.ä. gekoppelt ist und viele davon nicht stimmten. Einerseits hatte die Prüfung der Mandate in der Pause ergeben, daß manche Länder nichtauthorisierte Stellvertreter in die Konferenz geschickt hatten, um ausschlafen zu können und andere Länder (wie die Ukraine) sogar jemanden als Vertretung nach Portugal geschickt hatten, der von der IAESTE noch nichtmal was gehört hatte. Schöne Scheiße für eine offizielle Wahl. Nach langem Hin und Her wurde entschieden, nur die China-Wahl zu wiederholen und dieses Mal ging die Rechnung auf. Einige Länder-Beförderungs-Wahlen später wurde die Konferenz für heute geschlossen und gingen unserem freien Abend entgegen.

Alle, die keinen Plan hatten, was man mit einem freien Abend anfangen sollte, trafen sich um 21Uhr vorm Hotel. Die meisten von uns fuhren mit dem Taxi zum Rossio, einem der schönsten und größten PlätzeLissabons, und starteten die Suche nach etwas Eßbarem von dort. Der Unterschied, auch im Barrio Alto zur Samstagnacht war gravierend. Sonntag war alles zu. Einige von uns folgten Ninas Vorschlag, ein brasilianes Restaurant in Chiado aufzusuchen, die allerlei Leckeres vom Bufett zum Festpreis für den Teller anboten. Einige Caipirinhas später fuuhren die meisten wieder zurück ins Hotel und PJ, ein mazedonisches pärchen und ich suchten uns noch eine Kneipe. Aber außer dem Hardrock Café hatte nichts offen. Hier war das Bier dreimal so teuer wie anderswo und die gerade hardrockende band war gar nicht mal so gut. Außerdem gab es einen Kamerakran an dem sich anscheinend ein Azubi im Videoclip schießen übte. Nach einer Stunde kam Laverne mit einer Truppe noch vorbei, so daß PJ und ich uns auch in Richtung Hotel verabschieden konnten.